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steht dem Besitzer des Erbkretschams das Vorkaufs recht zu. Du versetzt dich in jene Zeit, als das Haus zugleich das Zollhaus war. Kein Auto hätte da dein Sinnen gestört, keine Fabrikpfeife hätte dich in deinem Nach denken gehindert. Wie ganz anders heute. Der Platz vor dem Stern ist zum Mittelpunkt des Lebens und Treibens geworden. Autos und Motorräder rattern vor über. Um 5 Uhr nachmittags, wenn die Fabrik ihre Tore schließt, strömen Arbeiter und Arbeiterinnen mit ihrem Eßgerät vorüber. Nur mit Vorsicht kannst du die Straße überschreiten. Das Wachsen und das Leben des heutigen Kirschaus^raünst du so recht in der „Neuen Schänke" beobachten? 4. Vom Erb gerecht Auf ein viel größeres Alter kann das Erbqericht oder, wie es früher hieß, der Erbkretscham zurllckbllcken. In einem Kaufvertrag vom Iabre 1694 wird erwähnt, daß das Geschlecht des Besitzers Georg Benediktus Franz schon anderthalbhundert Jahre den uralten Kretscham be erbt lyrd besessen hätte. Mit dem Kretscham war ver bunden ein freies Brauwerk, der Wein- und Bierschank, wie auch das Recht, Branntwein zu brennen und zu schenken, ingleichen frei Schlachten und Backen, nebst freiem Salzpfand und Gasthaliung. Georg Benediktus Franz verkauft im genannten Jahre das Erbgericht an seinen Eiden Christian Richter, gebürtig aus Ringenhain. Da Franz auch der Richter im Orte war, so behält er sich zurück einen Wagen mit allem Zubehör, 2 Pferde, Eggen, Pflug und anderes Ackergerät, sowie alle Braugefäße. Besonders erwähnt werden eine gute Braupfanne, ein Branntweintopf und 2 Fässer, um Branntwein einzu machen. Für den Kretscham sind 1950 Thlr. zu bezahlen. Das Domstift verkauft an den neuen Besitzer das Gebiet bei dem sogenannten alten Teiche bis zur Collen berger Grenze und bis an die Spree und das Holz über der Spree bis an den Rodewitzer Grund und Boden. Ausgenommen bleibt das Wasser, also die Fischerei gerechtigkeit. Das Ganze umfaßt 13 Scheffel Aussaat. Aus einem späteren Verkauf vom Jahre 1794 er fahren wir, welche Grundstücke zum Kretschamgut gehört haben. Es sind: 1. ein Feld am Schloßberg von 4 Scheffel Aussaat, 2. ein Stück desgleichen von s/^ Aussaat, 3. ein Stück desgleichen von 2 Scheffel Größe gegen über den Collenberger Feldern, 4. ein Stück von 2 Scheffel gegenüber den Schirgis- walder Feldern, 5. ein Stück von 2/4 Aussaat neben dem vorigen nach dem Dorfe zu, 6. eine Wiese nebst etwas Acker neben dem vorigen Stück, 7. ein Stück Feld von 2/4 Aussaat vom Fuße des Berges an zum Kretscham zu gelegen, 8. desgleichen ein Stück von 21/4 Scheffel im Dorfe hinter dem Kretscham gelegen. Dieser Richter und Besitzer des Erbgerichts Georg Benediktus Franz muß eine geachtete Persönlichkeit ge wesen sein, denn als Paten seiner Kinder finden wir im Crostauer Kirchenbuch meist adlige Rittergutsbesitzer oder Geistliche der näheren und weiteren Umgebung. Wenn van ihm in den Kirchenbüchern geschrieben ist, so finden wir vor seinem Nameu immer das Wort Herr. Dieses Wörtchen steht sonst nur bei den Ritterguts, besitzern, Geistlichen und Lehrern. Es bedeutete also einen gewissen Grad von Hochachtung. Georg Benediktus Franz starb am 16. 8. 1695 und ist am 19. zu Crösten mit Leichenprediqt und Abdankung begraben worden. Von seinen 13 Kindern, die ich im Kirchenbuch gefunden habe, starben 5 in jungen Jahren. Die beiden Söhne Gottfried und Johann Jakob Franz haben nicht in Kirschau ge wohnt, sie verschwinden aus den Crostener Kirchenbüchern. Bon den 5 Töchtern haben 4 nach auswärts geheiratet, nur die älteste Anna Katharina bleibt in Kirschau wohnen als Frau des späteren Richters und Kretschambesitzers Christian Richter. Zu ihren Nachkommen gehören neben den Ortsrichtern auch jene Zolleinnehmcr, von denen ich zuerst erzählt habe. Franz hat wahrscheinlich die Brauerei verpachtet ge habt, denn wir finden in den Kirchenbüchern einen Destillator David Hentschel erwähnt. In späteren Jahren waren Brauer in Kirschau Eißner und Johann Heinrich Päßler. g Kirschauer Mühlen Schon seit 1780 finden wir neben der damstiftlichen Mehl- und Brettmühlc (jetzt Wagners Fabrik) eine Öl mühle an der Pilke gelegen. Gemeint ist die sogenannte Karreßmühle, die mitten in Friesens Fabrikanlagen als altes Häuschen steht und in dem sich heute die Fabrik kantine befindet. Im Jahre 1786 verkaufen des Peter Beckers, des Slschlägers von der Pilke, Erben die Ölmühle an Martin Kappler für 300 Thlr. Obwohl sich in dieser Mühle ein kleiner Mehlgang befindet, so darf er nicht für andere mahlen Nur dem Besitzer des Gutes, aus dem die Mühle erkauft ist, darf er frei mahlen. Das Wasser darf er aus dem Forellcntciche, der bei der Mühle ist und der gnädigen Herrschaft gehört, benutzen. Dafür muß er fleißig auf diesen Teich achten, daß keine Forelle aus dem Teiche kommt. An den Ausguß muß er ein starkes Gatter anbringen. Die Kirschauer und Kleinpostwitzer, mit Ausnahme von Michel Deutschmann und einem Gärtner, müssen ihr Getreide in der damstiftlichen Mehl- und Brettmühle mahlen lassen, die am 17. 9. 1714 an den Müller George Adam Schuster aus Königswalde für 400 Rthr. oder 600 böhmische Gulden verkauft wird. Ihm wird aufgetragen, seine Mehlgäste treulich zu fördern. Die Mehlsteine sind aus einem bestimmten Steinbruch zu haben, hierzu stellt der Gutsbesitzer Sommer in Halbendorf 2 Pferde und die Kirschauer Bauern 1 Pferd. Für das Domstist hat er die Hölzer umsonst zu schneiden, doch müssen die Bretter zusammenliegen bleiben, bis vom Domstift eine Besichtigung da war, daß alles stimmt. Das Bauholz erhält der Müller umsonst aus dem Herr schaftswald. Die Arbeit muß ec unentgeldlich leisten. Ebenso muß er mit seinen Leuten die schadhaften Stellen am Wehr ausbessern, auch hier erhält er das Material vom Domstist. An Pacht zahlt er 100 böhmische Gulden Silderzins. Im Jahre 1799 gehören noch die Callenberger als Mehlgäste zur Kirschauer Mühle. Die Familie Schuster bleibt bis nach 1845 als Erbmüller auf der Mühle. Vor dem Schuster werden in den Crostauer Kirchen büchern als Pachtmüller Christoph Bernhard (* vor 1673), Georg Hillmann (* 1679) und Johann Tietze (* 1715) erwähnt.