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Jugend brauchen wir im neuen Deutschland: keine jungen Herren mit Bügelfalte und Zigarette, keine jungen Damen, die über das einfache Lager der Herberge die Nase rümpfen, sich's wohl einmal gefallen lassen, sonst aber Betten und wohlriechende Seife für standesgemäß halten. Mit solch greisenhafter „Jugend" können wir das Vaterland nicht aufbauen! (Aus „Die Jugendherberge", Iserlohn 1925, S. 53/55 ) Der „Husar vom Hardtbusch" bei Türchau Ein Beitrag zu den Irrlichtcrgeschichten und zu der Sage vom „Husar" von einem „Reichenauer" wischen Reichenau und Reibersdorf fließt in sanfter Talmulde langsam in schlängelndem Laufe die Schlade dahin. Ihre Wiege steht zwischen dem spitzen vulkanischen Gickelsberg und dem breit- rückigen, älteren Kahlenberg. Als munteres Berg kind springt sie leichtfüßig zu Tal. Bor der Lichtenberger Kirchstraße gräbt sie ihr Bett in den Tuff (zu Roterde zu- sammengepreßte Vulkanasche) aus dem Krater des Gickels- berges, von dem sich mein Großvater manches Stückchen zum Zeichnen der Werften (Ketten zum Weben) für seine Handweber geholt. Etwa von Oppelsdorf an wird ihr Lauf ruhiger. Schlendernd windet sie sich durch die Oppelsdorser- und Waldwiesen. Den Untergrund derselben bilden die an Eisen, Schwefel, Phosphor und anderen mineralischen und chemischen Stoffen reichen Kohlenlager. Neugierig guckt sie in die Wiesen hinein, da und dort feuchte, sumpfige Stellen bildend, deren rostbraunes Wasser oft mit einer in allen Regenbogenfarben schillernden Ozydschicht überzogen ist. Sie hat entweder von den obengenannten Stoffen der ihr Bett einschließeuden Erdschichten genascht, oder diese sind ihr mit den Abwässern aus den in der Nähe liegenden Berg werken zugesührt worden. An solchen Sümpfen und Morästen müssen die Schladewiesen von Oppelsdorf bis Türchau in früljeren Zeiten sehr reich gewesen sein: denn schon die Wenden nannten das „versumpfte" Bächlein eben Schlade, was zu deutsch „schlammige Lache" heißen soll. In diesen fauligen, Menschenalter hindurch stehenden Wässern bildeten sich Gase, die sich in schwülen Sommer nächten von selbst an der Luft entzündeten, und so konnte man dort öfter nachts das muntere Spiel von Irrlichtern beobachten. Nach mündlichen Berichten von Augenzeugen aus Lichtenberg, Nieder-Reichenau, Türchau sind solche dort noch in den letzten achtziger Jahren des vorigen Jahr hunderts gesehen worden. Zu dieser Zeit wurden in Nieder- Reichenau im Schladegebiet die ersten Kohlenbergwerke an gelegt (1884/85 das Robert Scholz'sche). Sobald man dabei unter die Flußsohle kam, ergossen sich die Grundwässer in diese. Es mußten Entwässerungsschächte „getäuft" werden, wenn sie nicht „ersaufen" sollten. Durch diese jahrelange Entwässerung der Bergwerke, vielleicht auch durch Herstel lung von Entwässerungsanlagen auf einzelnen anliegenden Bauergütern wurde nach und nach das ganze Gebiet trocken gelegt, und der „nächtliche Spuk" hatte ein Ende. — Unsere Urahnen konnten sich in Anbetracht des damaligen Kulturzustandes das Wesen jener merkwürdigen Natur- erschetnung noch nicht erklären. Sie sahen in den hüpfenden, flackernden Flämmchen der Sumpflichter kleine Neckgeister, die allzu wißbegierige Menschenkinder irre- sührten und in die Sümpfe hinetnlockten. Kein Wunder, daß sich alle Welt mit Ausnahme von wenig Beherzten oder „Aufgeklärten" vor den Irrlichtern fürchtete. Erst kürzlich erzählte mir ein alter Türchauer, wie er als Schulkind abends beim Schlafengehen mit dem Kopf unter das Deck bett gekrochen sei, weil die Lichter bis unter die Fenster seines väterlichen Gutes gekommen seien. Dasselbe berichtete mir seinerzeit schon (in den sechziger Jahren) meine Groß mutter, die in Reichenau auf der „Niedern Wiese" wohnte. Eine andere Folgeerscheinung der obenerwähnten Geistes verfassung und Gemütsanlage unsrer Vorfahren war der Glaube an das „Wiederkommen" oder „Umgehen" der Geister Verstorbener, besonders solcher, die wegen gewisser Charaktereigenschaften schon bei Lebzeiten von hren lieben Mitmenschen gefürchtet, oder die keines natllrl chen Todes gestorben waren. Besonders reich an Begebenhe ten, die zur Bildung von Geister- und sonstigen Spukgeschichten geeignet sind, sind Kriegszeiten mit ihrem grausigen Morden und Plündern. Eine solche, und zwar eine aus dem siebenjähri gen Kriege scheint auch der Sage vom „Husaren" (Türchau, Lichtenberg, Reichenau) oder „Feuerhusaren" (Friedersdorf, Zittel, Gießmannsdorf) zugrunde zu liegen. Die wunder bare Schöpferkraft im Menschen, die Phantasie, die in unfern Urahnen bei ihrem unmittelbaren, durch keine Über kultur oder Zivilisation gehemmten und durch keine so genannte „Aufklärung" verdorbenen Umgang mit Mutter Natur lebhaft und stark arbeitete, wob aus beiden, aus dem grausigen, gcmüterschütternden geschichtlichen Ereignis und aus der wunderbaren, unverständlichen und unerklärlichen Naturerscheinung die Sage vom „Husaren". — Besonders interessant und reizvoll ist es nun, den Spuren dieser Sage, soweit sic sich heute noch unter den Mitleben den verfolgen lassen, nachzugehen. Nach Engelmann, Reiche, nau, soll der „Husar" einem Grabe auf dem Reichenaucr Friedhof entsteigen. Dem Schreiber dieses ist diese Leseart nicht bekannt, auch war ihm nicht möglich, von alten Rciche- nauern aus seinem Bekanntenkreise darüber Genaueres zu erfahren. Vielleicht ist diese Variation nur im Mitteldorfe und erst später entstanden. In Bezug auf die Sage vom „Feuerhusaren" von Friedersdorf—-Zittel—Gießmanns- dorf sei auf Studienrat Fr. Sieber, Löbau: „Nachlese Lau sitzer Sagen" — Oberlausitzer Heimat-Zeitung Nr. 21, Reichenau, 30. November 1924 — verwiesen, wonach im siebenjährigen Kriege ein Deserteur erschossen worden sein soll, der nachts aus dem „Husarenbüschcl" an der Gieß- mannsdorf—Reibersdorfer Straße herauskomme. — Vom „Husaren" von Türchau—Reichenau—Lichtenberg erzählen ältere Türchauer und Reichenauer etwa Folgendes: Im siebenjährigen Kriege sei einmal an der Zittau—Fried länder Straße bei der Wegkreuzung unweit der Husaren schenke eine Husarenpatrouille überfallen und dabei dem Führer derselben, einem Chargierten oder „Huhchen", der Kopf abgeschnitten worden. Im nahen „Brüchterch" (sump figes Gesträuch an der Schlade, südöstlich vom Hardtbusch) habe man ihn eingescharrt. Von dort komme er in manchen Nächten und verschwinde auch dort wieder. — „Gesehen" wurde der Husar noch in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, und zwar einmal in Türchau von einem Kutscher namens Heidrich, genannt Schimmelhederch, als er die Töchter seines Herrn nach Zittau fahren mußte. Als er mitternachts heimfuhr und in die Nähe des Hardtbusches kam, ritt der „Husar" ein Stück Wegs neben seinem Wagen her, ohne Kopf, das Pferd in Flammen gehüllt, so daß er es nicht sehen konnte. Bei den „Sträuchern" verschwand er.