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4. Die übrigen Zeichen lassen sich durch Vergleiche in aus wärtigen Bauhütten um 1500 feststellen. Ich habe hier die Zeichen nach der originalen Reihenfolge numeriert, in der Wiedergabe auf Tafel V aber durch numeriert und nach Grundformen geordnet, um Vergleiche leichter durchführen zu können: so auch bei den übrigen Lausitzer Zeichen. Ob man sie allgemein in den Bauhütten nach einem be stimmten Schlüssel bildete, läßt sich kaum Nachweisen. Es ist nicht einmal sicher, ob daran die Eigenart der Bauhütte zu erkennen mar. Doch haben in manchen Gegenden gewisse Zeichen lange Zeit vorgeherrscht, und ihre Eigenart gibt Aufschluß über das Woher und Wohin ganzer Steinmetz sippen. Bei Anordnung der Zeichen nach Grundform, Ge bäude und Bauort muß sich für die kunstgeschichtlichen Zu sammenhänge unsrer Heimatstädte untereinander und mit den Nachbargebieten manch wichtiger Fingerzeit gewinnen lassen. Die Bauhütte und der Hütten verband Bauhütten im Meißner Lande erhalten zum 1. Mal Privilegien unter dem kunstsinnigen Kaiser Karl IV. (RLiha S. 42), und es werden wohl die von Oybin, Zittau und Bautzen mit gleichen Vorteilen bedacht gewesen sein, da sie der Kaiser persönlich kannte. Obwohl jede Hütte selbständig war, mußte sie doch sorgsam auf die Überliefe rungen des Handwerks achten, die man von den großen Dombauhütten gelernt hatte. In einem losen Verbände werden bis ins 15. Jahrhundert die deutschen Bauhütten durch ungeschriebene Satzungen zusammengehalten. Erst 1518 treten zu Annaberg die Lausitzer im festen Verbände auf, als sie mit Sachsen und Schlesien gegen die alte Lehr zeitordnung der Straßburger aufbegehrten. Ein Blick in das Leben der Bauhütte läßt uns diese Entwickelung besser verstehen. Anfangs sind die Bauhütten von den Zünften durchaus getrennt: eine Bauhütte ist ursprünglich nur eine Werkstatt für Steinmetzen, die selten in Steinbrüchen (Prag, Penzig b. Görlitz), sondern meist nur auf Bauplätzen arbeiten. An der Spitze steht der Werkmeister, unter ihm der Parlierer --- Sprecher (Polierer), während Gesellen und Untermeister nur praktisch tätig sind. Ihr Bestand ist stets fließend — sind doch mindestens 3 Gesellenreisen Vorschrift —, daher das Bild der Hütte ständig wechselnd: nur Lehrlinge oder Diener müssen fünf Jahre beim Meister ausharren, falls er sie nicht wegen Arbeitsmangel entläßt. Unbeschäftigte Meister traten unbedenklich als einfache Hüttenmitglieder ein, in Böhmen wie in Deutschland (Neuwirth S. 325). Mit dem Ende des Baues löst sich die Hütte völlig auf. Höchstens reiche Städte mit großen Dombauten sicherten den Bestand ihrer Hütten auf lange Zeit. Durch sie flutete dann der Strom der Wandergesellen, und von den Merkmalen einer seßhaften Zunft ist bis spät ins 15. Jahrhundert nichts zu spüren, wohl aber dann, als auch die Steinmetzen seßhafter werden und die Städte in Anstellung tüchtiger Stadtbau- meister wetteifern. Bis dahin hatten sie weder Zunftlade noch Zunftsteuern u. a. Es ist verständlich, daß die großen Hütten bald die Füh rung übernahmen, über Ordnung und Geheimnissen des Handwerks wachten, Unwürdige und Unkundige fern zuhalten suchten. Der Meister galt in seiner Hütte als selb ständige Größe, er nahm nach Belieben Gesellen und Diener, er verlieh dos Steinmetzzeichen, er überlieferte die Kunst weiter, und zunächst trat chie Bauhütte nicht wie eine Zunft i auf. Darum genügte es, wenn ein ausgelernter „Diener" nach der Zeichenoerleihung 10 seiner Mitgesellen und einen Geistlichen zu einem Schmause einlud — das war seine Einführung. Jetzt erst erfährt er die Gesellengeheimnisse: Gruß und geheimen Handschlag, Schenk genannt. Kommt er nun in eine andere Bauhütte, so erkennt er den Meister an einem weißen Tuch, den Parlierer am Zollstab. Zu ihnen spricht er: „Gott grüße euch, Gott weyse euch, Gott lone euch, euch erber meister eroorderung, pallirer und euch hübschen geselen." Sie danken ihm, er beruft sich auf den vorher gehenden Meister mit einem Gruß, gibt den geheimen Hand schlag und verlangt eine Bank, einen Stein und Handwerks zeug: „Helffet mir auf!" Alle helfen ihm, er zieht den Hut und dankt: „Gott danke dem meister und pallirer und den erbarn gesellen." (Nach Pfau.) Diese und viele andre Formen und Bestimmungen bringt die Rochlitzer Steinmetzordnung Ende des 15. Jahrhunderts nichtalsetwasNeues, sondern als Feststellung alten Brauches. Rochlitz beeinflußte nur einen Teil Sachsens und stand unter der Magdeburger Hütte, ihr ebenbürtig war Würzburg und diesen voran ging Straßburg, das mit Köln, Wien und Zürich wetteiferte. Zur Vermeidung von Unordnung und Beschwerden wurde fester Zusammenschluß der Hütten und Einigung auf gewisse Sätze dringend nötig. Als 1. Hütten tag ist uns der zu Regensburg 1459 bekannt, dessen Ord nung als erster der Dombaumeister von Straßburg unter schrieb, als zweiter der Meister des Stephansdomes in Wien, der aus Dresden stammte. Zu diesen Satzungen nahmen die mitteldeutschen Meister unter Magdeburgs Führung 1462 zu Torgau Stellung in einer eigenen Ordnung. Auch Meißen war aus dem wichtigen Tage vertreten; sicher sind die Lausitzer und Schlesischen Bauhütten damals noch keine selbständigen Größen gewesen, denn sie fehlen. Der Husisen- krieg hatte hier ja die Bautätigkeit arg lahmgelegt. Durch den Torgauer Tag erwachte erst das Standesbewußtsein der sächsischen Steinmetzen. Dazu kam der ungeheure Auf schwung im Bauwesen seit 1470, als durch Silberfunde im Erzgebirge sich die Staatskassen füllten und der Wohlstand der Städte stieg. (Vgl.Gurlitt, Kunst und Künstler.) Treff lich behandelt H. Iecht in seiner Geschichte des ostdeutschen Waidhandels und des Tuchmachergewerbes die ersten An fänge des Frühkapitalismus. Fesselnd ist es zu lesen, wie in Görlitz zur Blütezeit des. Waidhandels 1441—1490 sich ein kaufmännisches Getriebe entfaltete, das damals seines gleichen suchte. Weil die Görlitzer die Wagen aus dem Osten nicht leer zurückkehren ließen, entstand ein weitverzweigtes System für Warenaustausch. Auch die Tuchmacher, und nicht zuletzt die Steinmetzen erfreuten sich der herrschenden Geldflüssigkeit. Hatte bisher dieses Handwerk darniedergelegen, so konnte es nun umso rascher aufblllhen. Für die Fülle der Auf gaben mußte ein starker künstlerischer Nachwuchs heran gebildet werden, und das geschah am besten durch Herab setzung der Lehrzeit von 5 auf 4 Jahre, wie man es schon seit Beginn des Aufschwungs gehalten hatte. So handelte es sich 1518 zu Annaberg um eine Existenzfrage der mittel deutschen Steinmetzen, für die bedeutende Meister kämpften. Auch in der Kunst erwacht reformatorischer Geist gegen die unzureichenden Überlieferungen des Mittelalters. Man er reichte auch, daß wieder viele Steinmetzen zu den sächsischen Bauhütten strömten. In erstaunlich kurzer Zeit erstehen aus den unzähligen Brandruinen der Husitenjahre neue und oft stark erweiterte Bauwerke. Große Aufgaben, wie