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Lausitzer gotische Baukunst und ihre Steinmetzzeichen Dr. Martin Jäkel, Dresden-A. 16 hochragende Dome und Kirchen goti- scher Kunst gelten als eine Ausprägung deutschen Geistes im Mittelalter, um die wir viel beneidet und bewundert werden. Der verächtliche Ausdruck des 18. Jahrhunderts „gotisch" (--- barbarisch) ist zum Ehrennamen geworden und hält die alten Zusammenhänge fest, die die Goten zwischen den romanischen Ländern und dem Orient herstellten, wo die Spitzbogenbauten in Armenien, Ägypten und Indien schon seit alten Zeiten heimisch waren. Erst auf dem Umwege über Rhein und Elbe erreicht die gotische Kunstwelle im 13. Jahrhundert unsere Oberlausitz, allmählich aus der romanischen Kunst herauswachsend, die hier über zwei Jahrhunderte die frühesten Kirchenbauten beherrscht hatte (vergl. Jäkel und Frenzel über Romanische Kunst OHZ. 1923, 16/18). Die neue Kunst fand Aufgaben in der Anlage der breiten Masse unsrer Kirchen zwischen 1250 und 1350, veränderte aber auch vorhandene romanische. An einigen zeigt sich der Wandel der Gotik bis ins 16. Jahr hundert, und grade die größten, Dom zu Bautzen und Peterskirche in Görlitz, erreichten ihren Glanz erst im letzten Stadium. Die großen Meister jener Zeit sind meist vergessen. Ihnen verdanken wir den romantischen Zauber unsrer schönsten Gotteshäuser und den Schmuck von Stadt, Dorf und Landschaftsbild. Nur Erwin von Steinbachs Name haftet am Straßburger Münster wie Gerhard von Riles am Kölner Dom, öder Arnolds von Westfalen an der Meißner Albrechtsburg. In Württemberg sind die Stein metzgeschlechter der Döblinger und Ensinger noch im Ge dächtnis, wie auch in Regensburg die Meister Roritzer, von denen einer im künstlerischen Freiheitsdrang den Aufruhr gegen den Rat leitete und enthauptet wurde. Wenn auch nur die wirklich genialen Meister hervorragender Bauwerke ein dauerndes Gedenken verdienen, so sind doch in der Lausitz noch nicht einmal die führenden Meister unserer Gotik im allgemeinen Bildungsschatze lebendig. Erst durch um fassende neuere Forschungen in den Archiven und an den Bauten treten ihre Namen wieder hervor. Sie selbst wollten bei der Nachwelt nicht vergessen sein. Ihr Stil ist ihre Handschrift, die sich fest in ihre Werke eingrub, und auf unzähligen Quadern schlug der Steinmetz sein Erkennungs zeichen ein, das nun mit Hilfe der Urkunden oft zur Fest stellung der leitenden Künstler führt. Wie schwierig diese Forschungen sind, ergibt schon ein Blick in Gurlitts „Be schreibende Darstellung der Bau- und Kunstdenkmäler". Wo die Urkunde Nachricht gibt, fehlen oft sichere Merkmale am Bau, wo Übereinstimmung von Formen einen einheit lichen Baustil erkennen lassen, fehlen wieder die Urkunden, und die zufällig erhaltenen Steinmetzzeichen bringen zwar häufig eine Lösung von Rätseln, können aber auch irreführen und verraten höchst selten in einer Beischrift Namen und Jahreszahl. Herkunft und Brauch der Steinmetzzeichen Vielfach kostet es ein eingehendes Studium, diese Zeichen überhaupt zu entdecken. Nur das bewaffnete Auge sieht sie in schwindelnder Höhe an den Schlußsteinen und Schnitt punkten der Gewölbe, an den Fensterrahmen oder Wänden der Kapellen und Sakristeien, an Türpfosten, Kanzeln, Taufsteinen und Sakramentshäuschen. Wie oft haben un verständige Übertünchungen die Zeichen verwischt, oder plastisch erhabene sind abgeschlagen, schadhafte Steine sind ausgewechselt, oder die Zeichen selbst verwittert! Ihr Studium wird noch erschwert, wenn der Steinmetz seine Marke so flüchtig aufgeschlagen hat, daß die Gleichheit ein und derselben Art nicht immer festzustellen ist. Da haben die Linien nicht stets dieselbe genaue Lage zu einander, und die Winkel sind um viele Grade verschieden. Selbst die Richtung des Zeichens erscheint am Bau meist anders, als sie der Steinmetz bei der Arbeit in der Hütte vor sich hatte. Wie sieht überhaupt ein Steinmetzzeichen aus? Wie kommt es zustande? Vergleicht man die Tafeln mit Zeichen aus dem 13 bis 16. Jahrhundert, so sieht man, daß zuerst einfache Grundformen häufig sind, die dann durch Zusammen setzungen und Verbindungen immer verwickelter werden. Alte Grundformen sind der Pfeil f, das Kreuz -f-, Andreas kreuz X, Dreieck Viereck Hf, rechter Winkel spitzer Winkel Deichsel V. Der Gebrauch dieser Zeichen ist über ganz Europa verbreitet und reicht in frühe Jahr hunderte zurück. An der Stadtmauer Noms findet sich häufig f, im Innern Pompejis /X und A in Perugia I X, und das Kreuz der Gralsritter AZ tragen Scherben von Ilion. (Nacher S. 151 f. hält sie nicht für Künstler-, sondern für Fabrikzeichen.) Ob wandernde Künstler im Mittelalter sie in die deutsche Kunst einführten, ob Zu sammenhänge mit den germanischen Runen bestehen, wird sich schwer beweisen lassen. Überraschend sind die Überein stimmungen, die Nacher Tafel II herausgreift: n, a, ^^8ol --8, I-un^r -- I, ^lucir m, Vr Germanisch - nordischer Brauch war es, daß der Dorfschulze die Häuser seiner Sied lung nicht durch Nummern, sondern Zeichen (Hausmarken) unterschied und darüber ein Verzeichnis führte (Knothe, Hausmarken), ebenso wie der Meister einer Hütte es mit seinen Gesellen hielt. Obwohl die Hausmarken, die auch bei uns noch erhalten sind, eine andere Bedeutung haben (sie entwickeln sich schließlich zur Firmenmarke des Kaufmanns), mögen doch ursprünglich Berührungen dagewesen . . sein. Besaß zum Beispiel ein Steinmetz ein Haus, so benützte er seine Meistermarke als Hausmarke, vergleiche später M. Czimmerman in Lückendorf. Maßgebend war jedenfalls für die Auswahl der Stein metzzeichen die Übereinstimmung irgendwelcher überlieferter Formen mit dem Handwerkszeug und den konstruktiven Grundbegriffen, die jeder Steinmetz brauchte: Kreis, Drei eck und Quadrat. RLiha, der mit einer Sammlung von 9000 Zeichen unter den Kennern obenan steht, behauptet, daß die Meister von Köln und Prag ihre Zeichen aus Triangulatur undDreipaß OD,Straßburg und Wien aus Quadrat und Bierpaß AD konstruierten. Wenn das Kreuz darin so oft als Grundform oder Beigabe erscheint, so ist das nicht nur in der Herkunft der Steinmetzen aus dem geistlichen Stande begründet, sondern vor allem in ihrer Gesinnung und Lebensaufgabe an kirchlichen Weihestätten. Kein Wunder, wenn sie in ihrer Genossenschaft nach hohen