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nach innen oben ein. Auf der rechten Schulter sitzt ihm ein raben ähnlicher Vogel. Die ganze Darstellung erinnert stark an die keltischen Abbildungen des Gottes Cerunios, der mit Hirsch geweihen abgebildet ist. Obwohl man mit einer Deutung als keltische Kulturstätte sehr vorsichtig sein muß, ist cs doch eigen artig, daß die Frauen der Umgegend zu gewissen Nächten in der Mitternachtsstunde den in der Nähe sprudelnden Quell auf zahlreich dahin führenden schmalen Pfaden besuchen und dort Wasser holen. Es scheint ein mit dem Fruchtbarkeitszauber zusammenhängender Volksglaube vorzuliegen, der bis in die Gegenwart reicht. Sodann sprach Prof. Feyerabcnd-Görlitz über seine Ausgrabungen in Ostro. Die Innenflächen des Walles betragen 6600 und 4500 Quadratmeter, der Wall selbst ist aus drei Schichten zusammengesetzt. Im untersten Wallkern wurde eine Packung von Balken gefunden, die kreuzweise ohne Verwen dung von senkrechten Pfosten erbaut war. Es scheint sich da um eine Pfostenmauer zu handeln, deren Zwischenräume durch Stein trümmer ausgestopft sind. Nach dem Wallinnern zu besteht der selbe aus den Resten von einzelnen zellenartigen Gebilden, die etwa 50:30:30 Zentimeter Inhalt haben. Sie sind ausgebaut durch verzinkte Kanthölzer, ihr Untergrund besteht aus einer Wechsellagerung von Lehm und Sand. Diese Zellen seien je mit einem Gefäß besetzt gewesen, in dem sich geröstetes Getreide befand. Grabungsergebnisse ergänzte er durch Vergleiche mit dem ähnlichen Vorkommen in Troja VI und Tiryns. Prof. Dr. Hubert Schmidt erwähnte dabei, als Mitarbeiter Schlie manns an den Ausgrabungen Trojas, daß es sich hier um große Getreidcmagazine handele, die zinnenartig abgeschlossen waren. Weiterhin ergänzte Prof. Dr. Götze-Bcrlin die Ausführungen durch den Hinweis, daß sich auf derartigen Pithoi (große Krüge) das Pentagramma gefunden habe, ein Abwehrmittel gegen Getreideschädlinge. Ähnliche kistenartige Innenwände des Burg walles seien ihm auch von dem Walle bei Lossow bekannt. Weiterhin sprach Herr Prof. Feyerabend über die neuen Paläolithfnnde in der Oberlausitz, welche er nach Hauser dem Micoquien zntcile. Diese Funde von Löbau und aus den umliegenden Ortschaften durch den Löbauer Herrn Bräuer seien tatsächliche und unwiderlegliche Artefakte des Micoque-Menschen. Dem entgegnete Dr. Frenzel-Bautzen, daß die hier vorkom menden Fundstücke durchaus in sekundärer Lagerung sich befänden, daß demnach durch die Schmelzwässer der Eiszeit diese Formen auch infolge des Zusammenstoßes der einzelnen Feuer- stcinknollen aneinander hcrvorgerufen sein könnten. Einzelne Stücke der viele Hunderte umfassenden Bräuerschen Sammlung zeigten zwar durchaus die Form von Artefakten, doch sei damit das menschliche Zutun noch nicht erwiesen. Die Funde müßten in der Lagerstätte durch Geologen genau beobachtet werden. Anscheinend handle es sich jedoch mindestens um einzelne Arte fakte, doch müsse erst der Fachgelehrte sein Urteil sprechen, ehe an eine Verwertung der Funde gegangen werden kann. Weiter hin gab er Zeichnungen von zwei seltenen Gefäßen aus der Ober lausitz zur Ansicht, deren eines doch schon Schriftzeichen enthält. Nach Schluß der Nachmittagsvorträge wurde die Samm lung der Bautzener Gesellschaft im Stadtmuseum einer ein gehenden Besichtigung unterzogen, aus welcher abermals neue Erkenntnisse über die Vorgeschichte der Oberlausitz hervorgingen. Dann aber dürfte die Bautzener Einwohnerschaft das Urteil der Herren über unser städtisches Museum interessieren: Die Stadt Bautzen mit ihren 40000 Einwohnern, die sich ein solch gut gebautes und wohleingerichtetes Kulturinstitut leistet, mögen sich die deutschen Großstädte zum Beispiel nehmen. Das Museum ist mustergültig. Solche und ähnliche Urteile wurden zu ver schiedenen Malen laut. Ganz besonders wurde die Reichhaltig keit und praktische Aufstellung der vorgeschichtlichen Sammlung gerühmt. Abends mußten noch dringende Fragen in einer zweiten Geschäftssitzung erledigt werden, sodaß sich der Beginn des Abendvortrages hinausschob. Herr Prof. Seger-Breslau sprach in seiner fesselnden Art über Völkerwanderungen im vorgeschicht lichen Ostdeutschland, Am Freitag morgen fanden die letzten Vorträge statt. Unter ihnen war besonders der Dr. Kunkels-Stettin von Bedeu tung, der Vorgeschichte und Schule behandelte. Seine Ausfüh rungen klangen leider noch recht pessimistisch, die Schule kläre noch viel zu wenig über die Bedeutung der Vorgeschichte auf. Dies liege in erster Linie an einer außerordentlich fühlbaren Lücke in der Ausbildung der Lehrerschaft. Diese bemühe sich zwar überall, wo sie für Vorgeschichte interessiert werde, deren Belangen Rechnung zu tragen, doch verbiete der Mangel an Hinweisen in den Lehr- und Stundenplänen ein tieferes Eingehen in die heimische Urgeschichte. Ganz besonders sei auf den höheren Schulen die Vorgeschichte vernachlässigt, auch dies liege an der mangelhaften Ausbildung der Studienräte in dieser Hinsicht. Die Berufsvereinigung möge Schritte tun, um bei den deutschen Universitäten auf die enorme Gegenwärtsbedeutung der Vor geschichte hinzuweisen. In gleichem Sinne sprachen sich Prof. Ehrlich-Elbing und Dir. Dr. Kieke dusch-Berlin aus. An der höheren Schule sei früher die Geschichte der Gegenwart ver nachlässigt worden, jetzt sei plötzlich das Gegenteil eingctreten. Der Nachwuchs der Vorgeschichtler müßte stark herangebildet werden. Dann sprach Dr. Frenzel-Bautzen über die Ober lausitzer Verhältnisse und betonte, daß hier das einmütige Vor wärtsstreben der Studienräte und Volksschullehrer die Bor geschichtsforschung begründet habe und heute noch erfolgreich durchführe. Er wies dabei besonders auf die neuen Lesebuch bestrebungen hin: Kleine, wohlfeile Hefte träten allmählich an die Stelle der teuren Lesebücher, in diesen werde die Vorgeschichte ganz besonders berücksichtigt und dringe so in die Schule und von da in die Elternhäuser ein. Diese „Lausitzer Erde" betitelte Heftreihe, welche in Bautzen erscheint, fand starken Anklang bei den Wissenschaftlern aus allen deutschen Gauen und wurde als mustergültig bezeichnet. Prof. Hubert Schmidt-Berlin ver langte, daß die Vorgeschichte an den Universitäten zum PrA fungsfach erhoben werde. Dr. Tode-Kiel und Dir. Dr. Iakob- Friesen-Hannover sprachen sich in ähnlichem Sinne aus. Bei den Lehrgängen für Vorgeschichte seien 90 Prozent der Betei ligten Bolksschullehrer. Die Aussprache klang in das stolze Wort aus: „Wenn ein Bolksschullehrer etwas nicht weiß, so sucht er es zu erlernen." Es wurde ein Ausschuß für Schul fragen gebildet, dem Kiekebusch, Ehrlich und Kunkel angehören, letzterer als Geschäftsführer, an den Unterlagen einzureichen sind. Die Borträge von Dir. Dr. Kiekebusch-Berlin über Wanderausstellungen und Prof. Dr. Hubert Schmidt-Berlin über Beiträge zur Chronologie der Stein- und Bronzezeit können hier nicht näher behandelt werden. — Sodann sprach Prof. Ehrlich - Elbing über schnurkeramische Siedlungen entlang der Küste Ostpreußens. Dieser Vortrag war insofern für Bautzen besonders fesselnd, als bisher in dem ganzen weiten mittel deutschen Siedlungsgebiet der Steinzeitleute zwischen Oder und Saale nur ein einziger Siedlungsplatz der Schnurkeramiker (2500—2000 v. Ehr.) von dem Bautzner Oberlehrer Frenzel in Doberschau bei Bautzen entdeckt werden konnte. Die Funde sind veröffentlicht im Elbinger Jahrbuch 1923. — Dir. Dr. Ja Kob-Friesen-Hannover sprach sodann über die sieben Steinhäuser bei Fallingbostel, sieben mächtige Hügelgräber, die er erforscht hat. Weiterhin hielt dann Dr. Jahn-Breslau einen wiederum die Oberlausitz besonders angehenden Vortrag über die ostgermanische Siedlung <n Ostdeutschland. Dabei berührte er besonders die Oberlausitzer Verhältnisse. Nach einem letzten Mahle in der gastlichen Societät fuhr die ganze Versammlung in Kraftwagen, die von verschiedenen Herren freundlichst zur Verfügung gestellt worden waren, nach Löbau, wo das Stadtmuseum besichtigt wurde. Die dortigen Altertümer sind ja leider noch in gänzlich unzulänglichen Räumen untergebracht, obwohl außerordentlich wertvolle Stücke vorhanden sind. Die Paläolithen aus der Löbauer Gegend, welche Herr Bräuer-Löbau gesammelt hat, stellte dieser nicht aus, sodaß sic von den deutschen Fachmännern nicht begutachtet werden konnten. Dieser Vorfall ist umso bedauerlicher, als die Stücke in ihrer Zeltstellung noch sehr umstritten sind. Die Fahrt nach Herrnhut