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Einen breiten Raum nimmt die Aufzählung von Personen ein, die sich um den Aufschwung des Ortes verdient gemacht haben. Dieser Teil hat jedoch nur örtliches Interesse. Auch von den kirchlichen Verhältnissen kann nur wenig be richtet werden. Mr erfahren nur, daß Niedereinsiedel bis zum Jahre 1539 nach Sebnitz eingepfarrt war. Nach der Reformation gehörte der Ort zum Lobendauer Pfarrbezirk. 1768 wurde eine Kapelle mitten im Orte errichtet. Das Türmchen samt Glocke, die beide für die Kapelle verwendet wurden, stammte von der alten Papiermühle, die als erstes Gebäude beim Überschreiten der Landesgrenze von Sachsen aus den Wanderer begrüßt (ab gebrannt 1906). 1855 wurde die heutige Kirche eingeweiht und die alte Kapelle abgetragen. Die Schule des Dorfes entstand 1760. Das alte Schulhaus steht noch heute. 1880 wurde der Grundstein zur Erbauung der jetzigen Schule gelegt, die mehrfach erweitert worden ist. Erwähnt sei noch, daß am 28. Oktober 1919 daselbst eine zweitklassige tschechische Schule eingerichtet wurde, die sich seit 1923 bereits zur Bürgerschule im eigenen Gebäude „aufentwickelt" hat. Das Kapitel „Entwicklung der Kunstblumenindustrie" gewährt uns einen allerdings etwas dürftigen Einblick in diesen Haupt- erwerbszweig der Stadt. Gern hätten wir zu seinen Gunsten auf die ausgedehnten Kapitel über das Verkehrswesen Nordböhmens, der Wasserleitung, der Kriegsereignisse usw. verzichtet. Inter essanter gestaltet sich der Bericht über die alte Papiermühle, auf die wir noch zurückzukommen gedenken. Die Ausführungen über die Salzstraße und den Taufstein bilden einen wertvollen Anhang. Leider erfahren wir garnichts als die Namen der Bewohner der angrenzenden Orte: Obereiusiedel, Margaretendorf, Karolinstal und Neudörfel. Im großen und ganzen: Herzigs „Aus alter und neuer Zeit" bildet eine willkommene Bereicherung der Heimatliteratur. *Fr. Rösler. Der Aberglaube in der Volksgesundheiis-Pflege Unter Berücksichtigung der noch heute im Ebersbach-Löbauer Bezirk vorkommeuden Bolksanschauungen Hans Müller-Beiersdorf (Schluß) VI. » nachstehenden Amuletten, bei denen elektrisch-mag netische Einflüsse im Spiele sein sollen, erkennt man auch noch den Einfluß der Schulmedizin. Das Amu lett wird als Träger magnetischen Fluidums gedacht und soll dadurch die Krankheiten heilen, die durch Störung des Elektrizitätsverhältnisses entstanden sind. Um sich vor Krämpfen zu schützen, hängt man eine Metallplatte von Gold, Silber, Kupfer oder magnetisiertem Eisen an einer seidenen Schnur in die Herzgrube oder auf den Rücken. Zur Verhütung von Blähungskolik trägt man einen kleinen hufeisenförmigen Magneten an derselben Stelle. Der Verwendung irgendwelcher Stoffe als Amulett ist überhaupt keine Grenze gezogen. Außer den erwähnten Stoffen werden noch Teile von Tieren, von Menschen (Leichen) und Dingen getragen, die eine besondere Wirkung haben sollen. Sargteile, Stücke von einer durch den Blitz gespaltenen Eiche und ähnliche Dinge werden da ver wendet. Durch den festen Glauben an die Wirkung, durch Verbannung der Furcht vor Ansteckung, können die Amulette wirken und so ihren Namen „Blitzableiter" rechtfertigen. Da bei werden schon „schöne" Dinge verwendet, es wird aber noch viel „schöner", wenn wir nähere Bekanntschaft mit der Paulliuischen Dreckapotheke machen. In diesem 1714 erschienenen Werk sind mit Fleiß allerlei sonderbare Heilmittel und Sympathiekuren gesammelt. Die Hauptrolle spielen aber darin menschliche und tierische Aus scheidungen, der „Dreck", kaum ein ekelerregendes Produkt fehlt. Diese Dinge haben sich im Aberglauben fest erhalten, die Dreckapotheke lebt weiter. So gilt Urin ziemlich allgemein als schmerzstillend bei Wunden, die Kutscher z. B. urinieren oft auf eine Wunde ihres Pferdes. Aber auch bei Menschen wird dieses Mittel häufig angewandt. Gegen Magenkrampf soll man früh mehrere Tage hintereinander verschwiegen vom eigenen Urin trinken. Schwindsucht wird geheilt, wenn der Kranke morgens ein in Urin gequirltes Ei trinkt. Vielleicht spielt bei diesen Mitteln die Selbstüberwindung und die psy chische Stärkung (Wittensstärkung) eine große Rolle. Nüchterner Speichel und Ohrenschmalz werden zur Heilung von Flechten, von Muttermälern, von Krebs und bösen Augen verwendet. Urin, äußerlich angewandt, wurde in Oppach zur Bekämp fung des Haarausfalls gebraucht. Auch menschlicher Kot soll Heilkraft besitzen. Der Wurm am Finger, ein Nagelgeschwür, soll durch Auflegen frischen Menschenkots oder von Regen würmern vertrieben werden. Gegen Wassersucht wandte in Georgswalde ein Mann folgendes Mittel an: Er pulveri sierte gefundenen Menschenkot mit etwas Erde und gab dies dem Kranken zu trinken. Bon der Heilkraft des Kuhkotes („Kuhplapperch") ist man auch noch fest überzeugt. Zn Soh- land an der Spree behandelte eine Frau ihren au Grippe erkrankten Mann auch mit Kuhplapperch. Sie wickelte den Kranken in die damit eingeschmierten Bettücher. Die Mühe war aber vergebens; denn der Mann starb trotzdem. Bei Scharlach legt man auch Kuhkot auf, ebenso bei Reißen. Ausgepreßter Saft von Pferdemist wird gegen Gelbsucht an gewandt, auch Kolik soll mit Hilfe von „Roßapfelextrakt" ge heilt werden. Als kräftiges Abführmittel empfiehlt man ge pulverten Sperlingskot, den man mit Zucker oder in irgend einem Getränke nehmen soll. Außer der großen Zahl von Ausscheidungsprodukten werden noch häufig Produkte vom getöteten Tier oder ganze Tiere verwendet. Schmalz ver schiedener Tiere wird bei geschwollenen Mandeln und chei Brüchen gebraucht. Das Gehirn eines Raben soll Frostbeulen heilen. Bei Fieber läßt man eine Butterschnitte mit Spinn weben essen, wobei der Kranke nichts von dem feinen Belag zu erfahren braucht. Schnecken werden auch recht häufig an gewandt. Sommersprossen reibt mau mit lebenden schwarzen Schnecken ab, auch Warzen vergehen dadurch. Der Kropf soll durch ein Pflaster von zerstoßenen Gartenschnecken zerteilt werden. Den Schleim der Schnecken verwendet man bei Keuchhusten. Froschlaich benutzt man auch zur Vertreibung von Sommersprossen. Das Bettnässen der Kinder kurierte man in Oppach damit, daß ganz junge, noch nackte Mäuse ge braten und gegessen wurden. Zwei kleine Steine ans dem Magen eines Hechtes, pulverisiert und getrunken, haben die selbe Wirkung. Bei diesen Mitteln ist der Aberglaube die Hauptsache, er dominiert. Bei den jetzt zur Behandlung kommenden ist er nebensächlich und kleidet nur ein Heilmittel ein. Auch im Aberglauben anderer Gebiete als der Gesundheits pflege finden wir die Erscheinung, daß ganz vernünftige Sachen in abergläubische Vorstellungen eingekleidet sind. Um Ab magerung zu heilen, soll man bei zunehmendem Monde mehrere Monate lang Eselsmilch oder Ziegenmilch trinken. Der magische Einfluß des Mondes ist scheinbar unentbehrlich. Auch die Anwendung von Baumöl als Wurmmittel muß bei abnehmendem Monde geschehen, da sonst nicht der ganze Würmerstock fortgeht. Die Abführmittel sind meistens mit Aberglauben verbunden, was bei der Wichtigkeit, die man im Volke dem „Darmfegen" als Schutzmittel vor Krankheiten beimißt, kein Wunder ist. Die Krankheiten selbst sollen ja sogar durch „Öffnung des Leibes" hinausgesllhrt werden. Diese Anschauung ist gar nicht so schlecht; denn die Darm gifte können den Körper, besonders das Blut, verseuchen und dadurch unfähiger zum Lebenskampf machen. Wie man sicher unbewußt einen wirksamen chemischen Stoff zur Heilung anwandte, zeigt folgendes Rezept: Um Zahn weh zu vertreiben, zünde man eine Papiertüte oben an und