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154 Oberlausitzer Hejmatzeiiung Ar. l l anderes Pflänzchen, das wunderwirkende Kraft in sich bergen soll, wenn es am Himmelfahrtstage gesucht wird. Es ist allgemein bekannt unter demNamen„Himmelfahrts- blümchen". Jeder Schwabe kennt es. Während in Hessen beim Pflücken das größte Stillesein Bedingung ist, wird im Württembergischen das Schweigeverbot aufgehoben. In der Nacht vom Mittwoch zum Donnerstag, oft schon vor 2 Uhr, ziehen die Mädchen, meist in stärkeren Trupps, auf die Wiesen. Beim düsteren Morgengrauen, da wollen die Blümchen gebrochen sein. An Ort und Stelle windet man Kränze und rückt noch vor dem Morgengeläut daheim ein. Während des Frühgottesdienstes werden über dem Familientisch und im Stalle über dem Vieh die Kränze auf gehangen. Man will glauben, daß jeder „Himmelsahrts- blümchen-Kranz" einen Schutz vor dem Blitz bedeutet. Alle diese Gebräuche reichen in ihrer Geschichte weit zurück. Und das eine muß festgestellt werden, sie setzen den Himmel fahrtstag als einen geweihten Donnerstag in Beziehung zu dem deutschen Gott Donar, dem Allgewaltigen von Blitz und Donner. Nun seien noch die charakteristischen Flurumzüge am Himmelsahrtsfeste erwähnt. Sie gleichen dem Osterreiten bei Marienstern, das jedem Lausitzer wohlbekannt sein dürfte. In Württemberg findet hier und da der Flurgang oder der Eschgang, auch Eschprozesston genannt, zur Segnung der grünenden Saaten statt. Man umreitet zuerst die Felder und schlägt dann einen Mittelweg ein, von dem man alle Grenzen übersehen kann. Das Kruzifix wird vorangetragen, an vier Stellen Halt gemacht, ein Stück aus dem Evan gelium gelesen und der Wettersegengesprochen. Daheim an gekommen, werden Haus, Menschen und Tiere geweiht. Im Schlesien der Tschechoslowakei reiten der Vorsteher der Gemeinde und auch andere aus dem Dorfe auf geputzten Pferden hinaus auf die Fluren. Sie umreiten langsam und mit frommem Singen ihre prangenden Gefilde. Mit Sang und Gebet wollen jene Männer Gottes Segen für ihre jungen, taufrischen Saaten erflehen und herben Wetter schaden abhalten. Ein Festausschuß, der eigens für die Himmelfahrtsfeierlichkeit gewählt ist, entscheidet darüber, wessen Pferd am schmuckesten einherschritt. Der Reiter wird als König für diesen Tag in seinem Orte anerkannt. Am Nachmittag läßt der König ein schwarzes Schaf braten. Jeder Feldbesitzer erhält einen Knochen, den er in seine Saaten steckt, allerdings noch ehe die Sonne der Erde ihren letzten Gruß entbietet. Bon der ehemaligen Benediktinerabtei Weingarten im Ravensburger Kreise wird am Himmelfahrtslage der be rühmte Blutritt gehalten. Man erzählt, daß in feierlicher Prozession der eingefaßte Tropfen vom heiligen Blut Christi von einem weißgekleideten und auf einem Schimmel reiten den Custos durch die Felder getragen und das Korn gesegnet wird, damit kein Wetter ihm schade. In rein evangelischen Gegenden sind die Flurumzüge, soweit sie überhaupt noch stattfinden, nur Volksfeste. Unter besonderen Zeremonien sollen die Ortsgrenzen festgestellt werden. Zn England ist es heute noch üblich, an einem der 3 Tage vor Himmelfahrt die Grenzen der Kirchgemeinde zu umschreiten. Der Seelsorger, begleitet von den Kirchen vorständen, bittet Gott um Gnade und Segen für Feld und Frucht. Glaube, Aberglaube und Bolksmythus, wie dicht bei einander! Sie sind stete, treue Begleiter von unsres Volkes Sitte und Brauch. Krankhafte Ausläufer des Aberglaubens gilt es zu unterbinden und zu bekämpfen, die schlichte Poesie der Volksseele aber zu erfrischen, damit sie keime, sprosse und wachse. Lausitzer gotische Baukunst und ihre Steinmetzzeichen Dr. Martin Jäkel, Dresdcn-A. 16 Fortsetzung Börers Nachfolger Albrecht Stieglitz er ist der Bau meister der ehemaligen Annenkapelle (jetzt unten Turn halle, oben Aula), dessen Zeichen und Buchstaben (Nr. 158) auf dem westlichen Gewölbeschlußstein angebracht sind. Er ist der erste Steinmetz der Lausitz, den wir in eigner Gestalt an der Kapelle betrachten können, als Baumeister mit dem Zirkel (oergl. Bild im N. Laus. Mag. 1824). Lutsch hat außerdem 27 Zeichen von 16 Steinmetzen gezählt. Das Gewölbe ist reich gegliedert. Ohne Kragstein wachsen die Rippen aus den Pfeilern, überschneiden die Kreuzungsstellen ebenso wie die Stabglieder des Portales und die Kreis bogen des Maßwerks ihre Knotenpunkte. Ein durchbroche nes Brüstungsgitter, am Portal Säulchen mit Eselsrücken- archivolte und plastischer Schmuck beweisen den Sinn des Meisters für dekorative Wirkung. Er schreitet mit der Spät gotik fort, ohne über sie hinauszuführen. Unter Stieglitzer wurde 1509 das Dach der Peterskirche mit Kupfer gedeckt, wozu Tetzel durch seinen Ablaß in drei Wochen 45000 Taler sammelte (Lutsch Berz. III. 641). 1508 wird Stieglitzer Bürger von Görlitz, und bald ist ein Auftrag des Rates an ihn nachweisbar: er hat 1510 den Bau des Ratsturmes weiterzuführen. Die Vollendung der Annenkapelle 1512 hat er noch erlebt; 1514 ist er gestorben, und seine Witwe hat das Geschäft zunächst weitergeführt. Sie heiratet schließlich 1519 den berühmten Wendel Ros kopf, der Stieglitzers Nachfolger wurde (vergl. Wende in Schlesiens Vorzeit V. 77). Roskopfs erste Aufgabe war der Neubau des Chores der Nikolatkirche, einer städtischen Begräbniskirche. Es ist eine dreischjffige Halle von sechs Jochen, nach Art der Erzgebirgskirchen, auf die besonders die Bildung des Chores hinweist (Wende S. 84). Alle drei Schiffe haben einen gemeinsamen Chor in fünf Seiten des Zwölf- oder Zehnecks, wie in Guhrau, Friedeberg a. Qu. und Hoyers werda. Eine Wölbung mit spätgotischen Birnrippen hat jetzt nur die Sakristei. Den achteckigen Arkadenpfeilern ent sprechen eigenartigerweise an den Wänden halbzylindrische Pfeiler. Nachweisbar ist in einem Bericht von 1519 (Be ginn des Baues 1515), daß Meister Wendel, Schüler des Meisters Benedix, obersten Werkmeisters am Prager Schlosse, den Bau nach Angabe seines Lehrmeisters ausführen sollte, insbesondere wegen des Türmleins zu den Glocken, dessen Grundlegung besonders tief gegangen sei (Lutsch, Berz. III. 672). Benedikts Formen vermutet Wende auch am Portal; das im Westen vermittelt den Übergang zur Renaissance, das im Süden bildet den einzigen Schmuck des sonst nüch ternen Gebäudes. Seine naturalistische Art erinnert Lutsch an die Marienkirche in Zwickau. Die Schmuckformen ver nachlässigt die Spätgotik zuletzt völlig. Die Nikolaikirche blieb Roskopfs einziger Kirchenbau; schon hier merkt man seine Neigung zur neuen Kunst, die sich nur für Prunk bauten, wie Schlösser, Rathäuser und Patrizierhäuser eignete. Die Verwandtschaft dieser Kirche mit denen des Erzgebirges