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Flach gewölbte Schilde (Ionsberg, Buchberg, Hochwald) oder steilere Kuppen (Lausche) sind dem Sandstein hier und da auf gesetzt — heute ein beruhigendes Element in der Landschaft — und doch Zeugen der einstigen vulkanischen Tätigkeit vieler unserer Heimatberge zur Tertiärzeit. Die böhmischen Kegelberge, die breitrückige Ländeskrone und der doppelgipfelige Löbauer Berg, sie alle reden von den unheimlichen Gewalten, die in der Tiefe schlummern. Während also im Süden Sandstein und vulkanische Ablage rungen (Basalt, Phonolith) sich auf dem Granitgrund aufbauen, der in der mittleren Lausitz nackt zutage tritt, ist er im Norden von mächtigen Schottern und Sanden der Eiszeit verhüllt. Die Bodenverhältnisse bestimmen die Ausdehnung des Waldes. 3m sandigen Norden unserer Heimat bedecken Kieferwaldungen '/- des Bodens, und ebenso herrscht in dem zu Sand zerfallenen Sandstein des Zittauer Gebirges die Kiefer vor, während frucht barer Berwitterungsboden von Basalt und Phonolith auch Laub bäumen das Fortkommen gestattet. Armer — nurdes Landes — ist der Waldbcstand der mittleren Lausitz. Hier bekleidet die Fichte vorzugsweise die Höhen, während im Hügel- und Borland — soweit es von diluvialem Lehm und verwittertem Granit über krustet wird — die Felder fast allen Raum für sich beanspruchen. In den Niederungen begleiten Auwälder von Eiche, Erle, Esche und Weide den Lauf der dahinschleichenden Flüsse, die ihren Weg durch saststrotzendes Wiesengelände ziehen. Aber wie der Mensch im Norden den Wald gelichtet hat zur Ausbeutung von Braun kohlenschätzen und Tonlagern, so hat ihm im Süden die wieder holt auftretende Nonnenplage arg zugesetzt. 3m allgemeinen steigert sich die Fruchtbarkeit des Landes von Nordwest nach Südost, wo nahezu des Bodens von der Land wirtschaft beansprucht wird. Und dennoch sorgt hier nurder Bevölkerung für die Ernährung der Menschen, während der An teil im Bautzner und Kamenzer Bezirk doppelt so groß ist. Von Marienstern über Löbau—Weißenberg, den Eigensten Kreis bis Marienthal verraten Gebiete höchster Fruchtbarkeit eiszeitliche Lößdecken und zugleich den Besitz der beiden Lausitzer Klöster. Unter den Getreidearten steht der Roggen allen andern voran; in den mittleren Strichen unserer Heimat wird wesentlich die Kartoffel und Zuckerrübe gebaut, ein Zeichen, daß hier dem Groß grundbesitz ein bedeutender Anteil des Landes gehört. Brenne reien und eine Zuckerfabrik sorgen z. T. für deren Verarbeitung. Wie überall ist auch bei uns die Viehzucht im Zunehmen, die im Nordwesten das Schwein, in den breiten Tälern der Czorneboh- und Bilebohkette die Ziege und im Südosten das Rind bevorzugt. Gartenbau blüht im Zittauer Lande, wo er 20 ma! so stark hervortritt als um Kamenz, und was Blumenzucht und Gemüse pflanzungen anlangt, mit an erster Stelle im Deutschen Reiche steht. Teichwirtschaft hingegen ist kennzeichnend für dienördlicheHeimat. Gegenüber den Bodenverhältnissen will es wenig besagen, wenn das Klima von Nordwest nach Südost um ein Geringes kontinentaler wird und ebenso die Niederschläge um '/- zunehmen. Daß diese in den Zittauer Bergen besonders reich sind (bis lOOcin) und auch die Schneedecke hier doppelt so lange aushält als in der nördlichen Niederung, ist selbstverständlich. Nicht Edelsteine birgt der Boden, und blinkendes Erz war auch früher nur spärlich zu finden; aber dasür erklingt in Hun- derten von Brüchen der Hammerschlag des Steinbrechers und Steinmetzen. In mächtigen Schlünden holen sie wetterfestes Ge stein heraus: allem voran den Granit, der zwischen Bischofswerda und Görlitz am meisten gebrochen wird in ganz Deutschland; um Bautzen, Löbau und Neusalza den Diabas; im Süden aber Basalt und Phonolith. Kiese und Sande der Eiszeit fördert man in allen Teilen der Lausitz; Lehm und Ton brennt man besonders im mittleren und nordwestlichen Teile unserer Heimat. Wo einst im Norden der Heidebauer seinen Grütze anpflanzte auf fast unberührtem Boden, da ertönt jetzt der schrille Pfiff von Lokomotiven, und Bagger schürfen Braunkohle und Ton; und immer enger wird der Ring von rauchende.» Schloten, welcher sich — bedingt durch die Kohle des Zittauer Beckens — bedrohlich um die blühende Stadt legt. So entwickelt sich durch die Gewinnung von mineralischen Schätzen, von Holz und den Erzeugnissen des Feldes eine boden ständige Industrie. Zu ihr kommt hinzu die schon längst ein gebürgerte, die die Verarbeitung erst von tierischer Wolle — jetzt meist von Baumwolle — zum Gegenstände hat. In der Erzeugung von Tuchen, Leinwand und Damast nimmt unsere Lausitz eine geachtete Stellung im deutschen Vaterlande ein; aber auch Maschinen aller Art werden erzeugt, besonders in den größeren Städten und den stadtähnlichen Dörfern längs der böhmischen Grenze. Heimindustrie wird mehr und mehr ab gelöst durch Großbetriebe. Die Lausitz ist ein Durchgangsland. Hier zog die Salzstraße mit ihren in Tagesreisen errichteten Städten: Königsbrück, Kamenz, Bautzen, Löbau, Görlitz, Lauban, die zugleich wichtige Brückenplätze und Handelsniärkte waren. Wege aus dem Böhmerland führten über Zittau nach Schlesien, über Bautzen nach Brandenburg. Heute noch zeugen Reste von mittelalterlichen Mauern von der Wehrhaftigkeit jener Orte, die sich zum Sechsstädtebund zusammenschlossen, um das überhandnehmende Raubritterwesen zu brechen; Dome, Rathäuser und Patrizierhäuser reden von Reichtum, Gemeinsinn und Geschmack vergangener Geschlechter. Keine hat sich die Wahrzeichen früherer Jahrhunderte schöner zu erhalten und der Neuzeit anzugliedern verstanden als das turmreiche Bautzen, der Mittelpunkt vieler heißer Kämpfe. Aus der Natur herausgewachsen sind im flachen Nordteil die mehr als 100 kleinen und kleinsten meist von Wenden be wohnten Dörfer von rundlichem Grundriß. Sie liegen inmitten ihrer Ackerflur und zeigen noch vielfach slavische Rundlings form mit Teich und Anger. Grundverschieden sind davon die von Deutschen gegründeten Waldhufendörfer, die sich in den Tälern der südlichen Lausitz oft kilometerweit hinziehen und in kaum abreißender Kette sich aneinanderreihen. Landwirtschaft und Industrie mögen hier etwa gleichwertig vertreten sein. Spinnen und Weben, Bleichen und Appretur sind die Haupt zweige der Beschäftigung. So naturgebunden auch heute noch Waldbestand, Landwirt schaft und ein Teil der Industrie sind, so sehr sich Dörfer und Städte der Natur einpassen, so urwüchsig war hier einst auch der Mensch. Waldfreie, lößbedeckte Stellen waren schon zur jüngeren Stein- und Bronzezeit besiedelt — wie die zahlreichen Bodenfunde beweisen. Seit über einem Jahrtausend beherrschen den sumpfigen, wasserreichen Norden die Wenden, freilich von Osten und Westen in ihrem Wohngebiet mehr und mehr eingeengt. Die Deutschen hingegen rodeten vom 13. Jahrhundert an die weiten Wald gebiete des Südens und wurden von den festen Plätzen aus führend im platten Lande. Schwer war die Arbeit beider Stämme, der nordischen Wenden auf ihren sandigen oder von Überschwemmungen bedrohten Niederungen sowohl wie der Deutschen, die in mühseligem Ringen Stück für Stück urbar machen mußten. Harte Arbeit — in unzähligen Kriegen oft vernichtet — formte einen schwerfälligen ernsten Menschen, aber auch einen derben festen Charakter, der sich erst bei län gerem Vertrautscin erschließt. In Sitten und Bräuchen und in seiner Mundart kommt dies auch heute noch zum Ausdruck, wenn auch hier die moderne Zeit viel Wandel geschaffen hat. Das entwickelte Straßennetz und die Verkehrsmittel haben den Lausitzer in die Großstadt geführt, und dafür von Osten her Tausende Schlesier, von Süden ebensoviel stammverwandte Brüder aus Böhmen ins Land gebracht. Aber eins ist dem Lausitzer geblieben: die Liebe zu seiner Heimat, einer Heimat, die zwar in keiner Weise ein wohl umgrenztes eigenartiges Land ist, sondern ein Gebiet des Überganges nach Natur der Berge und Felsen, des Pflanzen kleides, der menschlichen Erwerbszweige, der Siedlungen; ein Gebiet, das in der Geschichte genug mal Vorteile und Nach teile eines Durchgangslandes gekostet hat und dessen Eigenart nur in der Vielgestaltigkeit auf engem Raume liegt, aber den noch die Bewohner zu einer Einheit zusammengeschweißt hat