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Das Bedürfnis, sich das Wie und Warum der Erscheinungen zu erklären, ist die Triebfeder zu tieferem Eindringen. Aber man soll Himmelskunde ja nicht nur zur bloßen Belehrung treiben. Von der Astronomie darf nicht nur Wissen ausgehen; in viel größerem Maße muffen sittliche Werte durch sie vermittelt und religiöse Erlebnisse von ihr befruchtet werden. Die Besinnung auf Erscheinungen, Maßstäbe und Gesetze des sichtbaren Weltalls eignen sich ja auch im höchsten Maße dazu, eine geistig, sittlich und religiös tief erschütterte Zeit an Quellen der Gesundung zu führen. In solchem Sinne kann man sagen: Himmelskunde muß Gemeingut des Volkes werden. Ganz gewiß umfaßt die astronomische Erfahrungswelt nicht die Gesamtheit der Lebenswerte, sie ist nicht allein der Tröger der Menschheitsentwicklung. Aber ebensowenig kann man be streiten, daß die tzimmelskunde zum Ausstieg des Menschen geschlechts in sehr hohem Maße beigetragen hat und zur weiteren geistigen Gesamtentwicklung nötig ist. Die stetige Weitung und Klärung des räumlich-zeitlichen Horizontes der Menschheit findet ja auch in der Entwicklung der Himmelskunde ihren deutlichsten Ausdruck. Und diese Horizontweitung ist eine der stärksten Kräfte für die langsame Gewinnung edlerer Lebensformen. Ohne daß der Mensch sich ein deutliches Bild des erfaßbaren Weltalls verschafft hat, wie es seiner Zeit entsprechend und eigentümlich ist, kann er nicht zur wahrhaften Klärung der Verhältnisse zwischen seiner eigenen Innenwelt und der ihn umgebenden Außenwelt Vordringen. Von dem Stande dieser Erkenntnis, von der Art jenes Verhältnisses aber hängt zum allergrößten Teil die Gestal tung ab. die der Mensch seinem Leben gibt. Das astronomische Weltbild einer Zeit liefert nicht nur den Rahmen, die Größen maße des Gesamtweltbildes, sondern es bestimmt auch lies ein schneidend dessen innerstes Wesen. Das zeigt sich deutlich an der gleichlaufenden Entwicklung von Sternkunde und Weltanschau ung. Weil neue, etwa gar grundstürzende Erkenntnisse der Astro nomie auch das Verhältnis von Mensch und Welt tiefgreifend beeinflussen und die bisher gellenden Anschauungen erschüttern müssen, wurde z. B. das Kopernikanische System so erbittert be kämpft. Denn die Auseinandersetzung zwischen diesem neuen und dem alten Ptolemäischen Lehrgebäude betras nicht etwa bloß die Fachfrage für die berufsmäßigen Himmelskundigen, ob alle Bewegungen am Himmelsgewölbe auf die Erde oder auf die Sonne bezogen werden müßten. Die Bewegungsdarstellungen können nämlich mit beiden Systemen gelöst werden, im alten allerdings mit so unwahrscheinlich verwickelten und verworrenen Mitteln, daß man sich allein aus Zweckmäßigkeitsgründen für das neue hätte entscheiden müssen. Warum aber erregten die neuen Lehrsätze, die Sonne — nicht die Erde — sei Mittelpunkt dieser Welt, die Gemüter eines ganzen Jahrhunderts und brachten erstarrt Geglaubtes wieder in Fluß? Warum waren die Zeit genossen und nächsten Geschlechter wie betäubt von der neuen Wahrheit? Weil hinter dem astronomischen Problem etwas weit Wichtigeres stand: Die Stellung des Menschen im Weltall. Der Mensch strebt aber nach Übereinstimmung und Gleichklang. Da rum sind stets unruhige Zeilen, ehe die richtige Einstellung gegen über dem Neuen gefunden wird. Dem zögernden Schritt des Kopernikus folgte zunächst ein langsames aber entschiedenes Borwärtsschreiten. Der Domini kanermönch Giordano Bruno eilte seiner Zeit weit voraus, als er erklärte, die Sonne erleuchte nur die Planeten, sie selbst wäre bloß ein Stern unter Sternen, die Fixsterne aber seien Mittel punkte unzähliger Planetensysteme, dem unfern ähnlich Das von ihm in Raum und Zeit unendlich geweitete Universum konnte nicht mehr in die alte Enge zurückgepreßt werden. Aber noch vergingen über 200 Jahre, ehe der Forschergeist endgültig über unsere engere Weltheimat, den Bezirk unsrer Sonne, hinaus drang. Im >8. Jahrhundert gelang es, die Erde zu wägen und den Sonnenabstand zu messen. Verschiedene klassische Dichtungen spiegeln den Stand der damaligen Welterkenntnis wieder. Seit dem schreitet die Astronomie mit geradezu stürmischer Beschleu nigung weiter. Die Feinleilung an den Fernrohren gestattete, Entfernungen und Bewegungen der Fixsterne zu messen und er brachte den streng wissenschaftlichen Beweis für die Richtigkeit der Lehren des Kopernikus und Giordano Bruno. Heute liegen vertrauenswürdige, mittelbare Entfernungsbestimmungen im Be reiche unseres Fixsternsystems vor, die Abstände von Hundert tausenden von Lichtjahren ergeben. Die Lichtzerlegung brachte Einblicke in die stoffliche Natur der leuchtenden Himmelskörper und lehrte den milliardenjähriqen Lebenslauf verstehen, den die Hunderte von Millionen Sonnen in unserem Sternsystem durch machen. Die höchste Erk-nntnis aber bahnt sich erst an, die Er kenntnis, daß das Weltganze einen einheitlichen Entwicklungs gang durchläust. Die tiefe Wirkung dieser Einsicht auf Geist und Leben des Menschen deutet sich erst an. Sind unserem Erkennen aber nicht nach allen Richtungen Grenzen gezogen? Müssen wir uns nicht umsomehr selbst ver lieren, je tiefer wir in den Kosmos eindrinqen? Nein, in der Tiefe fließt die ungetrübte Quelle. Sie lohnt menschliches Ringen mit der beglückenden Gewißheit, daß wir als Teile des einheit lichen Ganzen nicht vergänglich sind. Dieses Wissen söhnt mit der Weltordnung aus und läßt uns nicht verzweifeln. Wir brauchen nicht selbst den mühevollen Weg des Forschers zu gehen, aber jeder von uns sollte mit der Natur und mit der Wissenschaft von der Natur Fühlung zu behalten suchen. Wie sich der Himmel leicht und hoch über alle Eidenschwere wölbt, so thront die Himmelsknnde seit Anbeginn über allen Wissens zweigen. Darum sollte jeder, mag die Betätigung seines Lebens auf ganz anderen Gebieten liegen, nicht ganz auf Himmels kenntnis verzichten. Was ihm bei richtiger Führung und eigenem Suchen daraus erwächst, ist mehr als totes Wissen. Es handelt sich hier um Persönlichkeitswerte, d. h. um Schätze, die unser Leben mit vollgültigem Inhalt erfüllen. Lesefrüchte und Bausteine — Ostersitten der Heimat sind weit über die Grenzen der Oberlausitz hinaus bekannt. Das Bautzner Eierschieben, das Osterreiten in Wittichenau, Radibor und St. Marienstern, das Saatreiten in Ostritz sind alles Veranstaltungen, die auch in unserem Leserkreise genügend bekannt sind. Wie sich aber sonst in den verschiedenen Teilen der Oberlausitz, in Dorf und Kleinstadt das Osterfest im Volkstümliche widerspiegelt, das sei nach den Zeitungsmeldungen hierunter dargestellt. Zu be merken ist, daß das Ostersingen in vielen Orten von Gesang vereinen und Kirchenchören übernommen worden ist und dabei das Kunst- und geistliche Lied gepflegt wird. Die volkstüm lichen Ostergesänge, die Burschen und Mädchen in früheren Jahren anstimmten, gehen dadurch verloren. Hier möchte eine Sammlung der alten Lieder einsetzen. Zibelle (Kreis Rothenburg), 14. April. Liebliche alte Oster- bräuche werden hier immer noch fleißig geübt. In der Oster nacht von 12 Uhr an gehen die jungen Burschen der hiesigen Dörfer „Ostersingen". Geräuschlos versammeln sie sich unter den Fenstern der Gehöfte und stimmen einen Ostergesang an, meist „Auferstanden ist der Herr" oder „Jesus meine Zuversicht". Leise öffnet sich nach beendetem Gesänge das Fenster und eine Hand reicht eine Belohnung heraus. Wird nichts gespendet, so geht der Trupp trotz dessen ruhig und still zum nächsten Hause, und so fort bis zu den Morgenstunden durchs ganze Dorf. In der Stille der Osternacht wirkt dieser Gesang außer ordentlich feierlich. In Zibelle selbst wird die Sitte noch da durch veredelt, daß mehrstimmig gesungen wird. Die Sitte des Ostersingens stammt anscheinend von dem sangesfreudigen Wendentume her. In Nochten hat sie sich bis 1902 erhalten, anderswo ist sie noch früher ausgestorben. — Früh drei Uhr erklingt in der Osternacht hell und freudig das Geläut der Glocken und läutet den Ostertag ein. Vor aufgehender Sonne gehen auch noch häufig die jungen Mädchen schweigend nach „Osterwasser", da das Waschen mit diesem heilkräftig sein soll. Junge Burschen necken sie dann gern, damit aus dem Osterwasser „Plapperwasser" werden soll. — Eine ganz be sondere Rolle spielt in unserer Gegend die „Osterkicke".