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Unterseite des Baldachins vom Weihwasserbecken sogar ein reizendes Zell-Sterngewölbe. An beiden Werken verkündet sein Steinmetzzeichen auffällig, daß der Baumeister noch selbst gern zum Meißel greift und zierlichen plastischen Schmuck zu gestalten versteht, in unverkennbarem Streben nach neuen Formen (vergl. Abbildungen bei Gurlitt). Ge rade das Jahr 1517 trägt die Sonnenuhr in Göda. Meister Wolfs Arbeit an der Kirche zu Obergersdorf bei Kamenz bezeugt nur ein Spitzbogentor mit Berstäbung und doppelt gekehltem Profil, darüber 1516. k. und sein Zeichen, 12 cm hoch! (Gurlitt, Kamenz Land, S. 234.) Sicher hat er es selbst gearbeitet. Noch immer war die Bautätigkeit rege, und die Stein metzen halten die Lehrzeit von fünf auf vier Jahre herab setzen müssen, um der stürmischen Entwickelung gegen Ende des 15. Jahrhunderts folgen zu können. Die Haupthütten zu Straßburg und Magdeburg waren empört über diese Neuerung der Meißner Hütte. Infolge des Baues der großen Ännaberger Kirche unter Hellwig von Schweinfurt hatten die Meißner damals ihren geistigen Mittelpunkt in Annaberg. Wollten sie ihre Forderung gegen die Haupt hütten durchsetzen, so mußten sie erst mit Gleichgesinnten Fühlung nehmen und ihre Organisation festigen. Dem Rufe Jakobs von Schweinfurt folgten 14 Meister, 3 Parlierer und 22 Gesellen zu einem Steinmetzenlage in Annaberg 1518, am hl. Annentage, dem 26. Juli. Wie heftig vorher schon der Kampf mit Magdeburg und Straßburg geführt wurde, weist Gurlitt (Archiv f. sächs. Gesch. Neue Folge V 262 f.) aus den Urkunden nach. Die Meißner Steinmetzen sollten in den Haupthütten nur gegen Strafgeld arbeiten können, ja der renitente Führer Jakob Hellwig sollte bestraft werden! Ferner erklärte der Hüttenmeister von Magdeburg den Anna- berger Tag für null und nichtig, sowie auch die dort geplante Neugründung einer großen sächsischen Hütte unter Dresdens Führung mit dem Anschluß der Lausitzen, Schlesiens und Böhmens. Nur dem Schutze des Herzogs Georg verdankten die Auf sässigen das Ausbleiben ernsterer Strafen; er verbat sich fremde Einmischung in die Angelegenheiten seiner Unter tanen, und wir kennen das Ende des Streites nicht. Nach Gurlitt zeichnen sich Meißen und die Lausitz durch eine besondere künstlerische Eigenart aus, und RLiha erkennt diesen Sondergeist sogar in neuen Formen der Steinmetz zeichen, die hier zuerst Bogen und geschweifte Linien bevor zugen. Auch Riediger meißelt den Deichselsuß seines Zeichens bald gradlinig, bald geschweift (Göda). Der Anschluß an Annaberg war also für ihn und die Lausitz ein gewagtes Unternehmen, entspricht aber durchaus seiner künstlerischen Richtung. Ein neuer Geist sprengt die Fesseln mittelalterlicher Überlieferung, Renaissance und Reformation wehren sich gegen Zwang und Bevormundung und erziehen zur Selbstverantwortlichkeit und persönlichem Erleben. Uber Meister Wolfs Stellung zur Reformation geben seine Werke weniger Auskunft als über die zur Renaissance. Doch ist zu beachten, daß er grade 1519 ein Sakramentshaus für Radibor arbeitet, vielleicht auch eine Christusstatue (Gur litt, Bautzen Land S.238). Bei seiner Begabung für Skulp tur ist dies denkbar, auch 1520 schmückt er den schlichten Bildstock für Milstrich bei Kamenz mit zwei Reliefs, eine Pieta und eine Kreuzigung. Mehr als der Bildstock verrät das Renaissanceportql der Seitendorfer Kirche seine katho lische Gesinnung. Es stammt zweifellos von ihm, da es in einer Tartsche sein Steinmetzzeichen führt (nicht das des spätren Baumeisters Zimmermann, wie Frenze! meint, OHZ. 1923/18; Zimmermanns Zeichen ist Nr. 196). Zum zweiten Male kommt also an der Seitendorfer Kirche ein Kamenzer Zeichen vor (vergl. S.69). Der innere Spitzbogen des Portals ist links mit grotesken Putten, z.T. delphinen- artig, im Hochrelief, und mit Ornamenten besetzt. Rahtgens vermutet (Gurlitt, Zittau Land S. 229), die rechte Seite sei später als anstößig abgearbeitet. Warum fehlt dann aber auch das Ornament, das schon links nicht bis zum Boden reicht? Sehr einfach: es ist nicht zu Ende geführt — ver mutlich, weil kein Geld mehr einkam, und die rechte Seite erhielt nur einen Berlegenheitsschmuck, drei kleine Rosetten, wie sie W. Roskopf in Görlitz gern anwendete. Unter Marienthals Schutz war Seitendorf katholisch geblieben, aber das Auftreten des Lorenz Heydenreich 1527 in Zittau war für die Reformation des Zittauer Landes entscheidend. Gerade von 1527—1540 mögen dies die katholischen Kirchen am eintretenden Geldmangel gemerkt haben. So ist dieses Portal wohl 1525—1530 anzusetzen und daraus seine unvollständige Ausführung zu erklären. Als eigen artiges Werk des Überganges zur Renaissance (nach Gur- litt) muß es bestimmt vor Roskopfs Meisterwerk liegen, der Görlitzer Ratstreppe 1534—1537. Vielleicht hat Riediger um 1530 auch in Zittau am Hause Neustadt Nr.34 das Renaissanceportal gemeißelt, das Gur litt mit Seitendorf verwandt findet. Seine Verwendung von Renaissanceformen ist durchaus eigenartig und selb ständig, aber an Roskopfs Meisterschaft ist nach dem bisher Bekannten nicht zu denken. Er bleibt wohl auch in der Schneeberger Empore von 1537 Träger des ausgehenden spätgotischen Stiles. Sein arbeitsreiches Leben bietet der Forschung noch manche Ausgabe, besonders in der Niederlausitz, vielleicht auch in I der preußischen Oberlausitz, vor allem in Bautzen. Nur stil kritisch ist er hier an der Michaeliskirche 1520 aufgespürt, ähnlich wie am Domturm die Verwandtschaft mit dem Turm der Kamenzer Hauptkirche von Rauda erkannt wird — vielleicht sind ihm beide Türme zuzuschreiben. Scheibe denkt au ibn ''bei der Nordvorballe der Kamenzer Hauptkirche, bei den Rippen im finstern Chor u. a. Mir fällt noch die Wölbung des westlichen Lang hauses in Bernstadt aus, die auch van ihm stammen könnte. Sie wurde 1519 ausgeführt, hat doppelt gekehlte Nippen und verbindet das Gödaer Maschennetz mit der Schere der Kamenzer Klosterkirche (vergl. Zwickau, Katharinen kirche). Da er 1537 wieder als Meister Wolf Riediger von Kamenz angeführt wird, war er wohl hier ansässig, und seine Gebeine werden auch in Kamenz bestattet sein. Er war kein großer Fürstendiener wie Pflüger, sondern er verbrauchte seine Kraft in kleineren Aufgaben, und fast ausschließlich im Dienste unserer engeren Heimat. Bleibende Denkmäler verewigen ihn, ohne daß die Heimat seinen Namen behielt, und sein Schaffen verdient, weiter erforscht zu werden. Langhaus-Wölbung in Bernstadt