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Riediger selbst gehört zu den Gotikern des Überganges, die schon vereinzelte Renaissancewerke schaffen. Es kann also wahrscheinlich gemacht werden, daß Riediger ein einheimi scher Künstler der Kamenzer oder Bautzner Hütte gewesen ist. Sein Geburtsjahr mag um 1475 anzusetzen sein, sein Tod nach 1537. Pflügers beste Arbeiten in Meißen waren vollendet, als Riediger Steinmetz wurde, d. h. die neuen Formen der Meißner Schule waren schon genügend ver breitet, man konnte sie nachahmen, ohne selbst in Meißen geschult zu sein. Bei Gurlitt, Rauda und Scheibe ist der oben zitierte Zusatz „und in der Niederlausitz" nicht weiter untersucht. Da er aber offenbar von Riediger selbst stammt und in Annaberg (ins Bruderbuch?) eingetragen wurde, so ist da raus besonderer Wert zu legen. Er vertrat auf dem Meister tage 1518 beide Lausitzen, und nur Görlitz konnte für sich selbst sprechen, weil sein Meister Wendel Roskopf von den Schlesiern beauftragt war. Die drei Länder Lausitz,Schlesien und Böhmen halten nur je einen Vertreter gesandt; schon das ergibt Riedigers Bedeutung. Es ist kaum anzunehmen, daß die Riederlausitz ihn mit diesem Amt betraute, ohne persönliche Beziehungen zu ihm zu haben. Vergebens suchte ich in Bergaus Inventar der Bau- und Kunstdenkmäler in der Provinz Brandenburg nach Steinmetzzeichen, die doch auch in der Niederlausitz zu finden waren. (Einige sind bei Wernicke abgebildet.) Aus den baugeschichiltchen Jahreszahlen ersieht man aber wenig stens, wo zu Riedigers Zett Bauhütten gewesen sind, und tue Ortssorschung wirb mit Hilfe von Urkunden und Stetn- metzzeichen noch wertvolle Ausschlüsse geben können. Luckau, seit 1492 Hauptstadt, ließ um 1520 die Stadtmauer bauen, sein Rathaus mit reichen Netz- und Sterngewölben auf fein profilierten Rippen wird derselben Zeit angehören. Die Stadtkirche in Lieberose ist aus dem Anfänge des 16. Jahr hunderts (Pfeiler ohne Kapitäle), ebenso Bauten am Schloß Sonnewalde und Finsterwalde, und Lübben mußte nach dem großen Brande von 1494 neu aufgebaut werden (Lang haus der Kirche 1550). Die führende Bauhütte scheint die große Stadtkirche von Guben gehabt zu haben. Ihre Ost- häiste nnt dem Chor ist alt und soll Anfang des 15. Jahr hunderts erbaut sein. Ihr Baumeister muß ein Parteischüler aus Prag gewesen sein; denn der Chor hat einen Mittel pfeiler hinter dem Hochaltar, einen Umgang und einen nach innen gezogenen Mittelstredepfeiler mit dreieckigem Profil. Erst 1508, also zu Riedigers Zeit, wurde der Bau gewölbt, 1519 nach Westen erweitert und mit Turm versehen, 1523 das Dach des Langhauses vollendet und erst nach Riedigers Tode der Turm 1547, westliches Gewölbe 1560, Empore 1580, innerer Ausbau 1594. Riedigers Beziehungen zur Ntederlausttz scheinen bei seiner Vertretung 1518 am regsten gewesen zu sein — es ist bedeutsamerweise die Zeit des Gubener Erweiterungsbaues, der die Kirche in ihrer Größe verdoppelte. Aber auch am Ostgewölbe von 1508 möchte man >ein Steinmetzzeichen suchen. Es hat in den Seiten schiffen das Scherenmuster wie die Kamenzer Klosterkirche (1512), wirkt aber durch Rippenknickungen unklar und ver zerrt (Grundriß oergl. Bergau S.401). Von andern Bauten ln Guven ist nur der Umbau der Stadttore und der Bastion am Werdertore erwähnt 1523 und 1530.*) *) Die Ntederlausitzer Kirchen-Gotik zeigt ebenfalls meist acht eckige Pfeiler, dreijchifftge Hallen mit polygonalem Chor, einfache Strebepfeiler, Perbindung von Granit- und Backsteinbau, mannig faltige Wölbungsmuster, Türme, die vom Biereck zum Achteck auf- fleigen usw. Aber der Backstetnbau ist verbreiteter als in der Ober- Riedigers Mitarbeit in der Niederlausitz bleibt also vor läufig ungeklärt. Auf sicherem Boden befinden wir uns in der Oberlausitz infolge der Forschungen von Gurlitt und Rauda — hier ist Riedigers Steinmetzzeichen ein zuverläs siger Führer. Leider sind seine ersten Arbeiten, das Denkmal „Eichbaum" in der Kamenzer Klosterkirche 1501 und das Grabmal des Hans Wagner 1504, nicht abgebildet. Nach einem Zwischenraum, in den die Arbeit in Guben 1508 passen würde, führt Riediger am Chor der Pulsnitzer Kirche 1510 das Ost- und Südostfenster aus, dreiteilig, gekehlte Pfosten, spätgotisches Maßwerk. Hier kann er nicht als Leiter gewesen sein, denn als Meisterzeichen ist Nr. 139 am Hauptgesims der Ostseite des Chores an hervorragender Stelle angebracht. Es ist ein Meister vom Meißner Dom (Westturm), derselbe, der die Kirchen von Dohna und Hirsch felde im Vierecksternmuster wölbte (Pulsnitzer Wölbung nicht erhalten). So konnte der junge Riediger leicht mit den Meißner Formen vertraut werden, die er auch in der Ka menzer Klosterkirche 1512 — wahrscheinlich als selbständi ger Meister — anwendet. Bald hat er wieder eine Wölbung auszuführen, in der dreischiffigen Hallenkirche zu Göda. Die Strebepfeiler der Südseite zeigen an, daß die Wölbung vorher anders an gelegt war und auch die Pfeiler anders standen. Riediger ließ sie neu ausführen — ein Pfeiler trägt die Zahl 1514 wie auch die Kanzel, die mit ihm zusammen gebaut ist. Guilitt (Bautzen Land S. 61) findet die doppelt gekehlten Rippen des Langhauses flacher und plumper als die im Chor, auch haben sie Durchsteckungen in Kreuzungspunkten und Anschnitten. So stammt wohl die Chorwölbung nicht von Meister Wolf; sie wiederholt das Kamenzer Schnürband. Er wählte für alle drei Schiffe das Maschennetzmuster wie im Hauptschiff der Kamenzer Hauptkirche. Gurlitt findet es in der Wirkung gut und bedauert nur, daß die schönen Raumvechältnisse durch neue Emporen beeinträchtigt sind. Als Meister der Wölbung weist sich Riediger durch sein Steinmetzzeichen aus im Wappenschild an einem Schlußring, mutung, daß er schon 1514 oberster mit einer sonderbaren Bekrönung: Adelskrone ist nicht zu denken. Die Blend wundene Meister an der An eine dreipaß artige Verzierung bringt mich auf die Ver- . - - - - Hütten ¬ meister" der Lausitz war. Weil damals eine Würde ohne entsprechendes Abzeichen undenkbar war, hat er wohl sein Zeichen durch einen „Meisterhut" hervorheben wollen. Eine ähnliche Bekrönung bet andern Meisterzeichen ist mir nicht bekannt. Der Zusammenschluß der Lausitzer Hütten muß der Vertretung in Annaberg vorausgegangen sein. Es sind die letzten spätgotischen Formen, mit denen Rie diger in Göda arbeitet. Eine Doppeltür der Südwand mit Stabdurchsteckungen ist im gebrochenen Kielbogen geschlossen und die Fenster des Emporenobergeschosses im Borhangbogen: maßwerk und ge ll Säulchen wendetder an der achieckigen Kanzel an, und lausitz, den Hallenkirchen fehlt das eigenartige 4. Südschiff, und die Wölbungen bevorzugen — soweit aus Bergau ersichtlich — das Sternmuster. Bei aller Verwandtschaft mit der Oberlausitz wahrt die Niederlausitz auch kunstgeschichtlich ihre Eigenart. Eine Ver öffentlichung der Steinmetzzeichen ist zu wünschen. Eigenartig sind die zahlreichen Näpfchen und Schleifkillen, die in der Niederlausitz fast an ollen Kirchen Vorkommen, in der Oberlausitz nur in Kamenz und Settendorf. Abergläubische Leute sollen die Steine der Kirchen angebohrt haben, um mit dem Steinmehl döse Geister und Krank heiten zu bannen (Literatur darüber Bergau S. 71).