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man wohl eine Art Massenpsychose dafür ansehen. Es sind sicher viele Ausflügler eines wunschlosen Genießens fähig, wenn sie dies nur einmal versuchen wollten. Aber sie sehen andere in maßloser Weise pflücken und meinen, dabei sein zu müssen. Es ist ein nervöses Jagen nach den Blumen, fast eine Art Sport mit dem Drange, den Bogel in der unvernünftigen Plünderung abzuschießen. Anders ist es nicht zu erklären, daß manche mit drei, vier und mehr Sträußern auf der Heim wanderung betroffen werden. Man trifft dabei auf die merk würdigsten Anschauungen unter diesen „Naturfreunden". Die einen meinen, es stünden ja noch genug Blumen da. Das bedeutet natürlich bei so vielen Ausflüglcrn, daß es eben bald mit der Pracht vorbei ist. Andere beruhigen ihr Gewissen und diejenigen, die auf ihre Weise gern wunschlos im Freien genießen möchten, damit, die Himmelschlüssel kämen ja wieder. Das ist zweifellos richtig. Was nützt dann aber der Gedanke: „Hier im Boden ruhen viele Wurzelstöcke von Schlüsselblumen, die nächstes Frühjahr wieder Blätter und Blüten treiben werden, damit sie auch sofort wieder abgerissen werden," wenn man nichts mehr zu sehen bekommt? Es genügt doch nicht, daß die Pflanzen nicht aussterben, sie sollen gesehen werden. Am schwersten begegnet man wohl dem Einwande, daß es doch nichts nütze, wenn einzelne im Bluincnpflücken Maß halten, die Masse tue es ja doch nicht. Denen aber soll entgegengehallen werden, ob sie Masse oder Menschen, Herde oder Herren sein wollen. Wer Herr ist, Herr vor allem seiner selbst, wird auch als Herr in der Welt behandelt. Die Herde folgt wohl ihren Trieben, fühlt aber dabei nicht, daß sie getrieben wird, eben von den Herren. Es würde doch ein erfreuliches Zeichen unseres gei stigen Aufstieges sein, wenn recht viele sich beherrschen wollten, damit einmal wieder das Schönheitsverlangen des Menschen zu seinem Rechte komme. Aber dann ist es auch notwendig, daß denen, die sich so unverantwortlich an der Natur versün digen, von den Beherrschten der Herr gezeigt wird, damit endlich die unerfreulichen Bilder der Blumenraffkes und der Straußjäger aus unserem Sonntagsleben verschwinden. Neben dem häufigeren Himmelschlüssel (Lrimuia veris oder olatior) kommt vereinzelter in Gebüschen und an Wald rändern die wohlriechende oder arzneiliche Schlüsselblume (Lrimulu okkicinali8) vor, die sich außer durch den Geruch noch durch ihre etwas dunklere Farbe von der Schwester unterscheidet. Diese Art ist schon so im Zurückgehen begriffen, daß man bereits beginnt, ihre Standorte aufzuzeichnen, um den Bestand dauernd nachprüfen zu können. Das Gesetz hat die Blume unter Schutz genommen und bedroht mit Recht diejenigen mit Strafe, die anderen die Freude verderben. Oberlausitzer Gedenkhalle: Ausstellung Engelhardt-Kyffhäuser m 5. April eröffnete der Ehrenvorsitzende des Kunst vereins für die Lausitz, Herr Landes-Hauptmann v. Eichel, eine neue Ausstellung, die dem Görlitzer Maler Engelhardt-Kyffhäuser galt. In der vorangehenden Begrüßungsansprache des Herrn Museums direktors Prof. Feyerabend betonte dieser, daß man es als Zeichen ganz besonderer Wertschätzung des Künstlers auffassen möchte, daß er ihm so viel Raum in der Gedcnkhalle zur Verfügung gestellt habe und so viele wertvolle Stücke seiner Sammlungen in den Keller geräumt habe, um Platz für das reiche Schaffen unseres Malers zu gewinnen. (Wohl ein Hin weis darauf, daß hier ein unhaltbarer Zustand vorliegt und zur Oberlausitzer Gedenkhalle bald ein Ausstellungsgebäude kommen muß. Wenn eine aufstrebende und kultivierte Stadt auch in der Kunstpflege vorwärts will, von den überkultivierten Großstädte» unabhängig werden und ein landschaftliches Teil zentrum bilde» will, dann muß sie auch die Folgerungen ziehen. Nach der Engelhardt-Kyffhäuser-Ausstellung kommt — vom 17. Mai bis etwa 12. Juli — eine große Ausstellung schlesischer und sächsischer Kunst, die mindestens ebensoviel Raum bean spruchen wird, sodaß die Gedenkhalle dann mehr als ein Vierteljahr Torso sein wird. Das bedeutet natürlich keinen Protest gegen diese großzügig angelegten Ausstellungen, son dern im Gegenteil: eine Werbung für neue Räume, eigens zu diesem Zweck.) Der Kunstverein wollte in der jetzigen Aus stellung eine Übersicht geben über das gesamte Schaffen unseres einheimischen Künstlers, der ja seit langem als hervorragender Graphiker, besonders als Radierer, bekannt ist und nun auch als Maler Beachtung erheischt. Dieser Tatsache hat die Aus stellung deutlich Ausdruck gegeben, indem der größte und schönste Teil der verfügbaren Räume den Gemälden vorbehalten wurde, während die Graphik mit zwei kleineren Zimmern, die von Uneingeweihten leicht übersehen werden, vorlieb nehmen mußte. Eine meines Erachtens verfehlte Aufteilung: denn die Graphik verdient eine ganz andere Betonung. Hier sind die stärksten Stücke, und fällt es den kleineren Formaten (Radie rungen und Zeichnungen) an und für sich schon schwer, nach den großen Formaten der Gemälde zur Geltung zu kommen, so durfte man sie nicht noch in den sogenannten Mühlen un terbringen, wo sie zu verschwinden drohen. Jedenfalls steckt dort in radierten Landschaften und Köpfen außerordentlich Schönes. Das große Blatt „Erinnerung an Dresden" ist, trotz allem Glück, das dem Künstler bei seiner suchenden Wisch manier hold gewesen ist„ von imponierender Kühnheit. Hier, wie in den Erfurter Kirchen und Görlitzer Landschaften, und in so manchem sicher erfaßten Kopf (Bo Jin RL in Kaltnadel arbeit), sodann in einer großen Zahl schöner Monotypien, die den Reiz meisterlich beherrschter Technik mit sicherem Raum gefühl vereinen, lebt das Eigentliche, das persönlichst Leben dige des Künstlers am deutlichsten. Auch die anspruchslosen flotten Bleistiftskizzen, die in reiner Hingabe an das Natur bild und aus dem sicheren Gefühl des Könnens heraus ent standen, gerade sie erfüllen die höchsten Ansprüche, weil in sie die Begeisterung des Künstlers am reinsten hinübergerettet wurde. Schwierigkeiten und Schwankungen grüßt man nur dort, wo er vom Schlichten entfernt, wo er nach großem For mat und nach symbolischer Bedeutsamkeit strebt. Darum ist die Freude an den Gemälden nicht ungetrübt. Obwohl auch hier das vielseitige Können imponiert und manches durchaus meisterhaft ist, „Nacht in Venedig", „Europa" z. B. Außerdem ist sehr vieles stofflich von hohem Interesse: Italien, Görlitz, das Lautawerk. Am erfreulichsten bleiben auch hier die Por träts, unter denen die Bilder der Kinder, Kaplan Kober, Prof. Iecht am stärksten sind. Der Katalog, der in der letzten Kunstvereinsausstellung viel zu wünschen übrig ließ, ist diesmal musterhaft. Er weist 1Ü8 Bilder und 172 graphische Blätter auf und ist reich illu striert: 15 der besten Ausstellungsstücke bringt er in lohnender Größe auf gutem Papier und in sorgfältigem Druck. Wer die Ausstellung besucht, wird dankbar sein, auch auf ihn hin gewiesen worden zu sein. Walter Dittman». Lausitzer Lausbubengeschichtchen 2 Dreß ler-Cunewalde s war in einer Dorfschule eines kleinen Dörfchens so eben Frühstückspause für die Kinder. Da das Wetter schön war, befanden sich die Kleinen auf dem Schulhofe und spielten mit Tonkugeln, die man nicht gerade sauber nennen konnte. Die ganze Pause hindurch wurde also gespielt: die Kinder sagen gekugelt. Dadurch wurden jedoch die kleinen Patschhändchen ziemlich beschmutzt: manche Hand sah eher einer Negerhand ähnlich als der eines normalen Mittel europäers. Kaum hatte der Unterricht wieder begonnen, da wurde der kleine Fritz, der sich beim Tonkugeln ganz besonders hervorgetan halte und dessen Hände infolgedessen auch übermäßig schmutzig