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96 Oberlaufltzev Hetmätzeltuüg Ar. 7 Kamenzer Hauptkirche der Umbau zur Hallenkirche (oergl.S. 48). Die ursprünglich basilikale Anlage genügt nach 1430 nicht mehr, man erweitert sie nach Norden durch ein 4. Schiff, das aber wegen des Nordwestturmes nicht bis an die West wand reicht. Schuf man in Bautzen eine einheitliche große Halle durch Erweiterung des Chores, so mußte man den Chor in Kamenz aus Mangel an Mitteln in der alten Form stehen lassen (Achsenknickung am Choransatz nach Norden). In langer Bauzeit wachsen Umfassungsmauern und 8 Pfeiler zu gleicher Höhe empor, so daß alle 4 Schiffe von einem gleich hohen Gewölbe überspannt werden konnten. Das Mauerwerk besteht nicht mehr aus schönen, gleichmäßigen Granitquadern wie im Chor, sondern aus Bruchsteinen; nur Maßwerk und Schmuckstücke sind aus Sandstein. Auch die Wölbung ist nicht einheitlich durchgefllhrt. Es hätte nahe gelegen, das Schnürbandmuster des Chores im Hauptschiff fortzusetzen, man wählte es aber nur für die alten Seitenschiffe und nahm fürs Hauptschiff ein einfaches Maschennetz. Das nördliche 4. Schiff hat zwar auch das Schnürband, doch in der reicheren Form wie die Thomas- Kirche in Leipzig (1477) und der Chor der Paulinerkirche (1480). Da unter der Kamenzer Wölbung an der Westwand die Zahl 1479 (und Zeichen 240) angemalt ist, so hat damit der Meister das Ende der Wölbungsarbeiten angegeben (Weihe 1480); die letzte Wölbung war sicher die des Nord schiffes. Ich halte hier eine Nachahmung der Leipziger Form für wahrscheinlich. Scheibe (Kamenz S. 25) erkennt in der Behandlung dieser Wölbung (Kappen und Gratrippen) einen fein empfindenden Künstler. Während im allgemeinen Rippen mit Birnprofil vorherrschen, haben Rats- und West empore schon Rippen mit Hohlkehlen. An der Westempore sind sogar die alten Birnansätze in Hohlkehlen weitergefllhrt, und mehrfach deuten Rippenknickungen auf Planänderung hin. (Gurlitt, Kamenz). Unter den Steinmetzzeichen überwiegen die Winkelmaß sippen (39, nämlich 20 hochgotisch und 19 spätgotisch); die Deichselzeichen haben nur 9 Nummern (3 spätgotisch), die Kreuze 8 (6 spätgotisch), die Pfeile 4 usw. Bon allen Kamenzern fand ich insgesamt 7 in Meißen, bei den Kreuz zeichen ergaben sich Beziehungen zu Westsachsen (Nr. 133 dis 137). Wenn wirklich Nr. 133 dem tüchtigen Paul Pausche angehört, so ist er sicher nicht als Bauleiter in Kamenz gewesen, sondern in Anfängerstellung. Ohne Einzelnachweis betont auch Gurlitt (Meißen, Burg berg S. 467) die Wiederholung von Meißner Zeichen in Kamenz, selbst einige Zeichen der Stadtkirche von Königs berg in Franken (seit 1421 Eigentum der sächsischen Kur fürsten) seien vorhanden. Tatsächlich ist ein Künstleraus- tausch nachweisbar: der Königsberger Meister Hans Wolff- hart oder Wolffram scheint die Fürstenkapelle in Meißen angelegt zu haben, und 1438 baut er das Rathaus in Borna (Äeißen, Burgberg S. 183). So ergibt sich eine interessante kunstgeschichtliche Linie: Kamenz—Meißen—Königsberg— Straßburg, denn in der Königsberger Kirche findet Solger (Gesch. von Stadt und Amt Königsberg i. Fr.) Straßburger Überlieferung. Wie Pflüger schwäbische und Meißner Kunst verband und damit die Göilitzer Bauhütte aufleben ließ, so hat die Spätgotik in Kamenz Franken und Meißen auf sich wirken lassen. Gerade die Kamenzer Hütte gehörte aber zu den führenden der Lausitz. Schon an der Hauptkirche zeigen sich früher als anderswo die Meißner Rundstab- überschneidungen und Kantenllberschneidungen des Gurt gesimses; auch die Wasserspeier entsprechen den Gewohn heiten einer großen Bauhütte. Der ganze Bau darf sich neben Görlitzer Peterskirche und Bautzner Dom als Höhe punkt der Lausitzer Spätgotik nennen lassen; Rauda (Bautzen S. 73f.) erkennt an, daß in Kamenz die Raum weite durch reichere Innenarchitektur gesteigert sei. Vorübergehend wurde Kamenz von Pflügers Ruhm über strahlt, aber nach dessen Tode stellte es Wolf Riediger an die Spitze. Er ist in der Bauhütte der Kamenzer Kloster kirche groß geworden. Gestiftet wurde die Kirche 1493; die Weihe von 1499 deutet Gurlitt (Kamenz S. 156) nur auf den Chorbau. Am Triumphbogen soll 1512 gestanden haben, vermutlich für Vollendung von Langhaus und Wöl bung geltend, denn erst 1512 erhielt die Kirche aus Prag Reliquien der hl. Anna, der sie geweiht war. Diese Ver ehrung der Großmutter Jesu erfreute sich um 1500 großer Beliebtheit (oergl. Annenkirche in Annaberg usw.). Die Klosterkirche ist eine dreischisfige Hallenkirche (6 Pfeiler), mit einem schmalen Chor, in der Achse leicht nach Norden geknickt. Wie an der Hauptkirche sind die Giebel Werke des Backsteinbaues in reicher und schöner Gliederung, auch die Gewölberippen sind aus Formsteinen. Wie an der Nikolairuine in Bautzen deuten Strebepfeiler am Westgiebel die innere Dreiteilung an. Wolf Riediger ist wohl nur der Erbauer des Langhauses; denn nach Gurlitt sind hier Fenster und Gewölbeanfänger anders als im Chor. Auch findet sich sein Steinmetzzeichen nur im Langhaus, am ersten Pfeiler rechts, also an hervor gehobener Stelle. Jeden Pfeiler scheint ein andrer Steinmetz errichtet zu haben, denn jeder trägt ein andres Zeichen. Das Westtor mit Berstäbung und Kehlen, sowie das vier teilige Fenster des Westgiebels mit originellem Maßwerk (Scheibe, Kamenz S.68) sind am Langhaus hervorzuheben. Ließe sich Riediger als Bauleiter Nachweisen, so wären diese Entwürfe und die Wölbung von ihm. Fand er die Chor wölbung schon vor, so ist es sein Verdienst, Haupt- und Seitenschiffe im gleichen Scherenmuster weitergefllhrt zu haben (Rippen mit Hohlkehlen), sodaß dieselbe einheitliche Wirkung entsteht wie im Bautzner Dom. Dessen Wölbung war ja erst 1497 vollendet worden und scheint in Kamenz nachgeahmt zu sein. Gerade auf Riediger trifft die Ver bindung von Kamenzer und Bautzner Gotik zu, weil er einige Jahre später beide Hütten leitete. Kamenzer Urkunden jener Zeit bestätigen schon vor Rie diger die Beziehungen zu Bautzen und Görlitz, beweisen aber auch, wie anderwärts, die zunehmende Seßhaftigkeit der Steinmetzen. 1489 wurde Steinmetz Siegmund Aßbeck Bürger in Kamenz, 1490 starb Steinmetz Heinrich Kaspar, 1497 wurde Steinmetz Petir Bürger (Gurlitt, Kamenz). Fraglich ist, ob Petir derselbe ist wie Peter der Steinmetz in Görlitz 1474—93; Aßbeck fand ich erwähnt als Sigmund Aschpegk parlirer in dem Vertrage vor 13 Meistern in Gör litz 1487 (Wernicke, Anz. fürs German. Museum 1876,360). Vielleicht kommt ihm größere Bedeutung zu, als bisher be kannt ist. 1492 verhandelt er mit dem Rat in Kamenz, 1495 wird er als Steinmetz und Werkmeister zu Budissin bezeichnet, als er sein Kamenzer Haus, das er verkauft hatte, zurückerstand. Sollte er etwa 1495 als Werkmeister zu Budissin der Nachfolger Meister Heinrichs geworden sein, so könnte er die Domwölbung ausgesllhrt haben; das Scherenmuster spricht nicht dagegen, da es ja von Görlitz überliefert ist. Daß Aßbecks Anfangsbuchstabe als Stein metzzeichen am Westtor der Kamenzer Klosterkirche um 1512 vorkommt, ist wohl ein Zufall. Wichtig ist uns die