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los langem Zuge nach der Stadl. Wie die Spitze des Zuges in den Torbogen einbiegt, hebt es von allen Türmen an zu läuten, Tücher und Fahnen werden aus allen Fenstern geschwenkt. Der Kaiser wird mit Blumen überschüttet. Nicht enden wollende Heilrufe lausen durch die Menge, die sich zu beiden Seiten der Straße drängt. Salutschüsse dröhnen über die^Stadt hin. So geht es zum Dom. Vor dem gotischen Portale haben die Schüler in weißen Kitteln, ha! die Geistlichkeit in vollem Ornate mit den heiligen Fahnen Ausstellung genommen. DcrBischos begrüßtden Kaiser in lateinischer Rede. Dann betritt der Kaiser mit seinem Gefolge den Dom. Ein feierliches Tcdeum erklingt. Indessen harrt draußen die Schar in ehrfurchtsvollem Schweigen. Nach beendetem Gottesdienste schreitet der Kaiser durch glänzendes Spalier die Straße zum Schlöffe hinunter. . Ein festliches Mahl in prunkvoll geschmückten Sälen beschließt den Tag. So haben die Bautzener ihren Fürsten in alten Zeiten begrüßt, ach — wievielmal! Bald kam er von Osten, bald kam er von Westen und bald von Süden. Wohl selten hat eine Stadt die Herren so vieler Länder In ihren Mauern gesehen wie die Haupt stadt des alten Markgraftums Oberlausitz: Polenkönige, Böh mische Könige, Ungarische Fürsten, Meißnische Markgrafen, Brandenburgische Herren. Und immer war es ihr Landesvatek. Das macht, daß die Geschichte Fangball spielte mit dem Lausitzer Land unter den Mächtigen der Erde. So begrüßten sie 1462 Georg Podiebrad von Böhmen, als er am Sonntag Jubilate mit 2000 Pferden und 100 Kgm'merwagcn hier einkam; so Ungarns König Mathias I., der 1474 zusammen >mit dem Polenkönig Kasimir und dem Böhmenkönig Wladis- laus hier weilte und dem es so gut in der Stadt gefiel, daß er sagte, er wolle sie, „wenn sie näher an Ungarn gelegen wäre, zu seiner vornehmen Hauptstadt machen wegen der guten Luft und des vielen Vorrats an — allerhand Nahrung." So nahmen sie 1538 Königs Ferdinand aus, der zur Huldigung im Mai hierher kam und der bereits Kursürst Joachim von Brandenburg und dessen Bruder Markgraf Hanns hier antraf. Sie nahmen, im > Schlöffe die Lehn oon'Ihm. Eine königliche Tafel, bet der nichf weniger als ?O Speisen ausgetragen wurden, schloß sich an den feierlichen Akt. So empfingen sie Kaiser Maximilian II., der am 7. Januar 1564 über Dresden hier ankam. Als sie aber 13 Jahre später am Reichentore Kaiser Nudolph II. begrüßten, wurde ein braver Bürger, der Beutler Melchior Hofmann, durch einen sehl gegangenen Salutschuß getötet, während einem anderen das zu scharf geladene Gewehr die Finger der linken Hand zertrümmerte. Der Kaiser ließ der schwer geprüften Witwe 50 Gulden auszahlcn. Am Tage daraus trafen die Kurfürsten Georg von Brandenburg und August von Sachsen in der Stadt ein. Am 3. September >611 kam Kais«.- Matthias II. »ach Balltzen. August der Starke ist auf seinen Reisen von Dresden nachWarschau mehr denn ein- mal hier durchgekommen/ . Nicht Immer aber erwarteten die Bautzener den Lanj>esherrn mit festlicher Freude. Als der Böhmenkönig Wenzel, den die Geschichte den Faulen nennt, am 30. September 1408 mit seinen zwei Doggen durchs Lauentor einritt, lebte die Stadt in Zittern und Zagen Für hundert Bürger halte er den Richtblock aus dem Markte aufstellen lassen. VieUehn mutzten ihr Haupt unter dem Schwerte des Henkers lassen, die übrigen wurden samtWeib und Kindern des Landeswerwicsen. ' / Später brachten die Fürsten meist Krieg Wit in die Stadt. So Friedrich der Große, der während der Schlesischen Kriege wieder- holt hier wohnte 7 so Kaiser Joseph II. voh Österreich, der am 26. Juni 1766 von hier aus das Schlachtfeld bei Hochkirch be sichtigte: so Zar Alexander von Rußland (15. November 1805). Napoleon war mehr denn einmal in Bautzen, bald mit König Friedrich August von Sachsen (17. Juli 1807), bald in Begleitung des Königs Murat von Italien (16. August I8l3), und dann am 21.'Mai 1813, als er nach der Schlacht bei Bautzen mit dem König von Neapel hier einritt und als die große Glocke aus dem Dom entzweisprang, weil sie des Korsen Befehl, Sieg zu läuten, nicht hatte folgen wollen. Mancherlei gekrönte Häupter noch kehrten tn Bautzen ein, russische Großfürsten, italienische Kronenträger. Die Könige von Wettin sind bi's in die letzten Tage hinein allezei gern in die Stadt gekommen. Eine stattlichere Fürstenversammlung als im Jahre 1350 hc Bautzen aber zu keiner Zeit gesehen. Weit über zwanzig höchst Würdenträger trafen sich hier mit großem Gefolge, unter dem sii viele Edle mit stolzen Nomen- besanden. An einen Monat fai sind sie hier geblieben. Gall es doch, Entscheidungen von groß, politischer Bedeutung von-ganz Deutschland zu treffen und di blutigen Wirren zu schlichten, die seil langem den Nordosten de Reiches in Unruhe hielten. Am 31. Januar kam Kaiser Karl IV und mit ihm die Markgrafen Johann non Mähren und Friediit der-Strenge von Meißen samt seinem Bruder Balthasar, de Aalzgras Ruprecht vom Rhein, die Herzöge Nikolaus von Trop pau, Bolko von Schweidnitz, Wenzel von Liegnitz und Wladk laus von Teschen, Gras Gerlach von Hohenlohe, Wilhelm vo Landstein, Thimo von Eolditz und der Meißener Ritter Albreä von Miltitz. Ihnen folgten am nächsten Tage der König Wo: dcmar von Dänemark mit dem Markgrasen Ludwig von Bager samt dessen Bruder Ludwig dem Römer, den Herzögen Erich ve Sachsen-Lauenburg, Rudolf von Sachsen-Wittenberg und Albreä von Mecklenburg, sowie den Grafen Albrecht von Anhalt,- Wo, dcmar von Anhalt und Albrecht von Barby. Sie kamen vo Spremberg, wckdsie im Schlosse bei dem Grasen Günther vo Schwarzburg zuVPesuch geweilt hallen. Die dort begonnen« Beratungen wurden in Bautzen fortgesetzt. Eine Unterbrech»» , brackte.die Faßnachtszeit. Da gab man sich ganz dem Vergnüg« hin. Es muß ein ausgelassenes Äjischingsireiben gewesen sch das.sich die sremdelsGäste hier leisteten. Festliche Aufzüge nm: den von frohen Gelagen abgelöst, Mummenschanz und^ürrk Maskeraden. Bälle und Festessen jagten einander in bunt«« Wirbel. Gar mancher ist da tagelang aus den Feicrkleideu nicht herausqekommen. So dtwas hauen die Bautzener noch nick gesehen. Man sagt, daß auch sie recht lustige Tage gelebt habe« Line ganze Wome währte der Faschingstrubel. Dann setzte mm Fch wieder z^ ernster Arbeit nieder. Ihren Höhepunkt erreich« die auserlesene Versammlung, als am >6. Februar Morkgr« Ludwig von Bagcrnwnd sein Bruder Ludwig der Römer mit de Ländern Brandenliutg^ Ländsberg und Niederlausitz belehr wurden. Da war aus dem Markte am Rathausturm ein stolz« Thron errichtet. Aus ihin saß. unter schwerem Baldachin d« Kaiser in kostbarem Mantel von Purpur, Hermelin und Brokc aus dem Haupte die deutsche Krone. Vor ihm knieten huldige» die beiden Markgrafen an ,den Stusen des Thrones. Rings uw standen den feierlichen Akt die Edlen des deutschen Landes. Hin!« den Schranken drängte sich das Volk. Die Häuser um tu Markt waren nist Flaggen und Tannengrün geschmückt. Ur wieder schloffen sich Feste an, Turniere und glanzvolle Schlitte» fahrtcn. IM Acht'Tage spater brach der Kaiser aus. Er reiste nach Prm Ihm folgten die übrigen Fürsten. Die Stadt zeigte wieder ih Alltagsbild. Vorüber waren die Tage lauter Lust. Noch lang aber fuchtele ihr Glanz in der Erinnerung nach. Zu keiner 3« wieder ist in Bautzen die Belehnung eines deutschen Fürsten dun König oder Kaiser erfolgt. Kaum wieder erlebte sie ein politisch« Ereignis in ihren Mauern, das so bedeutungsvoll für Deutsch lands Geschichte war wie dieses. Aus der (Dberlausitz Bautzen. Ein n an« Hafter Lausitzer Gelehrter, P« sessor Dr. Ernst Mu ck e in BauFen.^ bcging^aM—HO^Mäiz^sei»« 70. <Ae burtstag. Er ist in Grotzhänchen bei Bischofswerda z« baren, besuchte das Bautzener Gymnasium und war später la Zilie« Lhrmnitz und Freiberg tätig. Uiniangreicher Wissen und Kiimi« paart sich in ihm mit ungeheurer Arbeitskraft. Schier naerschöpsii sind seine wissenschastlichen Arbeiten und Abhandlungen in wend scher, tschechischer, polnischer, russischer und lateinischer Sprych Zahlreiche Werke, die siir^Bhilosophen, Ethnographen und Etd»> logen, Historiker, Statistiker usw. gleichermaßen wertvoll sind, hl auch in deutscher S. rache erschienen. Im-Auftrage des wendisch« wissenschostlichen Vereins in Bautzen gibt er seit 30 Jahren die Zn schrist .Lspsopis dtaciex Lerdrkejs" heraus. Dar wendische Vri sieht in ihm einen seincr dedeulendsttn Führer.