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Gberlaufltzer Hsimatzeltung , fortzudauern. Die neuen Glocken aber erhielten ost recht schwülstige und manchmal recht protzige Inschriften, in denen ein kurzer Bibelspruch oon einer gewaltigen Fülle von hochwohledelgeborenen Namen, Schnörkeln und sonstigen unwichtigen Dingen.schier erdrückt wird. , Aber eine große Reihe alter Glocken erhielt sich. Brück ner hat sie in einer sehr fleißigen und verdienstvollen Arbeit zusammengestellt. Man kann oon der Glocke aus den Kirchenheiligen schließen, wenn dieser mit einer aä konorem- oder pro Isucte-Formel angerufen wird: Z. B. Gruna bei Görlitz: ad konorern katksrine v>r§i(ni)s—zuEhren der Jungfrau Katharina; Hirschselde: pro luuüe ciei et Konto rum petri et puuli — zum Lobe Gottes und der seligen Petrus und Paulus; Berthelsdorf: hilf got und Sant Jacob auspller not; dann aber kommt auch einfache An rufung des Patrons mehrfach vor, z.B. inMittelschreibers- dors steht nach dem Amen des vollständigen Ave Maria ein sancta barbara. Sehr schwierig gestaltet sich die Frage in den Fällen, wo aus der Glockeninschrist Maria als Pa tronin zu erschließen sein würde. Ihre Verehrung war so allgemein, daß ich glaube,, nur die allerhandgreiflichsten Fälle benutzen zu-dürfen, um ihr Patronat zuchehäupten. Und auch dann noch möchte ich es nicht mit Sicherheit tun. Ein solcher Fall liegt vor bet der Glocke zu Kotitz: Maria * hilf » aus * not * durch * deines * kindis * bittirn * toth * amen ». In diesen Marientext sind an pllen »-Stellen Marienbilder in das Spruchband eingelassen. Das beste Lehrbeispiel aber ist die Glocke der romanischen Wehrkirche zu Hermsdorf b. Görlitz, die dem heiligen Laurentius ge weiht ist; die Glockeninschrist sagt: 0 sanctus (!) luuren- tiu8 (!) hilf uns usw. Hier erhielt sich durch Zufall in glücklichster Weise der alte Zustand, bis in die Gegenwart und rechtfertigt unser Verfahren. Zwischen Glockeninschrist und Kirchenheiligen tritt auch einmal eine Divergenz auf, die uns.lehrt, recht vorsichtig zu sein. Vergleiche Arnsdors bei Görlitz. Ein solcher Fall wird vielleicht erklärlich durch Glockenverkauf, wie ans Görlitz nach Niederleopoldshain und aus Oberau bei Mei ßen noch Schmeckwitz. In beiden Fällen ist ein Name genannt: Die Görlitzer Glocke war Maria getauft worden, die Glocke, aus Oberau ruft Katharina an, ohne ein? der . obigen Formeln'zu benutzen. ^ud gerade da muß man recht vorsichtig sein; mehrfachmlerden am Ende des Glocken- textes die vier Evangelisten angerufen, ost auch fallen einige weg und daun sieht ein solcher Text einem Anruf des Kirchenheiligen sehr ähnlich, Beispiele sind Gaussig, Gers- dorf b. Görlitz, Niederleopoldshain, Markersdorf. , In vielen Fällen ist das Bild des Kirchenheiligen mit oder ohne Text in Form von Medaillen oder Kritzeleien auf die Glocke eingetragen. Man erkenn) ihn an seinem Attribut: Barbara hat einen Turm neben sich stehen, Lau rentius einen Rost, Magdalena eine Salbcnbüchse usw. Diese Attribute erklären sich aus der Heiligenl'egende, z. B. soll der heilige Laurentius auf einem Rost bei lebendigem Leibe langsam gebraten worden sein. Auf den Glocken zu Meuselwitz, Tschirne, Görlitz, Wittgendorf, Grunau, Ebers bach usw. findet man derartige Heiligenbilder. Nun wird man mir entgegenhallen wollest, der Schluß aus der Glocke aus den Kirchenheiligen ist unsicher, weil im Mittelalter die Glocken aus bestimmte Heiligennamen ge tauft wurden. Dem muß aber entgegnet werden, daß diese Glockennomcn ohne bestimmte Beziehung auf örtliche Ver- hättnifse doch selten sind und sich wohl meist aus Maria oder Anna beziehen, andrerseits lehrt doch ein solch klares Bei- piel wie Hermsdorf das Gegenteil, und wie wußte der Gießer derGlocke zuObcrneukirch, daß sie amTageIakobi geweiht werden würde, wenn man ihm dies nicht zum Zwecke der Überlieferung vorher mitgeteils hätte? Warum wählte man gerade den Tag Jakobi? War Jakobus Kirchen patron am Ort? Ein weiteres Mittel zum Erschließen des Kirchenheiligen ind die Inschriften auf Kelchen, aus Monstranz und Patene. Doch hier ist die Gefahr fehr groß, irrezugchen: Diese wert volle Kirchenausstattung ist ost genug verschleppt, gestohlen, verkauft worden. Ein klares Bild wird man nicht erhalten, man kann die Inschriften aber zur Bestätigung verwenden. Beispiele sind Holzkirch, Königshain bei Zittau, Merzdorf, Milkel usw. Kelche mit tschech.Inschriftcn dürften auf eine Einwanderung von Emigranten („Mährische Brüder") Rückschlüsse gestatten. Wenn aber.dami wie in Ebersbach die Patronin auf dem Kirchensiegel austritt, so steht zu hoffen, daß wir eine neue Quelle zur Erschließung der Kirchenheiligen erhallen, wenn einmachdie Kirchen- und Ortssiegel der OL. dargestellt sein werden. Denn die Beispiele von Löbau und Kamenz lehren deutlich, daß sich Kirchenhciliger und Ortshciliger auch in der OL. decken. Vielleicht kann man auch später einmal aus Grabsteinen auf den Kirchenheiligen Schlüsse ziehen, denn es ist wohl denkbar, daß er aus ihnen angerufen wird, zumal in ältester Zeit die Bestattungen in der Kirche möglichst nahe am Altar erfolgten,umimSchutzederReliquien desHeiligen zu stehen. Einwandfreie Beispiele dafür habe ich noch nicht gesunden, aber sie sind möglich, und vielleicht ist der Grabstein in der Kirche zu Penzig hier verwertbar (L. lll/753). Er ist wohl noch falsch gelesen wiedergegeben. Schließlich besteht auch noch eine andeiH^Möglichkeit: Die Voruamengebung war jederzeit durch den Kirchenpatron beeinflußt. Wenn Jahr hunderte lang ein hoher Prozentsatz st>er Vornamen einen Heiligennamen darstellcn z. B. Nike! — Nikolaus, so darf man auf diesen Heiligen als Kirchenpolron muten. Auch die Tage, au besten das Kirchweihfest staltsindet und die, au denen Jahrmärkte verliehen sind, können zur Erschließung der Patrozinien beitragen. Wenn ich nun eine Lists der Kirchenheiligen folgen lasse, die nach Ortsnamen angeordnet ist, so muß ich einige Vor bemerkungen oorausschicken: Die Kirchen sind unter dem Namen des Ortes genannt, in dem sie stehen, also Ober-, Mittel-,Nieder-, Groß-, Klein-, Katholisch-, Wendisch- und Deutsch-. Hier sind sie zu suchen. Die zweite Spalte enthält unter W. alle mir bekannten sicheren Wehrkirchen, unter W.? alle vermuteten. Die dritte Spalte dient der Zeitbestimmung,, wann die Kirche gegründet wurde. Dies ist ausgedrückt durch bestimmte Jahreszahlen oder Iahrhundertangaben, dann aber auch durch die k'unstgeschichtliche Datierung, wenn diese älter als die urkundliche ist: R.--romanisch, G.--gotisch.MBM.be-, deutet, daß eine Kirche in der Meißner Bistumsmatrikel ihre älteste Angabe besitzt. Wenn dieMBM. einmal für die OL. eingehend bearbeitet sein wird, werden wir hier bestimnr- tere Jahreszahlen einsetzen können. Jetzt bedeutet es nur ein „vor 1500"; das MBM. fällt dort weg, wo ältere Zeit bestimmungen oorliegen. Die Hciligcnnamen der vierten Spalte sind ohnHZusatz sicher überlieferte, ein ch vor ihnen heißt „erschlaffen", ein? hinter ihnen heißt „fraglich".