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328 «DberlauflhevHeimatzeitung Nr. 23 (1841), dann folgte die Berufung Matthäus am Zollhause (1848), dann die Hochzeit zu Kana mit ihren vielen lebensvoll bewegten Figuren, wo Jesus sein erstes Wunderwerk verrichtete (1841). Nun trat der wild bewegte See Genezareth ganz nahe an uns heran. Wir sahen mit Bangen Iesum in dem gefährdeten Schiffe schlafen (gef. 1827), aber wir sahen auch, wie er auf dem Meere wandelte und dem glaubensschwachen Petrus die rettende Hand reichte (gef. 1830). Es reihten sich weiterhin lebensvolle Dar stellungen von Jesu Wundertättgkeit an: Die Heilung zweier Blinder, die vor ihm niederknien, anschließend die erste Aus sendung seiner zwölf Jünger (gef. 1829), ferner, wie Jesus zehn Aussätzige reinigt. Die Handlung geschieht in einer kleinen Stadt; im Vordergründe kommt Jesus mit seinen zwölf Jüngern, in einer kleinen Entfernung rechts stehen zehn Aussätzige und erheben bittend die Hände, worauf sie Jesus bedeutet, sie sollten sich den Priestern zeigen. Links sieht man dann auch die zehn Aussätzigen in einer kleinen Synagoge kniend ihr Gebet ver richten; im Hintergründe sieht man abermals Christum mit den Jüngern und einen von den Aussätzigen, der umgekehrt ist und sich zu Jesu Füßen wirft und ihm für seine wieder erhaltene Gesundheit dankt (gef. 1834). Ferner wie das kananäische Weib für ihre kranke Tochter bittet (gef. 1832), wie er den Knecht des Hauptmanns von Kapernaum gesund macht (1849), wie Jesus Iairi Töchterlein und den Lazarus vom Tode erweckt (gef. 1836). Dann folgt die liebliche Szene, wie Jesus die zu ihm gebrachten Kinder segnete. Diese Szene war in einem neuen dorischen Ge bäude und nach Möglichkeit dekoriert, welche dem Auge einen angenehmen Anblick gewährte, da die Figuren bezüglich Stellung und Ausdruck dem Verfertiger nach Wunsch gelungen waren (1835). Man sah Iesum im Gespräch mit der Samariterin am Brunnen, im Nachtgespräch mit dem frommen Nikodemus, Iesum in der Schule zu Nazareth, wo er den Leuten die bittere Wahrheit predigt, worüber sie sehr zornig werden (alle drei Szenen aus dem Jahre 1841) und wie die ergrimmten Juden große Steine herbeiscklevpten, um den Heiland damit zu er schlagen (1833). Den Abschluß sand die Gruppe, die Jesu Lehriäiigkeit umfaßte, durch die Darstellung seiner Verklärung (gef- 1831). Fast die ganze rechte Hälfte des Saales war mit Szenen aus Jesu Leidenszeit ausgefüllt, auf die der Künstler die liebevollste Sorgfalt verwendet hatte. Der kindlich fromme Sinn, der aus ihnen sprach, löste selbst bei den Kleinen eine so weihevolle Stimmung aus, daß kein lautes Kinderrvort von dort zu hören war, und die Eltern ihre Erklärungen nur im Flüstertöne gaben. Da war zunächst die große Szene von 40 Personen, die darstellte, wie Jesus am Palmsonntage in Jerusalem einzog und ihm Palmen auf den Weg gestreut wurden (gef. 1837). Der Zug bewegte sich nach einem erhöht stehenden Tempel in dorischem Stile, hinter dem die Stadt Jerusalem mit dem Ölberge aufstieg. In der Halle dieses Tempels erschaute man die wiid bewegte Szene, wie Jesus mit geschwungener Geißel die Krämer austrieb und die Taubenkörbe umstieß, aus denen die weißen Tauben herausflatterten, was uns Kinder ganz besonders anzog. Nechts des Tempels führten Stufen zum Teich Bethesda hinab, auf deren einer der Kranke saß, den Jesus angesichts der Schrift gelehrten heilte. Auf eine Spiegelglasplatte, die den Grund des Teiches bildete, warf ein kleiner Springbrunnen zuzeiten richtiges Wasser herab, was wir Kinder doch mit dem Finger verstohlen feststellen mußten (1862). Dann folgte die Einsetzung des hei- ligen Abendmahls, wie sie Leonardo da Vinci aufgefaßt hatte. Nun dursten wir in den Garten Gethsemane hineinblicken, wo Jesus betend seine Seelenleiden aussteht und von einem Engel gestärkt wird; seine drei Jünger findet er schlafend. Sodann kommt die Schar mit Spießen und Stangen, an welche Judas den Herrn durch einen Kuß verriet, während der eifrige Petrus dem Malchus ein Ohr abschlägt. Im Hintergründe erblickte man Jerusalem, durch den Mond matt beleuchtet, was dem Auge einen angenehmen Anblick gewährte (1839). Im Jahre 1840 hatte, der Künstler einige neue große Szenen geschaffen, wie Christus im Hause des Hohenpriesters von den rohen Knechten verhöhnt und verspottet wurde, wie Petrus im Vorhofe am Kohlenfeuer Christum verleugnete, ferner wie Jesus im Richthause unschuldig gegeißelt und zum Tode verurteilt wurde, während man im Hintergründe in einem Gebäude sah, wie Pilatus seine Hände wusch. Da die Gebäude auf einer Terrasse standen, auf die 31 Stufen führten, konnte man alles recht deutlich sehen (gef. 1840). Dann kam für uns Kinder das Schmerzlichste, was uns lange das Gemüt bewegte, nämlich, wie Jesus auf dem Hügel Golgatha gekreuzigt wurde. Auf dem Wege vom Richt hause bis zur Schädelstätte waren 90 Figuren in dcn verschie denen Stellungen gruppiert, wie sie auf dem Schmerzenswege des Heilandes sich gebildet hatten (gef. 1842). Dann sah man noch, wie Jesus ins Grab gelegt wurde, wie er am Ostermorgen auferstand, wie er mit den zwei Jüngern nach Emmaus wanderte, und endlich, wie er auf dem Ölberge aus dem Iüngerkreise ent rückt wurde (gef. 1843 und 1846). So zog das ganz« Lebensbild des Heilande« au ovserm Kioderaug« vorüber und prägte sich tief in unser H-»z ein. Uod zu Haus« mußte die Mutter alle die Geschichte.: erzählen, di« zu den Darstellungen gekörten, und da« füllte manche Dämmer stunde der langen Winterabend« au«. So wurden die Kinder s'ühzeitia mi> Christus vertraut. Wenn wir dann in d«r Schul« aus dem L hrermund« die Geschichten wieder bürten, grüßten st« un« al» alte B'kanot»; und die Bilder au« Jägers Bethl-hem «raten wieder lebensfrisch vor unsere Seel,. Dos war ein großer Gewinn, den mancher mit io« Leben hinausgenommen hat. Wie ou« den eingefüoten Iahrerzohleu ersichtlich, ist das Bethlehem erst nach uod rach entstanden, bi« zu der Vollständig- kett, wie ich »« in der E-ioneruno habe. Selo ganzes L»b»n lang hat Krrl Clnistian Go'thelf ISoer daran gearbeitet. Jahr um Irhr hat er Szene an Szene gefügt, die schon vorhavdeveu «eil« erneuert, teils erweitert, wie in seinen Bekanntmachungen wiederholt zu lesen ist. Als er im Winter 1822—23 seine ersten Szenen ourstellte, brauchte er nur wenig Roum doz>; eine beim Hntmacher Gotti. Rotbe auf der Aaßer-n Lauenst atz« gemietete Stube genügte ihm. In den Jahren 1824—26 stellte er e« im Waisenhause an«, 1827 im Halben Monde, dann bi« 1838 in einem H^vtergebäud- de« Kaufmann Solomoschen, später Müller scheu Hauses in der Inneren Lauenstraße, bis 1840 im Saal« der Goldenen Weintraube und dann erst im Gewandhause, wo mau ihm den Wollsaal sreig'gebeu batte. Man weiß nicht, was man an dem schlichten Mann« mehr be- wundern soll, sein tiesrelioiöse« Empfinden, sein geistiges Ge- ftaltoogsoerwögen, seine Handgeschlcklichke't seinen Idealismus, mit dem er sein ganzes Leben lang an dem Werk« arbeitete, seine Aospruchslostoteit, mit der er sein Werk der Öffentlichkeit dar bot. Biel- Jahre hindurch verlangt« er nur 13 Pfennig« Ein- tritt, von Kindern die Hälft« und überließ es .Siandttpersonen", nach Belieben etwa« mehr zu zahlen. Wa« er aber schuf, war Bolkekuost von seltener Vollkommenheit. Er war kein tzolzbild- Hauer, sondern »in einsacher Lohndieuer. Er hatte keine einge richtet« W-rkstatt, sonder» schnitzte alles am Tische mit dem Messer. Diele danken e« ihm heute noch von ganzem Herzen, daß er ihnen ein« so goldene Iugenderinnerung geschossen bat. Ader bei seinen Lebzeiten ist man ihm den Dank leider schuldig geblieben. Er hat nur kümmerlich gelebt, und kaum j-mand bot seiner geachtet. Im Krark'Nbauie ist er am 14 September 1868 im Alter von 73 Jahren 10 Monaten gestorben und ist vierter Kloss«, also nach Armrnrecht, begraben worden. Sein Sohn, der Musterzeichner Karl Gotthels Jäger, der am 31. Dezember 1883 starb, Hot zwar das Werk seine» Vater« nicht fortgesetzt, ab-r er Hot es erhalten und treulich gehütet und feder Iah» um die W-ihnocht«zeit im Sewandkause wieder ausgestellt, bi« im Jahre 1880 der Abbruch des alten Gewandhaus«« «folgte. Da bot »r das Werk seine« Vater« der Stadt zum Kanse an, ich glaube für 80 Taler; aber man lehnte den Ankauf ab. Auch sonst sand sich in der Stadt niemand, der das Geld aufgebracht hätte. Da wurde dos schöne, einzig dastehende Kunstwerk noch aurwärt« verkauft. Niemand weiß seitdem, wohin e« gekommen ist. Einige wollen wissen, es sei nach Amerika verkauft worden,