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Sonntag, 30. November (Neblung) 1924 Nr. 21 MW Dnucf u.Veriag.Älwin Mai^ (Inh. Otto Mcu^) Südlaufl'tzen Nachrichten, Reichenau'Sc». Gescmckfie u nftLikepatuv' Mitteüungsbiatt bsr GefeNjchaft für Anthropologie und Ar gefchichls ber (Lverwul>s- ^>uuseu, oec Aluiegleue ,uc r-euual,or,a-uug nn 2^lark- graftum Vberlausitz (Bautzen, Stisberstrasts 3S), des Vereins für Heimatforfchung zu Lrostau, Kirjchau und Schirgiswalde. Hauptfchriftleitung, sowie für Geschichte, Vorgeschichte, Volkskunde, Sagen und Aberglauben Dr. Frsnzel, Bautzen, Stisberstratze SS; für Naturwissenschaften Dr. Hsinks, Sittau, Komturstratzs 5; für Kunstgeschichte und Kunstgewerbs Dr. Reinhard Müller, Sittau, Stadtmussum, Klostergasjs 1. Manuskripten ist Dückporto bsizusllgen, da sonst ein Anspruch auf Rücksendung nicht besteht. Postscheckkonto: Leipzig Nr. 27534. Bankverbindung: Gewsrbsbank und Girokasjs Asichenau Nr. IS. Allgemeine Deutsche Lredit-Anstalt, Aweigstelle Dsichenau, Sa. 5. Jahrgang Blatter für Heimatkunde Schristleitung und Geschäfts stelle in Reichenau, Sa. Fernsprecher Nw 2IZ E« «MU K»crvststurm W Dirken steh'n im goldnen Herbstgewand, 3agt ein trunkener Bacchant daher, Reißt es ab mit iibermüt'ger Hand, Tanzt mit ihm im Wirbel kreuz und quer. „Toller Tapps, nur Rauschgold ist dein Raub", Kichern Elfen leisen Gilberklang. „Dümmling, spielst sa nur mit dürrem Laub", Meckert Gnomenvolk den Wald entlang. „Pfui! Nur Plunder, eitler Flittectand?" Heult der Trunkene ingrimmig auf, Wirft es wütend an den Straßenrand, Spuckt mit kaltem Regenschauer drauf. Wild umtobt er dann den Rathausturm, Pfeift und johlt wie Gasjenjungenchor. Nnd der Spießer brummt:„Derdammter6turm", Sieht die Sipfelmütze übers Ghr. Die Kulturbedeutung der Heimatgeschichte Dr. Karl Werner, Leipzig Nietzsche hat einmal diejenige Definition der Kultur gebilligt, nach der sie die Einheit des künstlerischen Stiles in allen Lebensäußerungen eines Volkes ist. Eine Kultur wird sich demnach immer nur dann herausbilden können, wenn ein Volk sein eigenstes Wesen gefunden hat; denn nur dann wird es sich immer einheitlich geben. Fremde Einflüsse können wohl einzelne Wesensseiten erfassen, doch niemals zu jener Einheitlichkeit führen, die eine Kultur zu bilden vermag. — Wer sich nun danach umsieht, was von den ver schiedensten kultur-philosophischen Denkern als deutsche Eigenart erkannt worden ist, der findet immer wieder die Richtung aufs Werden als solche bezeichnet, im Gegensätze zu der aufs Sein gerichteten romanischen Wesensart. Nie mand hat schärfer darauf hingewiesen als Nietzsche, der ganz ausdrücklich sagt, daß wir dem Werden, der Entwicklung instinktiv einen tieferen Sinn und reicheren Wert zumessen als dem, was ist. Und wenn er an derselben Stelle sagt, daß wir Deutsche alle Hegelianer sind, so liegt darin die Erkenntnis, daß der Deutsche wesentlich historisch eingestellt ist, was er an andrer Stelle mit den Worten ausspricht: „Entwicklung ist der eigentlich deutsche Fund und Wurf im großen Reich philosophischer Formeln." Wer sich genauer unterrichten will, der lese in dem bekannten ausgezeichneten Buche „Nietzsche" von Ernst Bertram das Kapitel „Das deutsche Werden". Es ist auch bekannt, daß Spengler auf ähnlichen Grundgedanken aufbaut. Dieser Wesensgrund der deutschen Seele wird ihr zu einer eigenen Kultur verhelfen, wenn er eine geistige Haltung schafft, der es zum Erlebnis wird, daß der Mensch den großen