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Der Schützenkönig Eine Oberlausitzer Geschichte von Richard Blasius-Schandau (Schluß) Der holte ein Stück neuen Priem aus der Westentasche, schob es in den Mund und sagte dann bekümmerten Tones: „So so, hm hm. Doas ös danno a Leidn. Do ös nischt zo machn. Doas koan mer kenn iblnahm, iberhaupt wu marsch groad su zieht." Der Fremde horchte auf. „Ihnen?" dehnte er verwundert die Frage. Pilzpeppi nickte wieder wehmütig vor sich hin, wischte sich dann die Augen aus, als müsse er gegen seine Trauer ankämpfen und nahm wieder einen herzhaften Schluck. „'s ös schonn abn a Iälend of dr Walt," murmelte er ergriffen. „Was ist kenn nun das mitIhnen?" fragte neugierig derÄndere. Da holte Pilzpeppi tief Atem und sagte: „Mer redt nö garn deroon. Ieija, mit su an krank» Mensch» ös a Ioammer." „Sie und krank, so sehen Sie doch gewiß nicht aus." „Oach Gott, en Knochn leits nö. Doas sötzt tiefer ond ös gfarr- scher. Su gfarrlch, daß ees no amol es Zuchthaus komm koan derwojgn." » „Sie scherzen." „Nee nee, miär ös halt goar nö zon Spoaßn. Sitzt, wenn lech su an Loapsaak onner d Augn Krieg wie diech, danno wörd mersch su woarm en Kovp, ond iech vertroi kaum fünf Glast Bier. Ben sömfln zuckt mersch en Hänn, ond iech mutz neidreschn, ob'ch will oder nö. Na, ös doas nö a Iälend mit su aner Krankheet?" Käthe kam wieder zur Türe herein. Draußen war ein Streit fall zu schlichten gewesen. Der Winkler-Bruno und der Bischoff- Ernst halten sich gezankt, wer der Ältere sei, und da sie beide ihre Geburtsurkunden nicht einstecken hatten, keiner aber dem anderen glauben wollte, hatten sie mit der Faust den Wahrheitsbeweis antreten wollen. Da war denn der Wirt zum Schlichten gerufen worden. Der Fremde bei seinem Weine hatte es plötzlich merkwürdig eilig. „Ah, schönes Kind, zahlen, bitte!" rief er und klapperte mit dem Kneiserrand nervös an das Glas. Käthe hörte nicht. „Äh, haben Sie gehört?" „Iech hier ock, woas'ch will. Ob iech schien bien oder goarschtg, doas gieht doch Sie nischt oa. Föms Moark kriegch", war die resolute Antwort. Er bezahlte und fragte dabei leise: „Wieviel Bier hat denn der dort schon getrunken?" „A sötzt ben viertn", sagte Käthe und machte sich wieder an den Bierhähnen zu schaffen. Ob denn nun der eklige Kerl endlich gehen würde. Was hatte der sich um Pilzpeppis Bier zu kümmern? Ehe sich der Fremde erhob, begann der Alte im gemütlichsten Tone: „Du, Fremder, wetz! du o n Onnersch^ed zwöschn diär ond Mihlbauers Seppi?" Der Gefragte horchte auf. Das klang auf einmal so gemütlich. Er konnte nicht klug aus dem Alten werden. Neugierig fragte er: „Was für ein Unterschied ist denn das?" „Iech hoa ja ock gfroit, ob d'n kennst", entgegnete der Pilz peppi listig. Hm, da steckte wieder irgend eine versteckte Grobheit dahinter. Aber er war doch so neugierig, datz er „Nein" sagte. Jetzt würde er gewiß erfahren, wohin der Mann zielte. Vielleicht war es ein recht urwüchsiger Witz, mit dem er am Abende am Stammtische Ehre einlegen konnte. Aber der Pilzpeppi tat gar nicht mehr dergleichen, kümmerte sich scheinbar überhaupt nicht mehr um den Fremden und nahm einen Schluck zu sich. Dann begann wieder ein intensives Rei nigen des Bollbartes, auf den er besonders stolz zu sein schien. Den Fremden schien er völlig vergeßen zu haben. Der konnte es nicht über sich gewinnen, zu schweigen. „Was für einer ist denn da nun?" fragte er. ^„Woas?" Er tat wie geistesabwesend, der Pilzpeppi. „Oach su", meinte er dann, „du woartst no druf. Ja, iech weetz der o kenn. Amend, doatz goar kenn gibt." Hm, das hatte er sich denn doch gar zu leicht gemacht. Der Städter konnte nicht glauben, daß das alles sei. Wer weiß, was der Alte noch in seiner schwarzen Seele verbarg. Naiv fragte er, wer denn das sei, des Mühlbauers Seppl. Natürlich meinte er nicht anders, als datz es ein Knecht oder Sohn des Bauern sein müsse. Aber sofort wurde er eines Andern, wenn auch nicht eines Besseren belehrt, „n Mihlbauer sei Iäsel", sagte Pilzpeppi und schmunzelte ver gnügt ob seiner so gut an den Mann gebrachten Grobheit. Der Fremde schwieg still. Verdammt noch einmal, sich so von dem alten Kerl da an der Nase führen zu lassen. Er sann krampf haft, ob er ihm nicht gleiches mit gleichem vergelten könne, wurde aber nicht klar in sich. Seine Stammtischwitze bewegten sich alle in einer ganz anderen Richtung. Dazu lachte nun auch noch Käthe laut auf. „Ja, mit n Pilzpeppi hältn Se nö oabinn dörfn. Doas ös a goar G'rössner," sagte sie. Da rissen die Schützen den Gefoppten aus seiner Verlegenheit, die eben in das Zimmer stürmten. Wieder ein Schwenken und Vivatrufen, als gälte es dem Könige. Und so war es auch. Nur datz jetzt wieder zur Abwechselung der Kreischamwirt dran war. So ein Toben wieder, als hätten sie ihren vorigen, schnellen Absall gut machen wollen! In ihrer Mitte standen Franz, der schiefe Max und der Wirt, umheult von einer Schar, die nicht mehr ganz nüchtern sein mochte. Der Trenkler-Schuster schrie einmal über das andere: „Hoch, hoch, hoch der Liebscher-Gottfried!" Dabei hieb er mit der Rechten durch die Luft, als habe er die große Trommel vor dem Bauche hängen. Aber es erscholl kein Bumbum. Der dicke Liebscher aber schrie ungnädig: „Jähr sedd mer dö Richtgn. E enner Stand loaßt iähr glei zwee Kiench huchlabn." Aber „Vivat l och" brüllte die Schar. Und die alte Gebbert-Hanne trat aus der Küche, schwang ihren Kochlöffel und stimmte kräftig mitein. Sie wollte ihr Verbrechen vom Mittage wieder gutmachen. „Hoch der Kratschnwört!" schrie der Hauptmann, der Frinker- August, vor Durst. Das Freibier warf seine Schatten voraus. Und der Gottfried Liebscher hatte auch den Braten schon ge rochen. Das Gebrülls war nicht ganz echt. Wurde es einerseits vom dösen Gewissen diktiert, so war es andrerseits nur der Aus blick auf allerhand Magengenüsse, der den Lärm verursachte. „Euch ös wühl bannd öms Freibier ond öm n Peeklbroatn", meinte der Wirt. Da klopfte ihm einer energisch inmitten allen Radaus auf die Schuller. Als er sich umdrehte, schaute er dem Rieger-Franz in die lachenden Augen. Ach so, nun kam wohl der noch und wollte ihm beim Wort nehmen. So wars auch. „Dö Kienchsschärp hoach der derschossn. Aber wie stiehts n nu mit der Kath?" fragte er leise. Liebscher sah ihn grimmig an, so ein verflixter Halunke. „Ommer no off zwee Benn," sagte er grob. Der Krawall begann sich etwas zu legen. Einzelne gingen wieder hinaus zu ihrem Bier. Da erhob sich der Fremde und stelzte mit komischer Würde auf den Wirt zu. Jetzt war er sich im Klaren, was er hier zu tun hatte, um seine beleidigte Ehre wieder herzustellen. „Nun weiß ich ja, an wen ich mich zu halten habe. An Sie Herr Wirt." Da stieg dem Gottfried wieder das Blut in den Kopf. Herrgott, wie lange wollte ihm denn eigentlich der Kerl da noch auf dem Halse sitzen. „Iech bien doach kee Loatarnpfoahl", erwiderte er grob. „Sie sind als König der Repräsentant Ihres Vereins. Sie mache ich verantwortlich für die Flegelei, mit der man mir hier begegnet ist. O, ich werde einen geharnischten Artikel im er Tageblatt loslaffen. Dem Publikum soll ein Licht über die Un-