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gleich, so dürfte sie doch einer reichen Boqelfauna zum Nah rungserwerb genügt haben, sicher auch einem Teil jener Arten, die wir heute als abhängig von der Kultursteppe betrachten. Zu diesen Arten gehört auch der weiße Storch. Er mag, be vor er sich dem Menschen anschloß, in weit geringerer Zahl als gegenwärtig in Mitteleuropa vorqekommen sein; viel leicht hat er damals noch mit dem heute bei uns fast aus. gerotteten schwarzen Storch in Nahrunqskonkurrenz gelebt, dem er an Zahl wohl annähernd gleich kam und dessen Lebensweise er damals vielleicht teilte. Als der Mensch sich dann fest ansiedelte. Acker- und Wiesenbau in größerem Um fange betrieb, den Wald mehr und mehr rodete, da wird der Storch, wie so viele andere Vögel, sich immer mehr dem Menschen angeschlossen haben. In ihm lernen wir einen typischen Külturfolger kennen und wir können annehmen, daß sein Bestand im Vergleich zu demjenigen der prä historischen Zeit eine wesentliche Erhöhung erfahren hat. Unser Storch aehört ja zu den Vögeln, die in doppelter Hin sicht an den Menschen gebunden sind, und zwar bezüglich seines Nahrunqserwerbs an die Kultursteppe, hinsichtlich des Nestbaues an die Bauwerke. Wir haben bei dem Storch den ungewöhnlichen Fall, daß ein ursprünglicherBaumbrüter zum Hausbrüter geworden ist. Übrigens hat er seine ur sprüngliche Nistweise noch nicht aufgegeben; es kommt noch oft vor, daß er sein Nest auf Bäumen errichtet. Während der Storch in früherer Zeit vielleicht auch einmal in Ostsachsen gelegentlich in kleineren Kolonien gebrütet haben mag, so kennen ihn alle späteren Beobachter nur noch als Einzelbrüter Allerdings scheint er von Natur aus sehr zur Koloniebildung zu neigen, lediglich der erschwerte Nah- runqserwerb dürfte der Grund sein, daß gegenwärtig die Störche, wenigstens in Deutschland, einzeln nisten, aber es gab auch früher bei uns Kolonien, so erwähnt E. F. v. Ho- meyer eine Storchkolonie in einem Eichenwald zwischen Demmin und Greifswald mit ungefähr 50 Nestern, die noch bis Ende der 70er Jahre bestanden haben soll, auch Tobias berichtet von einer Brutkolonie aus der Gegend von Neusalz (Schlesien). Heute kennen wir den Storch als Koloniebrüter aus Ungarn. Möglicherweise können wir aber annehmen, daß das Kolonieweise Brüten das Ursprüngliche war, wie es heute noch beim Fischreiher der Fall ist, nebenher hat er vielleicht auch noch oft genug in einzelnen Paaren gebrütet. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war der Storch in Ost sachsen offenbar eine häufige Erscheinung, aber schon um die Mitte des vorigen Jahrhunderts macht sich eine Abnahme bemerkbar. Eingehende Aufzeichnungen über die Verbreitung unseres Storches in Ostsachsen in früherer Zeit fehlen gänz lich. Die ersten, für die meisten Gegenden allerdings unvoll ständigen Nachrichten darüber sins) in den 1885 bis 1894 erschienenen Jahresberichten der ornithologischen Beobach- tungsstationeu im Königreich Sachsen niedergelegt. Auch ältere Beobachter wie v. Uechtritz, Robert Tobias und William Baer beschränken sich nur mit der Anführung der Nistorte und einigen allgemeinen Angaben über die Verbreitung. Die in diesen Arbeiten enthaltenen Angaben reichen aber schon aus, um im Vergleich mit dem heutigen Bestand eine außerordentlich starke Äbnahme feststellen zu können. Heyder stellte 1906 für Westsachsen noch 10 besetzte Horste fest und Klengel fand in diesem Gebiete 1916, also nur 10 Jahre später, nur noch 1 besetztes und kein einziges unbesetztes Nest vor. Ähnlich sieht es in Ostsachsen aus: In der Amts- hauptmannschast Großenhain befanden sich 28 Nester, von denen aber 1916 nach den Feststellungen Klenaels nur noch 5 Nester besetzt waren. Auch im übrigen Ostsachlen olnq die Abnahme in ähnlicher Weise vor fick; von den 58 Nestern, die Ich ermitteln konnte, waren dieses Jahr noch 11 mit Brutpaaren besetzt. Die Brutale sind folgende: In der Amtshauptmannschaft Kamenz: Weißiq, Döbra, Großarabe und Schiedel; in der Amtshauptmannschaft Bautzen sind es: Krinitz. Lomske, Wessel, Commerau a. d. Spree, Klix, Malsch witz und Niedergurig. Von den in den Amtshanptmannschaften Bautzen und Kamenz stehenden besetzten Storcknestern stehen augenblick lich alle bis auf das in Malschwitz auf Gebäuden; jedoch konnte ich feststellen, daß das jetzige Brüten auf Bäumen zum guten Teil ans ein Zutun des Menschen zurückzuführen ist. Auch das Nest in Malschwitz stand früher auf einer Scheune und befindet sich erst seit 1918, als diese Scheune abgebrochen werden mußte, auf einer alten Linde. Auch die früher besetzt gewesenen Horste standen überwiegend auf Gebäuden, nur wenige auf Bäumen (52:6). Etwas anders gestaltet sich das Verhältnis von Baum- und Gebäudenestern in der Amtshauptmannschaft Großenhain, hier stand fast die Hälfte der Nester auf Bäumen (18:10). Unter den Baumarten, auf denen der Storch in Ostsachsen sein Nest errichtet, stehen Pavpel und Eiche an erster Stelle; fast gleichhäufiq stand das Nest auf Linden. Erst in einigem Abstand folgen Ulme, Birnbaum und Weide. Den Übergang von Baum- zum Hausbrüter denkt sich Schnurre in folgender Weise erfolgt: Zunächst besiedelten einige Paare die um ein Gehöft isoliert stehenden Bäume, wie wir auch noch jetzt gerade auf solchen Bäumen, die ja von altersher um Gehöfte herum stehen gelassen wurden, häufig genug Storchnester antreffen. Der Grund, weshalb gerade diese isolierten Bäume bevorzugt wurden, liegt wohl in der unmittelbar darangrenzenden Kulturstevpe. Wurden solche Bäume nun einmal gefällt, so ist der Übergang zum Hausbrüter nur ein kleiner Schritt. Der Storch hat sich dann an den Menschen und sein Treiben gewöhnt, er wird ferner den freien Überblick und den bequemen Abflug aufs Feld nicht wieder missen wollen und so leicht nicht in den Wald zurückkehren; das Errichten seines Horstes auf dem Hausdach ist in dem.Falle für ihn etwas sehr Naheliegendes und seine Jungen werden diese Nistweise ohne weiteres bei behalten. Ein weiterer Schritt ist dann die Besiedlung ein zelner Häuser innerhalb von Ortschaften, wie wir es heute gewöhnt sind. Daneben sind aber noch alle erwähnten Über gänge zu finden. Es gibt also unter den Baumbrütern Ost sachsens neben solchen, die ihren ererbten Brutinstinkt be wahrt haben, auch eine Anzahl Brutpaare, die erst sekundär wieder zur Nistweise ihrer Vorfahren zurückgekehrt sind. Trotz des Rückganges der Störche zeigt uns jetzt die Karte noch annähernd das Bild der ursprünglichen Verteilung: Das Brutgebiet beschränkt sich ausschließlich auf den im Norden des Gebietes gelegenen Tieflandsstreifen, der süd liche Teil Ostsachsens wird wohl auch früher den Storch nur in seltenen Fällen als Brutoogel beherbergt haben. Dieselbe Feststellung machte Heyder, er schreibt in seinen Nachträgen zur „Ornis Zgxonion": „Bon Interesse ist die Erscheinung, daß der Storch am ehesten der höher gelegenen und bergigen Striche seines Brutgebietes verlustig gegangen ist und sich bis heute nur noch in der Niederung, die er wohl von jeher dichter besiedelte als jene, halten konnte." Tat sächlich finden wir heute auch den größten Teil der noch be setzten sowie der erst vor kurzem verlassenen Nester in den