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Da aber fuhr ihn der Städter barsch an. „Entschuldigen? Nein, das tue ich prinzipiell nicht, prin—zi— pi—ell nicht. Aber etwas Anderes werde ich tun. Einen Artikel werde ich in der Xer Tageszeitung bringen, daß auch die breite Öffentlichkeit erfährt, wie hier „Deleschierte" eines Brudervereins empfangen werden. Wer ist hier Vertreter der Schützengilde nach außen? Der dort hat auch dahinter gesteckt, der Wcißbart." Der Pilzpeppi sah den Sprecher erstaunt an, als habe der pol. nisch geredet. Sein Gesicht sah aus wie das eines unschuldigen, neugeborenen Kindes. „Woas? Iech soll derhinner gstackt hoan? Doas gleebst doch wühl falber nö", sagte er mit dem bekannten Brusttöne tiefster Überzeugung. Aber der Fremde war nicht irre zu machen. Ich werde Sie vor das Gericht zitieren," krähte er erregt. Pilzpeppi schüttelte mit dem Kopfe und sah dem Städter mit zweifelndem Ausdrucke in das Antlitz, als halte er ihn direkt für übergeschnappt. „Iech wößt nö, waswajgn," sagte er gleichgültig. Der Fremde hatte wieder seinen Kneifer auf die Nase gesteckt und musterte den Alten hochmütig. „Ein paar Märker werden Sie dann schon leichter werden," sagte er spöttisch voll Genug tuung. Pilzpeppi setzte sich auf einen Stuhl, lachte aus vollem Halse und schlug sich vor Entzücken auf die Oberschenkel. „Iech a paar Moark leckster warn? Doas ös a Spoaß. Iech hoa ju iberhaupt kee Geld ne." „Dann wird man Sie eben einsperren", schrillte die Diskant- stimme höhnisch. Mit dem Alten wollte der Herr Delegierte nichts weiter zu tun haben. Er wandte sich wieder an den Wirt und fragte zum zweiten Male: „Also wer ist der Vertreter?" Gottfried Liebscher kratzte sich hinter den Ohren. Vertreter, ja das war so eine Sache. „Hm hm," machte er, „Vertreter, doas ös su ein sonderbares Ding bei uns. Einen richtigen Vorstand haben wir überhaupt nicht oder wingstns jedes Iuhr einen andern. Dr oberste Moan ös ömmer dr Schützenkönig." So war es auch in der Tat. Der Tanngrüner Schützenverein hatte eben seine Eigentümlichkeiten. Wozu denn groß einen Vor stand, war ja Unsinn, hatte es nicht seine volle Berechtigung, daß der König eben auch regieren mutzte. „Wer ist das?" examinierte der Beharrliche den Wirt weiter. Draußen fiel wieder einmal nach langer Pause ein Schuß. „Jetzt Ham wer noch keen. Doas wörd orscht" meinte Gottfried. Da erhob sich vor dem Hause ein Rufen. „Gottfried, Wört, Kratschnwörl". „Nu ja, woas? Iech komm schonn?, schrie Liebscher zum Fenster hinaus. Gott sei Dank, daß er aus der Zwickmühle fortkam. „Entschuldign Se, iech komm glei wieder," sagte er, und hinaus war er. Der Fremde setzte sich und sah vor sich hin. Manchmal warf er einen Blick zu dem Alten hin, der sich auf eine Bank an der Wand gesetzt hatte. Hm, den hatte er zahm bekommen. Die Furcht des Dörflers vor den Schranken des Gerichts kannte er. Hm, da stand ja auch noch sein Wein. Er schenkte sich sein Glas voll und trank langsam. Allmählich wurde es ihm langweilig. Ob jetzt der Alte eher zu sprechen war, sicher. Er wandte sich zu ihm und begann: „Ah, sagen Sie mal, Alter, hier gelsts wohl immer so n bißchen roh zu?'i Da kam die Käthe eben wieder einmal herein, in jeder Hand fünf leere Gläser. Der Pilzpeppi hörte gar nicht auf des Fremden Worte, trom- melle nur mit seinem Glas auf den Tisch und rief: „Kath, no a Bier breng mer halt!" Dem Fremden wollte er schon jetzt die Wege weisen. Wenn der wirklich die Absicht hatte, ihn in die Stadt hinein vor den Richter zu bringen, dann sollte es wenigstens nicht um das Leere sein. Er hatte sichs fest vorgenommen, den ekligen Kerl da wollte er hinausekeln, aber schlau, sodaß der ihm nichts anhaben konnte. Wollen ja sehen, wer schlauer ist, du oder der alte Pilzpeppi. Der Fremde äugte wieder begehrlich nach dem Mädchen hinter dem Schanktische, getraute sich aber doch nicht mehr an sie heran. Dieses Kind war doch von gar zu robuster Gesundheit. Äh, schon mehr unästethisch, dieser gesundheitstrotzende Körper. Damit tröstete er sich und fragte den Alten wieder: „Nicht wahr, lieber Mann?" Der Gefragte rückte sich zurecht, sah dem Frager giftig in die Augen und meinte mürrisch: „Meenst miech?" Seine Rechte trommelte auf der Tischplatte, als begänne er nervös zu werden. Dabei war er aber innerlich die Ruhe selbst. Wozu sollte er sich auch dieser Bohnenstange wegen erst aufregen. Mit der wurde man auf ganz andere Art fertig. Ah, so richtig gezähmt war der also noch nicht. Da hieß es vor sichtig sein. So Halbwilde darf man nicht reizen. Man macht die Meute nicht auf seine Überlegenheit aufmerksam. Das ist un diplomatisch. „Wen denn sonst", sagte er gleichgültigen Tones. Da warf sich der Pilzpeppi in die Brust, strich sich mit gravi tätischer Geste seinen weißen Bart und versetzte stolz: „Iech bien der Herr Steiner, doß ds meßt." Die Käthe holte sein Bierglas weg und ging hinter den Schank tisch, es wieder zu füllen. Der Pilzpeppi guckte giftig nach dem Fremden, spie seinen Priem in weitem Bogen durch die Stube und knurrte dann grimmig: „Also wie woar doas? Sötzn muß iech?" Aha, davor hatte der Grobian also doch Furcht. Der Städter lachte befriedigt. Den mußte er da noch eine Weile zappeln lassen, das war auch ein Vergnügen. „Na, das tut ja nicht weh", sagte er spöttisch. Käthe hatte das volle Glas vor den Alten gesetzt. Da dachte der Fremde, daß es bester sei, den Alten nicht von neuem gegen sich aufzubringen und gönnerhaften Tones sagte er zu Käthe: „Das Glas bezahle ich dem Herrn Steiner." Aber da kam er schön an. „Mei Bier bzoahl iech falber", knurrte Pilzpeppi und schaute so von der Seite, daß fast nur das Weiße in seinen Augen erglänzte. Käthe kümmerte sich nicht weiter um die Beiden. Sie ging wieder hinaus. Dort wurde sie notwendiger gebraucht. Zehn volle Gläser hielt sie vor sich hin. Der Städter konnte nicht umhin, wieder laut aufzulachen. Nein, dieser Mann dort, das war ja ein köstliches Original. Den hätte er nur einen Abend mal eine Stunde lang an dem Stammtisch im „Ratskeller" mithaben wollen. Das hätte wohl einen Heidenspaß gegeben. Pilzpeppi tat einen langen Zug, wischte sich dann den Bart trocken und guckte scheel nach dem Lacher. Was hatte der denn da wieder zu wiehern? Machte er sich etwa über ihn lustig. Er be gann jetzt in vollem Ernste eine rechtschaffene Wut auf den Mann zu bekommen. „Wenn du noch lang lachst, danno ös doas an Beleidigung fer miech," fuhr er ihn an. Aber der lachte noch immer. Wer wollte ihm denn das verbieten? Wäre ja noch schöner geipesen. Doch er lenkte ein. Der Mann sah wirklich nicht ungefährlich aus. Puh, diese Hände, nein, Tatzen waren das, barbarische Tatzen eines Urmenschen. Dieser Bart, wie ein haariges Ungetüm ließ er seinen Träger erscheinen. Mit dem mußte man sich wirklich gut stellen. Bester war besser. „Beleidigung? Aber keine Spur, Herr Steiner, das ist vielmehr mein Erbfehler", suchte er zu begütigen. „So so, a Erbfehler", murmelte Pilzpeppi und schielte miß trauisch nach dem Fremden, „a Erbfehler, ja su woas koan vir- komm. 's zieht n Menschn wie n Leutn." Aber den Andern stach schon wieder der Hafer. Er konnte seine spitze Zunge nicht meistern, auch nicht auf die Gefahr hin, den Mann gegen sich aufzuhetzen. Er lachte wieder hell auf und er klärte dann lachenden Tones: „Ja, das ist nun eben mein Schick sal. Wenn ich so einen Menschen wie Eie sehe, dann muß ich lachen, ob ich will oder nicht. Ich muß eben lachen. Hahahahaha." Pilzpeppi starrte melancholisch in sein Glas, nickte traurig mit dem Kopfe und sah dann den Erblichbelasteten mitleidig an. Dann nahm er einen tiefen Schluck, nickte wieder tiefsinnig vor sich hin und betrachtete den Fremden wieder so voll innerem Mit gefühls, daß der verwundert dachte, was denn nun jetzt mit dem Alten los sei. (Schluß folgt.)