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Da durch den 30 jährigen Krieg, der ein bedeutendes Fallen des Geldes in seinem Werte mit sich brachte, auch die Zahl der Armen wuchs, so mußte der Gotteskasten auch solchen Bedürftigen seine Hilfe angedeihen lassen, die nicht zum Kasten angenommen waren. Als Austeiletag wählte man den Sonntag, als Platz die Kirche zu St. Johannis. So erhielt beispielsweise eine abgebrannte Frau von Greifen berg 10 Gr. 2 Pf., am 12. Juli gab man „des Tischlers Jungen, so er hat wollen ins warme Bad ziehen", 30 Gr. 6 Pf., einem „armen studiosen" überwies man 38 Gr. 4 Pf., einem „armen Pfarrherren" 2 Engelstaler und einem „frömbden Exulanten" 30 Groschen. Am anziehendsten aber ist es, zu verfolgen, welchen Bür gern aus dem Kastenvermögen gegen Zinsen Geldbeihilfen gewährt und zu welchen Zwecken diese beansprucht wurden. Meist waren es Handwerker, die um ein kleines Kapital baten. Zu welchen Zwecken, sollen uns ein paar Beispiele zeigen. M 7: „Marx fuchs (d. i. Marcus) der tischer off der Besen gassen ich als er sein hewsel zu bawen angefangen vnd nicht hat vorbrengen können, Hot ehr die vorweser gemeynes Kastens durch Fabian czyrolt vmb hulffe angeruffen vi (6) schog zu leyhen freitages noch Bartholomei ym 44sten <1544)." In Anbetracht seiner Armut trug denn auch die Stiftungs verwaltung keine Bedenken, ihm seinen Wunsch gegenBürgen- stellung zu erfüllen und ihm die erbetenen 6 Schock sogar zinslos zu überreichen. M 1: „1538 Margreten Croschin vff dem Steinwege vorm frauenthor wonhafftig dormit sie sampt iren Kindern nicht aus iren garten gestossen würde, sein sünff zittische marg am freitag nach Walpurgis gelien worden." Wahrscheinlich hatte sie Erbegelder zu bezahlen, und da sie die nötige Summe nicht aufbringen konnte, sollte sie ihr Besitztum an ihre Gläubiger verlieren. Nahe mit diesen beiden Beispielen verwandt ist M 9: „Merten Reicheln dem glögner haben wir zur kauffung seines guttes 4 marg zittisch gelien freitages nach Iudica ym 50sten." KI. 123a: „Zu abstattung des Vatterteils Marlin Müllers yres stiffsones ist der frauen Vrsulae Thomas Müllerin auf der Helwigsgassen I?) gelihen worden funff zitt. marck ym 1564'h Iare, den 14 Octobris." Dieses Darlehn war mit 14 Gr. jährlich zu verzinsen---5 o/o. „Der alten thomassin off der Newstadt inn wynckel feind IUI (4) thaler gelien worden zu irem brawen (brauen) am freitags vor Balentini Anno XXllsten (1531)." Die „alte thomassin" besaß demnach einen Bierhof auf der Neustadt, auf dem sie das Recht, Bier zu brauen, besaß. 1531 fehlte es ihr dazu offensichtlich an Geld — wir würden heute sagen, an Betriebskapital, — weshalb sie sich von der Kastenoerwaltung ein Darlehn von4Talern vorschießen ließ. „George Newman sein gelien worden VIII Gr. zum be- grebnus margretha behnischin." Es wäre zwecklos, eine noch ausführlichere Aufzählung zu geben. Wenn ein Bürger in irgend einer Beziehung in Not geriet, wenn er seine Erbegelder an seinen Gläubiger nicht bezahlen konnte, wenn er Holz kaufen oder brauen wollte und doch das genügende Geld nicht besaß, so fand er bei den Kastenherren gegen gute Sicherheit stets Gehör; sie waren bestrebt, das Zittauer Handwerk durch Darlehn zu erhalten und in seiner Entwickelung zu fördern, so daß sich der Gotteskasten immer mehr zu einer Einrichtung ent wickelte, wo man sich allezeit Rat und Hilfe holen konnte. Ich habe bisher kein Gewicht darauf gelegt, den Leser mit den zahlreichen, namentlich erwähnten Personen meiner Ar beit näher bekannt zu machen und Nachrichten über ihr Leben und Wirken anzufllhren; ich möchte dies jedoch kurz vor Schluß meiner Ausführungen im Zusammenhänge nachholen und lasse mich dabei von folgenden Gesichtspunkten leiten: Einmal behandele ich nur die wichtigsten, und auch sie mög lichst kurz, soweit uns Carpzow und Pescheck in ihren Stadt geschichten schon ausführliche Nachrichten hinterlassen habe». Wo aber solche fehlen, habe ich auch die kleinste Bemerkung aus K. I und NR. herausgelesen — nur aus diesen beiden, da ich über den Rahmen dieser zwei Handschriften nicht hinausgehen wollte. Johann von Huberg oder Hoberg, Kastenherr und seit 1551 regierender Bürgermeister, war verheiratet mit „Catharina Eberhartin", die gemäß K. I fol. 191 a dem gemeinen Kasten als Witfrau — Hans von Huberg verstarb 1559 — am 29. Januar 1561 die Summe von 10 zitt. Mark beschied, „welche sollen gehaben werden auff dem Hause am ringe, das yetzo Helias Thirold ym besitz hat." Der Kastenherr Franz Stolle ist wohl gleichbedeutend mit dem Franz Stolle, von dem 1520 in der Kirchrechnung von Kleinschönau die Rede ist. Dort heißt es unter den Aus gaben des Jahres 1520: „Item noch dem torm (ne. Kirchturm) bawen geczewget II glücken: Dy irste glacke steet zwe vnde sebeczigk schogk." „Item dy ander glagke stet fünf vnde funsczigk schogk: Dy selbigen II glücken seyn wol beczalt dem kannegysser in der webergasße als nemelichen msyster Francze Stollen. In einem iore beyde wol beczalt vnde ym nischten schuldigk bleben seyn." Franz Stolle scheint ein Nachkomme des gleichnamigen Kannengießers zu sein, der 1435 eine der 4 Glocken zu dem Geläute derIohanniskirchegoß (GurlittXXX, S.7, Zeile 1). Bemerkenswert ist in der eben angeführten Quellenstelle die Ausdrucksweise „Glocken zeugen" statt „Glocken gießen". Die Glocke wird gewissermaßen personifiziert und dem Menschen an die Seite gestellt. Das wird noch deutlicher, wenn wir bedenken, daß wir auch heute noch von „Glocken taufe" und von „Glockenspeise" sprechen. Uber den Kastenherren Palten Müller lesen wir im NR. unter M 7: „Frau Margreta nachgelassene Her Balten Müllers wit- frau hat gegeben II marg zittisch freitages post galli ym 50sten (1550)." Cölestinus Hennig war seit 1548 im Rate, verwaltete von 1557—1560 das Amt eines Sladtrichters und starb als regierender Bürgermeister am 10. April 1567. Als er seine Acker auf dem Eckartsberge kaufte, lieh ihm der Gottes kasten 30 Taler, „welche er zugesagett hat wider zu geben, wenn sie die armen bedllrffend sind." Außerdem ist er nach K. I fol. 124u in den Kasten noch schuldig 5 Scheffel Korn, den Scheffel zu 44 Gr. gerechnet; auch diese Summe von zu sammen 3 Schock polnischer Groschen will er zurückzahlen, wenn der Gotteskasten das Geld braucht. Daraufhin trug seine Witwe Dorothea am 2. Mai 1568 in Gegenwart ihres Schwiegersohnes Bartholomäus Schley 10 zitt. Mark ab und erlegte den Rest von 36 zitt. Mark am 20. Juni 1568. Hieronimus Zimmer. Dieser Kastenherr lieh gemäß Ein tragung in K. I fol. 116 aus dem Stiftungsvermögen 20 zitt. Mark zu Pfingsten 1560. Der Zinsfuß betrug 5°/„ 1 zitt. Mark. „Bnd halt die Hauptsumma erleget 1583,"