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der Tumult aber trotzdem. Er setzte sich in seinen Schmollwinkel auf das Ledersofa hinten in dem düsteren Winkel hinter dem Ofen, der die Hölle hieß. Und eine Höllenstimmung lag auch in seiner Seele. Er spuckte verächtlich aus. „Ein iälender Loappen ös a, ein niederträchtger." Käthe war eben mit leeren Gläsern hereingekommen und wußte gar gut, wem der Ausspruch galt. Und sie wußte auch, wie der Vater zu Kriegen war. Da mußte man ihm zum Scheine dagegen sprechen. Das bestärkte ihn dann immer mehr, wie das bei Eigen sinnigen so zu sein pflegt. „E, dies ock ruhg!" besänftigte sie scheinbar den Vater. „Wenn a orscht wörd dei Schwiegersuhn sein, do wörds schonn annersch." „Dar, dar ond annersch warn? War su vuhler Busheet steckt wie dar, dar wörd nö annerscher, iberhaupt, wenn a oh no tut, oas wenn a nö bis drei ziähin kennt. Doas sein schonn die Richtgn." Er warf sich in seiner Ecke zurecht, daß das altersschwache Sofa laut ausstöhnte. Käthe hatte jetzt nicht viel Zeit, mit ihm zu reden. Sie ließ das Bier einlaufen und schaffte die vollen Gläser hinaus. „'s zoigt Blosn," flüsterte sie dem Pilzpeppt rasch zu und kam wieder mit leeren Gläsern herein. Hu, wie er dortsaß, der Vater, als brüte er über Mord und Totschlag. „Tu dch ock nö orscht su driber dergiehn!" sagte sie sanft, „su schlömm ös doach goar nö." Das hatte gesessen. Wie ein Gummiball sprang er in die Höhe und rannte voll Wut in der Stube hin und her. Käthe ließ wieder Bier ein. Da blieb er am Schanktische stehen, hieb beide Fäuste auf den und schrie: „Woas, du stiehst wühl ern goar of dassn senner Seit? Doas Hot ock groad no gfahlt. Naus mit diär! Iech will dch goar nömie sahn." Käthe trug gelassen die gefüllten Gläser hinaus und sagte: „Uf dann senner Seit flieh iech ne. Iech weeß, doß'ch zon Boater ghier. Aber rei komm muß'ch o wieder. War solln sonst 's Bier aus- schänkn?" Gottfried Liebscher setzte sich wieder in seine Ecke. So eine Blamage, eine miserable. Da war erst der Städter mit dem goldenen Nagel. Wer hatte de» verscheucht? Dieser sau- dumme Kerl vom Löfflerbauer. Jetzt fiel ihm auch die unbezahlte Flasche Wein ein. Daran war der Esel auch schuld. Aber nun das Mißgeschick mit der Königswürde! Er hätte sich die Haare einzeln ausraufen können, wenn noch welche zu diesem Ber- zweiflungsakte dagewesen wären. Aber sein Kopf glänzte wie eine Billardkugel. Sich so zu blamieren. Er wußte, das würde nun auf Wochen das Klatschbedürfnis der ganzen Umgegend von Tanngrün befriedigen, das Geschichtlein, wie der Gottfried Lieb scher sich den Schützenkönig eingebildet hatte und nicht geworden war. Nein, und den zum Schwiegersöhne? Hm, der mochte sich nur eine suchen, wo er wollte, aber nicht im Tanngrüner Kretscham. Während er so vor sich hinbrütete, war der Pilzpeppi auf den Schießstand gelaufen und hatte dem Rieger-Franz einige Minuten lang in das Ohr geflüstert. Das hatte zur Folge gehabt, daß der Bursche sich schleunigst auf die Sohlen gemacht hatte, und jetzt guckte er quietschfidel zum Höllfenster herein, vorsichtig vor der Hand, um das Terrain zu studieren. Hm, das Gesicht des Kretschamwirtes sah nicht gut aus. Man sah es ihm an, wie er sich fuchste. Da lehnte sich Franz voll in das offene Fenster, das nach hinten hinausging, nach der Festwiese zu. „Gun Tag, Herr Liebscher, a schienes Gsicht ziehn Sie nö grob. Wenns on Himml ständ, do tiätch heute trotz der Körms 's Heu eifoahrn." Der Dicke schaute grimmig nach dem Sprecher. Nun der auch wieder. Was hatte der wieder hier zu suchen. Mochte er sich doch sonst wohin scheren. „Du host mer groad no gfahlt," knurrte er ihn an. Doch Franz ließ sich nicht so. leicht einschüchtern, erstens war er gar nicht schüchtern, und zweitens ging es jetzt um einen hohen Preis. Da durste man nicht empfindlich sein. „Do ös ja gutt, doaß'ch do bien," erwiderte er trocken. Der Wirt hatte den Streit mit Franz Rieger schon wieder ver gessen. Das lag ja weit hinter ihm. Seitdem hatte die Welt geschichte andere bedeutende Dinge aufs Tapet gebracht. Sein Kopf steckte nur voll Ärgers über die entgangene Schützenkönig würde. „Böst o a schien» Schötz. Schissn kannst wie a Teifl, ond do läßt su an Oaffn n Kienchsschuß." Er fauchte grimmig wie ein böser Kater. Franz zog ein gleichgültiges Gesicht. „Nu, woaröm soll'ch denn nö?" fragte er, als habe er nicht das geringste Interesse daran, wer König werde und wer nicht. Dieser Gleichmut des Anderen regte natürlich den Zornigen noch mehr auf. Er stand auf und spazierte wieder hin und her. Ihm war es überall zu eng. „Woaröm d's nö leid» sollst? Ond do froist orscht no? Weils an Schänd ös, wenn a ahles Weib Kiench wörd. Ond woas ös'n dr Max annersch oas a ahles Weib?" Franz lachte in sich hinein. So weit war es also hier schon ge diehen. Das ließ sich hören. Aber er mußte den Dicken noch ein bißl zappeln lassen. „Tun Sech ock dastwajgn nö su dereschpern!" sagte er ruhig. Das war aber schon zu viel gesagt. „Zon Geier ock o, iech ond miech dereschpern? Fällt mer goar nö ei. Su Komm mißtch o no derzu sein. Kee bößl tu ch miech der eschpern. Ver miär koan a dö Foahn mit zoamtchr Foahnstang verschluckn, dar Lefflerjong. Miär solls egoal sein." Wieder nahm er seinen Dauerlauf von einer Wand zur andern aus. Franz lachte laut auf. „Nu nee, doaß zieht schonn nö. Doderzu macht der Leffler-Max an villzo krumm Buckl, oas doß a die neikriggt. Do mißt sö orscht gboin warn." Er fühlte sich ganz gemütlich bei seiner Unterredung mit dem kollernden Truthahne. Das ging ja alles wie am Schnürchen. Der Wirt schimpfte immer weiter. Daß er sich dadurch bloß- stellte und viel zu sehr merken ließ, wie er sich ärgerte, fiel ihm in der Erregung gar nicht ein. „Dos kömmt deroohn, doaß sö doas oalberne Fer an annern Schissn wieder ufgbrocht hoan. Oas wenn do an Ihr derbei wär, wenn der Bäck fern Leffler schoißt. Pfui Teifl namo!" Er war springgiftig geworden, je mehr er sich in seksten Zorn hineinredete.So ein Schießen war schon manchmal schöner gewesen. Franz strich sich seinen blonden Bart und sagte zögernd: „O, iech wöbt schonn woas. Ötz ös dr Max no lang nö Kiench. Iech hoa ju no goar nö gschoffn, ond iech wollt o no nö schissn. Aber 's ging o annersch zo machn." „Woas? Du host no nö gschoffn? Do koan ju oalls no annersch warn," schrie er auf und hielt inne in seiner Wanderung. „Freilich, wenn iech schiß, aber iech weeß no nö, ob'ch schissn war," erwiderte Franz gleichgültig. „Du mußt schissn," rief der Wirt. „Hm, miär fällt woas ei. Komm Se ock har! Doas muß leis gredt warn. Zo hiern brauchts Kees," sagte Franz geheimnisvoll. Jetzt mußte es sich entscheiden. Uber das Gesicht des dicken Wirtes flog ein Hoffnungsschimmer. Am Ende war es doch noch möglich, sich aus dieser unangenehmen Situation zu winden. Er zappelte aufgeregt mit Händen und Füßen und rief dem Burschen zu, er sei zu allem fähig, wenn es nur dem Lappen, dem Leffler, an den Kragen gehe. „Komm rei, aber hurtg l" schrie er zum Fenster hinaus. Das hatte Franz bloß hören wollen. Im Augenblicke war das Fenster leer. Er sprang leichtfüßig über den Hof, um die Wagen- remise, huschte zur Hintertür in das Haus und trat mit einem übermütigen „Juhu". Schrei in die Wirtsstube. „Hiel doch 's Maul! Missns denn voll hiern, wenn miär woas minanner briädn?" brummte Gottfried unwillig. Franz ließ sich auf einen Stuhl fallen, lachte, was er nur konnte und rief: „Na, Kratschnwört, iech dank o schien fer Jähr Eiloadgt. Su hurtg hättch mersch bahl falber nö gdocht. Wenn koan dn nu dö Huchst sei?" Erstaunt hörte Liebscher-Gottfried dem Burschen zu. Nanu, was wollte der? Aber schnell dämmerte es in ihm. Verdammt,