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Der Schützenkönig Eine Oberlausitzer Geschichte von Richard Blasius-Schandau (Fortsetzung) „Der Schorch is Kiench gwurn und dr Kratschnwört well de Saubunn hoan." Dem Wirt schoß eine rote Welle des Ärgers in das Gesicht. Die Dummheit war doch wirklich größer, als die Polizei es er- tauben durfte. Naja, heutzutage, wo die eben nichts mehr zu sagen hat. „Dommer Jong, du böst ju ibersch Kreuz oalbern," schrie er ihn an. Der stellte sich sehr erschrocken, tat einen Satz rückwärts, um außerhalb der Gewittersphäre zu kommen, und stotterte dann, als wisie er in seiner Furcht gar nicht mehr, was er sagte: „Nee, nee. Dö Saubunn sein Kiench gwurn ond ... ond... der Wärt..." Wütend drang Liebscher auf ihn ein. Daß das jetzt nicht mehr bloße Dummheit war, erkannte er. Alle um ihn herum lachten. Das regte ihn erst recht auf. „Oalbernes Luder," schrie er. Der Junge lief um den runden Tisch in der Mitte. „Nee, nee," schrie er wieder „ötze weeß'ch's, dö Bunn seinKiench gwurn ond n Schorch sein Sau o ond " „Himmelhund verdoamntter!" Und wirklich, er hatte ihn erwischt, der dicke Liebscher. Derb schüttelte er ihn hin und her, daß einem andern wohl Hören und Sehen vergangen wäre. Aber der Junge hatte Zähigkeit. „Nee nee nee," schrie er, „der Schorsch soll dö B.unn schickn, ond dr, dr Wört ös an Sau gwurn." Das aber machte das Faß zum Überlaufen. „Woas, du mise- roables Oos?" Der Wirt schüttelte ihn noch einige Male hin und her, legte dann den sich heftig Sträubenden über das Knie und bearbeitete seine Kehrseite mit klatschenden Hieben. Das Gelächter der Umstehenden spornte ihn zu immer intensiverer Tätigkeit an. Aber auch jetzt noch nicht verlor der Junge den Humor. Zwar heulte er hin und wieder laut auf, wenn ein Schlag besonders gut gesessen hatte, aber gleich darauf grinste er auch wieder über das ganze Gesicht und steckte die Zunge heraus. „Es läbe dr Keenig, es läbe dr Keenig!" schrie er dabei. „Au au, es läbe dr Keenig!" Der Pilzpeppi hielt sich den Bauch vor Lachen. Nein, war das halt wieder einmal ein Spaß. „Hurra, dr Kiench fängt oa zo regier»," schrie er und lachte, daß die Fenster dröhnten. Die Schützen von Tanngrün stimmten mit ein. „Es läbe dr Keenig!" erscholl es in der Runde. Da hatte sich der Kühjunge losgeristen, war an die Tür ge sprungen und schrie dort heulend: „Dr Kiench sollch an Hoals nei schäm!" Dann verschwand er. „Aber do e die heeße Stub warn merch doa nö setzn," rief der Major, „ös nö ver dr Tir bester?" Draußen vor dem Kretscham unter den Linden standen Tische und Bänke, die im Sommer gern benutzt wurden. Die Leute stimmten ihm bei, und die Schar verlief sich nach draußen. Des Kretschamwirtes Augen liefen jetzt durch die Stube. Er atmete tief auf, so hatte ihn das Geschäft des Regierungsantrittes in die Hitze gebracht. „Wu isn dar aus dr Sioadt hie?" fragte er. Der Pilzpeppi drückte sich leise aus dem Zimmer. Jetzt also kam es. Was brauchte er dabei zu sein? Und draußen gab es ja Freibier, da war er bester am Platze. Da füllte sich die Stube schon wieder. Eine Menge Schützen den Max Löffler in der Mitte, quoll zur Tür herein. Des schiefen Max Antlitz sah ganz anders aus als gewöhnlich. Ein selbst bewußter Zug lag darauf. Er schien jetzt von seinem eigenen Werte voll überzeugt zu sein. Und die umdrängten ihn, lachten und johlten, als gäbe es eine neue Freudenbotschaft zu verkünden. Käthe zeigte auf Max. „Dar dort hotn nausgschmössn." „Woas? Das Antlitz des angehenden Regenten wurde noch röter als es zuvor gewesen war. „Nu ja," wiederholte Käthe, „der Leffler-Max Hot dan Fremden nausgschmössn, weil a ch mien gzankt Hot." „Nausgschmössn?" Der Baler wollte die Kunde gar nicht fassen. War so eine hirn verbrannte Torheit möglich? Max Löffler hatte es gehört. Stolz warf er sich in die Brust. Jetzt konnte auch er sich wenigstens einmal einer Mannestat rühmen. „Jawohl, nausgschmössn," gestand er mit dem trium phierenden Bewußtsein des Heldenhaften seines Tuns. Da konnte der Kretschamwirt nicht länger an sich halten. Der Choleriker ging wieder mit ihm durch. Er ließ sich voll Schreck auf einen Stuhl fallen und hieb die Faust auf den Tisch. Himmel donnerwetter, war denn der Mensch wirklich so dnmni, wie man von ihm sagte. Das wog ja fast den Geldsack des Alten auf, was der an Blödheit in sich trug. „Dö Leut hoan rajcht, Leffler-Max," schrie er, „du bist's dimmste Koamel en ganzn Sittschen Smkreis." Der Bursche stand „beteppert" da. Was hatte denn da wieder nicht gestimmt? Der Dicke wußte wohl gar nicht, was er wollte. Verlegen stotterte er: „Aber dr Pilzpeppi Hot doch gsoit...." Die Andern umstanden neugierig die Streitenden und spitzten die Ohren. Weiter kam Max nicht. Der Kretschamwirt unter brach ihn wütend: „Du böst dö Schänd von ganzn Dors." „Aber dr Pilzpeppi Hot doch gsoit," suchte sich der Angegriffene zu verteidigen. „Dö ganze Schötzngesellschoaft von Toangrin host bloamicrt" fauchte ihn der Wirt an. Der Angeschuldigte bot einen Anblick des Jammers. Schlaff hingen ihm die Arme herunter. Den Kopf hielt er gesenkt, als regne es ihm darauf. Da suchte ihn einer aufzurichten. „Du, loß dersch nö gfoalln! Wetzt doch, ward ötz böst," raunte er ihm zu. Doch vor dem grimmigen Kretschamwirte war dem Burschen jede Kurasche, die ja so wie so nicht seine besondere Stärke war, verflogen. Er brachte kein Wort heraus. Wieder stachelte ihn einer zur Abwehr auf, da erkühnte er sich wieder, zu seiner Berteidigunq zu sprechen. „Aber a Hot doch gsoit " Jedes weitere Wort blieb ihm im Halse stecke». Und der Wirt brüllte ihn mit Donnerstimme an:„Wajgn denner Dommheel Hot de Foahn an goln Noil winger." Was? Um die Fahne handelte es sich? Die andern scharten sich enger um die Streitenden. Wenn es um die Fahne ging, dann waren sie auch mit beteiligt, denn die hielten sie hoch und heilig als ihr Prunkstück, und das war auch kein Wunder. Sie hatte ein Heidengeld gekostet mit ihrer Seidenstickerei und Silber und Goldfäden. Am liebsten hätte der Löffler-Max geheult. So ein Radau wegen des verdammten Stadtkerlen! Halb weinerlichen Tones begann er abermals: „Dr Pilzpeppi Hot...." „A Rinozeros böst, ond woas fer ees," schrie ihm sein Schwieger vater in 8p6 zu, und hieb wieder mit der Faust aus den Tisch. „Ond n Wein Hot dar Fremde o no nö bzoahlt," verschärfte Käthe die Situation. Doch zu Gottfried Liebschers Ehre sei es gesagt, daß ihm der der Fahne entgangene Nagel mehr Schmerzen machte als die unbezahlte Flasche Wein. Da wuchs draußen ein Lärmen auf, schnell und anschwellcnd. Es mußte etwas ganz Besonderes los sei». Käthe sah neugierig zum Fenster hinaus. Aber die Bänke waren schon leer. Wieder drängte sich die Menge in die Gaststube, schrie und schwenkte die Tschakos. Der Pilzpeppi allen voran. Seine Äug lein funkelten vor Freude und suchten den Blicken Käthes zu be gegnen. Er blinzelte ihr lachend zu. Da wußte sie, der Streich sei gelungen. Der dicke Kretschamwirt kümmerte sich aber vorläufig noch nicht um die Hereindrängenden. Er hatte noch mit dem Löffler-Max zu tun, dem Verbrecher an der Bereinsehre von Tanngrüns Schlltzengilde. „Doas koan ch dr glei soin, wenn nö groad dus gwast wärscht, Max, an annern hättch schonn lang o nausgschmössn. Aber diär muß'ch's dr Dommheet oarechn." Die Stube füllte sich immer mehr. „Hurra, vlvat hoch, dr Keenig soll labn!" War das ein Schreien und Rufen, ein Schwenken und Winken!