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Stadt zurück, versorgten uns mitWegzehrung für den heu tigen Tag und suchten an der Mittelmühle die Mündung der von Arnsdorf herüberkommenden Schwarzen Röder auf, die sich hier mit dec bisher von uns in ihrem Laufe ver folgten Großen oder Weißen Röder vereinigt. Von hier an hielten wir uns stets im Tale. Unsere Wan derung ging an zahlreichen Fabriken vorbei aus dem Stadt gebiet hinaus bis zum Frauenheim Tobias müh le, wo der sächsische Landesverein für innere Mission solchen weib lichen Personen zeitweilig Unterkunft gewährt, die in des Lebens Stürmen in irgend einer Weise Schiffbruch gelitten haben und eine sich ihnen bietende hilfreiche Hand ergreifen wollen. Ms wir das untere Ende von Lotzdorf berührt hatten, lenkten wir nach Lieg au ein, das von frenndlichen Anlagen umgeben ist und als Sommerfrische gern ausgesucht wird. Dann bogen wir rechts in ein Seitental ein und er reichten das schon über zweihundert Jahre bestehende Augustusbad, das seine Entstehung dem großen Rade berger Stadtbrande von 1714 verdankt. Radebergs Bürger meister Seydel ließ im damaligen Tannengrunde nach Bau steinen suchen und stieß dabei, den Spuren eines verfallenen Bergstollens nachgehend, auf die jetzt noch sprudelnden Heil quellen. Heute findet man in Augustusbad außer dem vor nehmen Kurhaus eine ganze Reihe von Unterkunftshäusern für die Badegäste, sowie das wohleingerichtete Genesungs heim der Leipziger Ortskrankenkasse. Wir gingen längs hindurch und erquickten uns durch eine kurze Rast unter den Körnereichen, die ihren Namen seit dem Aufenthalt des jugendlichen Freiheitsdichters tragen, den er im Fahre 1809 hier einst genommen hat. Als wir die „Schöne Höhe" er reichten, wurde uns der seltene Anblick einer ganz aus jun gen Lärchenbäumen bestehenden Waldabteilung beschert, die mit ihren hellgrünen, leicht beweglichen Zweigen ein an ziehendes Bild darboten. Gleich darauf kamen wir am Bethlehem st iftLuisenhof vorüber, in dem den ganzen Sommer hindurch Großstadtkinder mehrwöchigen Aufent halt nehmen, um zum Teil völlig unentgeltlich nach Art der Ferienkolonie beköstigt und verpflegt zu werden. Dicht dahinter senkte sich der Weg wieder, und wir schritten zwischen den Gebäuden der Epileptischen-Anstalt Klein- wachau hindurch, die das Kreuz als das Zeichen der christ lichen Liebe am Giebel tragen, und in denen einer großen Anzahl unglücklicher, fallsüchtiger Kinder ihr bedauerns wertes Los auf das möglichste erleichtert wird. Auch diese Stätte des Elends und der Barmherzigkeit wird vom Landesverein für innere Mission unterhalten. Wir näherten uns nun der Grundmühle und damit dem reizvollsten Teile des ganzen Rödertales, der sich von da an bis zur Seifersdorfer Papierfabrik erstreckt, und der vor der Zugänglichmachung der Sächsischen Schweiz euro päische Berühmtheit besaß. Kein Reisender, der um das Jahr 1800 Dresden besuchte, versäumte es damals, einen Abstecher nach dem Seifersdorfer Tal zu machen, dessen von der Natur ihm verliehene Anmut durch den Grafen Moritz von Brühl und seine Gemahlin Christina auf aller hand künstliche Weise verschönt wurde. Noch heute sind zahl reiche Spuren der im Geschmack jener Zeit gehaltenen Aus schmückungen vorhanden. Bon der Grundmllhle herkom mend, bemerkten wir zuerst einen Altar, der Tugend, später einen ähnlichen, der Wahrheit geweiht. Der erste stand in der Nähe einer majestätischen Erle, der andere dicht vor einer prächtigen Fichte. Zwischen dieser und dem Altar hatte sich ein feister Hase sein Lager hergerichtet. Seine Furcht samkeit war aber zunächst noch größer als seine Liebe zur Stätte der Wahrheit; denn er sprang bei unserer Annähe rung in mächtigen Sätzen davon. Ein Stück Weges weiter erblickten wir in einem düsteren Schattenhain die Büste der Herzogin Amalie von Weimar, überdacht und vergittert, mit der Widmung: „Einen Tempel, der nimmer zerfiele, suchten die Grazien und Musen; sie fanden ihn in Amaliens Geist." Ehe wir die Mari en müh le in der Mitte des romantischen Tales erreichten, erregte ein hoher Obelisk auf einem Rasenhllgel, von vier schlanken Eichen umgeben, unsere Aufmerksamkeit. Er war im Jahre 1784 von den drei Gemeinden Seifersdorf, Ottendorf und Schönborn ihrem „besten Herrn", dem Grafen Brühl, als ein „lVlonumentum umorw" errichtet worden und ist auf allen vier Seiten mit entsprechenden, etwas holprigen Dichtungen beschrieben. In innerem Zusammenhang damit steht ein urnengekröntes Denkmal jenseits der Marienmühle, das folgende Inschrift trägt: „Diesen Platz zierte einst ein ländlicher Festsaal, Moritz und den ländlichen Freuden gewidmet von Tina. Er war durch Christina, Gräfin von Brühl, am Geburtstage ihres Gatten, dem 26. Juli 1781, errichtet und den Festen bestimmt, welche alljährlich an diesem Freudentage den um wohnenden Landleuten gegeben wurden. Die Zeit hat dieses Denkmal derLiebe und Menschenfreundlichkeit zerstört; die Erinnerung an dasselbe soll dieser Stein zu den späten Enkeln bringen." Die wertvollsten Überreste aus jener Zeit sind vielleicht die gegen das untere Ende des Tales dicht am rechten Röderufer aufgestellten beiden Bildhauerarbeiten, eine Herderbüste und eine Amorstatue in eigenartiger Auf fassung, die den Gott der Liebe mit je einer Sanduhr in beiden Händen darstellt. Gleich hinter diesen von herrlichstem Grün umgebenen Kunstwerken hebt sich der Weg am linken Talhange empor und führt nun hoch über der Röder bis zum Ausgange des Tales an der Papierfabrik. Bon hier an mußten wir dem Mühlgraben der einstigen Kunathmühle folgen, in der jetzt das größte Sägewerk an der Röder betrieben wird. Die Wassermengen, die eben erst die mächtigen Turbinen desselben in Bewegung gesetzt haben, werden sofort aufs neue in den Dienst des Menschen gezwungen und in einen Betriebskanal geleitet, welcher die der Röder entnommenen Fluten etwas weiter abwärts in einem Holz- und Eisenbau über den Fluß hinwegfühlt und nach dem nahen Grünberg bringt. Wir durcheilten das Dorf ohne Aufenthalt, um mit der sinkenden Sonne noch unser Ziel zu erreichen. Erst in Hermsdorf gönnten wir uns eine kurze Rast, nachdem wir dessen prächtigen Rittersitz wenigstens von außen besichtigt hatten, der noch heute von den ehemaligen Befestigungsgräben umzogen wird und ge rade im Herbste, wenn die Blätter des wilden Weines sich färben, an seinen vier Ecktürmen entzückende Bilder dar bietet. Ein Fußweg, der sich durch Felder, Wiesen nnd kleine Gehölze schlängelte, brachte uns weiter vorwärts. Eine male rische Aussicht auf die unten rechts im breiten Wiesentale dahinfließende Röder öffnete sich unfern Blicken. Beim gegenüberliegenden Cunnersdorf bemerkten wir die Ein mündung der von Lomnitz herkommenden Kleinen Röder, die kurz vorher in Okrilla und Ottendorf mit ihrem Wasser zahlreiche Industriestätten gespeist hat, deren qualmende Schlote über den Wald herüberragten und vom Fleiße der Bewohner Kunde gaben. In dem zum MedingerRittergute gehörenden Gebüsch stillten wir zum letzten Mal auf dieser Wanderung unfern Hunger mit dem Mundvorrat unserer Rucksäcke. Dann wurde Großditt-