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„Na, doas wär o no schinner," bekam er sofort zur Antwort. Dann ging Käthe in die Küche, um von da neue Gläser zu holen. Dem Leffler-Max ging das Königwerden im Kopfe herum. „Wähler, Pilzpeppi, traffn tu ch falber emo nischt." „Do läßt an annern fer dch schissn," sagte der Alte und kaute seinen Priem. „Hm, iech weeß ock ne, woas mei Boater derzu soin wörd," bedachte sich der Bursche, „s kost vill Geld, a Zuhr lang Schötzn- kiench sein." Da lehnte sich der Pilzpeppi in seinen Stuhl zurück, sah den Redner spöttisch an und machte eine verächtliche Handbewegung, als wolle er damit ausdrücken, an dem Max Löffler sei Hopfen und Malz verloren. Dann schüttelte er den Kopf und starrte dabei immer noch auf den Burschen. „Hm hm," meinte er dann, „wenn mer diech su riädn hörrt, do mecht mer denkn, wörscht on Ver hungern." Max warf sich in die Brust. „Zech bien n Lefflerbauer sei Eenzger." „Doas weeß ch. Aber groad dastwajgn seilst dch schäm. Su a reicher Bauernsuhn ond su geizg." Dem Prokuristen von Tulpenstiel L Co. war es doch wieder langweilig geworden. Da sollte der Pilzpeppi wieder herhalten. Uber das Mädl hätte er doch gar zu gern genaueres gewußt. War sie wirklich so unnahbar, war es nur berechnende Koketterie? Er kannte die Urwüchsigkeit noch nicht, die man auch heute noch trotz rauchender Fabrikschlote hier und da in der Lausitz findet. „Hinter der schönen Wirtstochter sind wohl die Burschen stark her?" fragte er. Der Pilzpeppi strich sich geärgert seinen weißen Bart. Kriegte er diesen unausstehlichen Kerlen denn gar nicht vom Halse? Da hieß es, wieder grobes Geschütz auffahren. „Doas schonn, aber su oalbern ond tappsch wie du driähn die doas nö oa," knurrte er und spie eine Ladung gelben Saftes in die weißgescheuerte Stube. Der Fremde zog unwillkürlich seine Beine unter den Stuhl, obwohl der Schuß in einer andern Richtung gegangen war. Dann lachte er vergnügt auf. „Sie sind urwüchsig." Pilzpeppi beugte sich wieder zu dem Burschen und raunte vor- sichtig: „Host's wieder ghorrt. A fängt schonn wieder oa. Loaß dersch ock ja nö gfalln!" Max erhob sich schwerfällig. Trotz seiner schiefen Schulter und vernachlässigtem Haltung sah er nicht so ungefährlich aus. Hände hatte er keine, aber Pranken, die zuzupacken verstanden. Auf dem Löfflergute wußte er schon seinen Mann zu stellen. „Woas sein miär?" fragte er drohenden Tones und stellte sich vor dem Fremden auf. Der bekam das Stottern, sprang auch von seinem Stuhle empor, wußte aber nicht wohin. „U—u—urwüchsig habe ich gesagt. Das ist weiter nichts. Das heißt " Da stand auch der Pilzpeppi auf, trat hinter den Max und stieß ihn in den Rücken, um ihn zu resoluter Tat aufzumuntern. Jetzt hatte er ihn ja bald dort, wo er ihn haben wollte, nur noch ein Funke, und der sonst so Langsame glühte. „Su an Frechheet," zischelte er dem Burschen zu, „schmeißn naus, schmeißn naus, doaß de Kath spürt, doß d a Moan böst!" Max Löffler machte einen vergeblichen Versuch, seine Schultern grade zu rücken, pflanzte sich dann unmittelbar vor dem Städter auf, daß er dessen Knie berührte und sagte grimmig: „Denkst, doß ch mer doas gfoalln loß?" Der Bedrohte machte einen Satz rückwärts. „Aber mein Lieber," rief er furchtsam und schaute sich vergebens im ganzen Zimmer nach Hilfe um. Wenn er nur wenigstens einen Billardstab dort hinten hätte erpacken können! Da kam der Löffler-Max in Betrieb. „Woas? Dei Lieber wär iech? Zech war dch schonn beliebern." Er riß des Fremden eleganten Strohhut vom Tische, stülpte ihm den auf den Kopf und schrie: „Ock raus mit diär, du oalbernes Luder!" Dabei zerrte er den Zitternden zur Türe vor. Der Gepackte brüllte aus Leibeskräften. Was sollte hier mit ihm geschehen? War er denn unter Wahnsinnige geraten? „Hilfe, Hilfe, er erwürgt mich." „Nu, du verloines Luder, iech schmeiß dch doch ock naus. Bröll do nö su!" Max riß die Tür auf, gab dem Armen einen Schwung, und draußen flog der Hinausbeförderte klatschend an die Flurwand. Käthe stürzte auf das Zetergeschrei aus der Küche. Fast hätte sie vor Schreck die Gläser fallen lassen. Steckte der Fremde ein Gebrüll auf. „Herr Leeses, woas giehtn do vir?" rief sie. Aber Antwort bekam sie keine auf ihre Frage, war auch gar nicht nötig. Sie konnte sich schon ihren Vers zusammenreimen, als der Löffler-Max in der Tür erschien. Der war ja wie aus gewechselt. Den Hut schwenkte er in der Luft, den schwarzen Tschako, und drehte sich wie ein Kreisel auf einem Beine. „Juhu", schrie er, „wenn ich wiederkomm, biench Kiench." Fort war er. Pilzpeppi aber näherte sich dem Mädchen, schloß listig das eine Auge, verzog den Mund zu einer satirischen Fratze und sagte: „Du Kath, poaß uf! Dann wörscht wu heut no lus warn." Da ging ein Stampfen über die Hintere Flur. Stimmen schwirrten durcheinander, und der Gottfried Liebscher trat mit einer ganzen Schar von Schützen herein. Zhm mußte angenehmes geschehen sein, denn sein Gesicht glänzte wie eitel Speckschwarte. Den dicken Bauch reckte er in stolzem Selbstbewußtsein noch weiter nach vorn, als es dessen Umfang unwiderruflich verlangte. „ch gleebs nö, doß no. enner bester schoißt wie iech," rief er seinen Begleitern zu. Der Pilzpeppi horchte auf und schmunzelte befriedigt. Also war die Sache in Butter. Der fühlte sich schon als König, da konnte der Max schön ankommen, wenn schließlich einer für ihn die Würde erschoß. Er drängte sich an den Wirt und meinte: „Do wörscht of d Letzt goar Kiench warn." „Nu, woas hoattn darch reizomeng?" mochte der Dicke denken, erwiderte aber leutselig: „Doas wörd sein." Und nun riß dem Gottfried Liebscher der Geduldfaden. Er konnte nicht warten, bis er die Königsschärpe umgebunden bekam. Er mußte seine Vorschußlorbeeren haben. Mit komischer Würde stellte er «sich mitten in der Gaststube auf und schrie: „Jähr sollt miech nö Um sonst zo euern Kiench hoan. 3ech will mersch o woas Kosin lossn. Kath, gieh amo nuf e d kleen Koammer ond wachs Peeklfoaß uf. Heute muß a hoalbes Schwein droa gleebn. Doas soll an Kiench- most warn, vo dar no noh Iuhrn gredt wörd. Ond Freibier gibts, nu doas ös wühl selbstverständlch. Woas dö Schötzn heut trinkn, kost kenn Pfeng. Hult ock die Muskanten har! Die sölln komm ond e dr Goaststub a bößl spieln." Des Wirtes Begleiter stimmten ein wüstes Durcheinander an. Es sollte wohl ein musikalisches „Lebe hoch" sein, aber da ihnen das Bier der Rumburger Resi schon in die Krone gefahren war, hörte man davon nicht viel. Es klang wie ein tumultarischer Spektakel, als gelte es eher, einen König abzusetzen als einen zu krönen. Der Pilzpeppi schwenkte sein Glas zu dem Wirt hinüber und grinste über das ganze Gesicht. „Hahahaha, sollst labn, Kiench! Es lebe der Keenig!" Das Geschrei in der Stube hatte neue Schützenbrüder angelockt. „Woas bliäkt derr Pilzpeppi?" fragte der Herr Major Berg mann, „dar ös wuh schonn bsoffn?" Trenkler-Emil, der Paukenschläger, stieß ihn in die Seite. „Bies ock ruhg! Derr Liebscher Gottfried gibt schonns Freibier. A denkt, a ös schonn Kiench." „Onds Kienchfraffn soll o schonn lusgiehn," erklärte ein Andrer. Der Herr Major schüttelte mißbilligend den Kopf. „Doas ös doach no goar nö raus, ob as o wörd," sagte er. „Lohn doach, sonst bsönnt a ch, ond do gibt a kee Freibier raus!" raunte ihm der Tienkler-Schuster zu. Wieder blinzelten die Fuchsaugen des alten Pilzpeppi zu dem Kretschamwirte herüber. Er ergriff sein Glas und schwenkte es wieder dem zukünftigen Könige entgegen. „Der Kiench soll labn!" Da hatte der Gottfried Liebscher den Major erblickt, „s koan mer goar nö mich fahln," ries er dem zu, „doas Zuhr bien iech dr Kiench. Ond dö ganze Klerisei loadch schonn ötze zon Kienchs- schmaus ei. s soll woas drufgiehn, Boargnbauer, woas meenst."