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Uber Stock und Block geht der apokalyptische Ritt, bis ihn der dunkle Vater grüßt: „Nun jagst du mit mir in der wilden Jagd, mein starker Dietrich von Berne!" In Gottfried August Bürgers bekanntem „Wilden Jäger" ist der Sturmriese bereits zum unchristlichen und unbarmherzigen „Wild- und Rheingrafen" geworden, der am Sonntag durch Getreide und Biehkoppeln hetzend seiner Jagdleidenschaft frönt und dafür büßt. Ein Neues führt der Sage der Odenwald zu, bekannt lich auch ein Granitgebirge (ob Roßtrappen dort zu finden sind, konnte ich nicht in Erfahrung bringen) Der Heidel berger Unioersttätsprofessor Alois Schreiber (1761 bis 1841) singt in seinen „Sagen aus den Rheingegenden, dem Schwarzwalde und den Vogesen" (Frankfurt a. M. 1848, S. 394) vom „Wilden Jäger aus dem Odenwalde", daß der „Rodensteiner" „eine Maid, gar hold und fein, wie die Engel Gottes auf Erden wallen", die ihn verschmäht, im nächtlichen Überfall in ihrem Schlosse verbrennt. Dafür findet er im Grabe keine Ruhe: Bei Hörnerschall, bei Peitschenknall zieht er dann mit seinen Genossen all hinüber auf Rodensteins öde Trümmer, und in dm Lüsten entsteht ein kläglich Gewimmer. Und in dieser Form — der wilde Jäger als Frauen- räuber und Frauenverfolger — ist uns die be kannteste Roßtrappensage von den Brüdern Grimm in den deutschen Sagen (Berlin 1865, Bd. 1 S. 364 und S.366) in doppelter Form übermittelt worden. Bekannt ist ja im Harz die Roß trappe auf einer Uferklippe aus Granit über dem Bodetal beim „Hexen- oder Teuselstanz- platz". Hier ist der „Teufel" als „Herr Urian" im sturm- und nebelreichen Granitgebirge des Harzes sicherlich der unheilige Nachfolger des Sturmgottes. Und es ist ja bekannt, welches Ansehen noch heute das Hufeisen als Glücksbringer und heilbringendes Sinnbild im sog. Aberglauben, der doch in vielen Stücken alter Restglaube ist, genießt. Das Eigen artige dieser Sagenform ist die Beziehung zum Gebirgs kranze Böhmens, zu dem ja auch unsere Lausitz gehört. Für unsere Kinder wird die märchenhafte Ausdeutung der Roßtrappen gerade das Rechte sein, aber wir Großen, wir Heutigen, suchen mit Recht als „heimatliche Menschen" und „Menschen der Gegenwart" zugleich noch ein Anderes; zumal manche dieser Roßtrappen nur schwer als Pferdehuf- abdrllcke zu erkennen sind. Wir greifen auf den Anfang unserer Betrachtung zurück. Das empordringende Tiefengestein schmolz große Teile des „Schieferdaches" ein und daraus entstand der Iweiglimmer granit. Aber auch in diesen sanken Schollen und Bruchstücke des „Daches" ein und wurden nicht immer gänzlich auf geschmolzen. Solch eine „Schiefertafel" oder „Grauwacke" wurde aber doch weich und verbog sich beim Einsinken in die heiße Grundmasse und gar nicht selten zu Hufeisen form. Aber ich fand auch 8-förmig gekrümmte Stücke oder nur schwach gebogene. Sie sind mehr oder weniger deutlich von der Grundmasse abgesetzt und zu gneisartigen Quarz biotitschiefern, Quarzbiotitfelsen, auch zu Quarzglimmer felsen mit Knoten und Flecken umgeschmolzen worden. Kommen solche Einschlüsse durch die Abtragung zutage, so verwittern sie ungleich, je nach der Härte, die ihre Schichten bei der Einschmelzung annahmen. Sehr weißglimmerreiche Randsäume wittern schneller aus als harte Innenschichten, und so entstehen dann „Hufeisenabdrücke". Der Gesteins kundige, der Petrograph und Geolog, mag ruhig den alten Sagennamen Roßtrappe für diese Art Einschlüsse in sein wissenschaftliches Begriffsverzeichnis ausnehmen. Vor allem aber mag er mit dem ganzen neuzeitlichen Rüst zeug seiner Wissenschaft daran gehen, diese Roßtrappen ein mal in ihrer Eigenart zu erforschen. Denn hier ist noch viel zu tun; es wird von da aus manches Licht auf die Ent stehung und Erstarrung unseres heimatlichen Granits fallen. Wer vom jungen Geschlecht der aufstrebenden Wissenschaft will sich seinen Doktorhut an den Roßtrappen verdienen? Und den Forstmann möchte ich bitten, beim Aufräumen des „forstfeindlichen" Geblöcks unserer granitischen Felsen meere die Roßtrappen- und Schalenblöcke zu verschonen. Denn oft sieht man zerschossene oder zerspellte Blöcke am Wege liegen — oder die Roßtrappe ist gestürzt und kann dem wald- und heimatfrohen Bergwanderer und unserem Iunggeschlecht nichts mehr erzählen vom rasenden Ritt der wilden Jagd, von Berndietrich und seinen Gesellen. Und damit wäre wiederum eine „von den Wurzeln unserer Kraft", mit der wir geistig in doppelter Weise: wissenschaftlich und künstlerisch — mit der Heimat verbunden sind, abgehackt, gekappt. Es muß aber gelten, daß wir wurzellockeren und bisweilen ganz entwurzelten Leute der Gegenwart in unse rem Hetmatboden, von dem wir meisten leider nicht einmal ein kleines Stücklein besitzen, wenigstens seelisch Fuß fassen. Und dazu schrieb ich das Stücklein von den Roß trappen auch mit! * * * Quellen außer den bereits genannten: Martin Sommer, Beitrag zur petrochemischen Kenntnis des Lausitzer Granitmassivs — in den Berichten der Kgl. Sachs. Gesellschaft der Wissenschaften zu Leipzig. 27. Äd. I. Teil. 1915.— Dr. Otto Luitpold Iiriczek, Die deutsche Heldensage. Stutt gart, Göschcnsammlung, Nr. 32. *) Unser Heimatforscher O. Schöne-Sohland hat in einer länge ren Abhandlung in Nr. 28 der „Heimatklänge", Btzn. Tqbl, auch der Verbreitung dieser Sagengestalt bei Deutschen und Wenden ge dacht Mein Vater kannte den wilden „Berndietrich" auch aus der Massenei, aus Radeberg, selbst aus der Pulsnitzer Gegend. Man müßte einmal in einer Karte sein „Verbreitungs gebiet" festlegen, aber bald, ehe es zu spät ist. Dann ließen sich vielleicht Schlüsse auf die „Herkunft" ziehen. (So ist in ähnlicher Weise die Verbreitung der Sagen gestalt der Frau Harke in der Mark Brandenburg durch Karten bekanntgemacht worden, die Ergebnisse waren überraschend. D. Hgb.) Waldsprüche Wisse, wenn du den Wald betrittst, daß du nicht bloß sein Genießer, sondern vor allem auch sein Beschützer sein sollst. Läßt du dem Gemeinen, das dir anhängt, in den friedlichen Hallen des Waldes freien Lauf, so wundere dich nicht, wenn man dich nicht mehr hereinlassen will. Aber auch deinen Mitmenschen fügtest du unberechenbaren Schaden zu, wenn ihnen durch deine Mitschuld ihre beste Erholungsstätte verschlossen würde. * Die Besucher dieses Waldes werden gebeten, sich nicht mit allzu lautem Geräusch darin zu ergehen. Nicht ein Philister oder Grämling bittet sie das. Wüster Lärm und übler Gesang ängstigt und scheucht die Tiere des Waldes. * Unser ist der Wald, und unser soll er bleiben! ruft ihr. Recht so! Aber merket: er wird nur dann und so lange euer sein, mann und wie lang ihr ihn zu schätzen und zu schützen wißt als ein köst liches Gut: als den unversiegelten Jungbrunnen, darin ihr euern bessern Menschen badet.