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1L4 Gberlaufltzer Helmatzeltung Är. 14 Keramik wird ein Bild baldigst unfern Lesern vorgelegt werden, da diese für die Frühgeschichte der Oberlausitz sehr wichtig werden dürfte. Nun ist es dem emsigen Fleiß unsers 1. Vorsitzenden, des Herrn Prof.Dr.Needon-Bautzen, gelungen, eine Darstellung der Belagerung einer mittelalterlichen Burgaus etwa gleicher Zeit bei einem selten gelesenen Chronisten aufzufinden. Sie ist hier vorgedruckt und soll nun in ihrem Verhältnis zu unfern Ausgrabungsersahrungen besprochen werden. Zunächst sei darauf hingewiesen, daß die Zerstörung bezw. Einnahme von Kirschau rund 70 Jahre vor der Belagerung des Karlstein liegt. In diesen 70 Jahren war eine grund legende Änderung in der Kriegführung insofern eingetreten, als damals gerade (um 1400) die Puloergeschlltze eine weitere Verbreitung gefunden halten. Wir lesen bet Hajek, daß im ganzen 5 grobe und 46 kleinere Geschütze vor Karl stein zusammengezogen wurden. Bisher haben wir noch keinen Anhaltspunkt dafür gefunden, daß auch vor Kirschau Kanonen einst gedonnert haben. Dagegen konnte man 1422 vor Karlstein die großen Schleudermaschinen immer noch nicht entbehren, die sich im Besitze von Städten befanden. Dies ist für Kirschau wichtig, das ja auch von Städten 1352 belagert wurde. Aus der Tatsache, daß wir hier Schleudersteine fanden, ist nun zu nächst der Rückschluß gestattet, daß die Sechsstädte nicht nur Schleudern anwandten, sondern wahrscheinlich auch besaßen. Vor Kirschau müssen aber mindestens zwei derartige Maschinen gestanden haben; das geht daraus hervor, daß bei Hajek unter den 5 Schleudern vor Karlstein eine als „die große Schleuder der Alten Stadt Prag" bezeichnet und wir im Kirschauer Burghofe zwei deutlich von einander unterscheidbare Arten von Schleudersteinen fanden: Solche von 25—50 kg und solche von 75 und mehr kg. Wenn beide Sorten von Schleudersteinen von nur einer Maschine in die Burg geworfen worden sind, müßte die Maschine ständig ihren Platz gewechselt haben: Beim Verschießen der kleinen Kugeln müßte sie weiter ab vom Ziele gestanden haben als beim Wurf einer großen, da ja die Wurfkraft immer dieselbe blieb. Nun ist von verschiedenen Seiten gesagt worden, daß die beim Tore gefundenen IOV2 Steinkugeln einmal den Ver teidigern zum Hinabrollen gegen die den Berg ersteigenden Angreifer gedient haben, dann aber auch als Borratshaufen für eine Burgschleuder am Tore angesammelt worden sein könnten. Zuzugeben ist unter allen Umständen, daß man es einer derart starkbefestigten Burg wie Kirschau schon zu trauen darf, daß auf ihr bereits 1352 eine Steinschleuder zur Verteidigung bereitstand, wenngleich eine solche gegen einen nicht in Bauwerken befindlichen Angreifer lediglich psychische Wirkung haben konnte. Wirkungsvoller wäre für die Belagerten die mechanische Versendung von Klein geschossen wie Bolzenspitzen oder ähnliches. Aber immerhin kann man zugeben, daß eine in der Burg befindliche Schleuder auch Kugeln zurllckgesandt haben kann. Dann aber haben wir mitten in der Burg (nicht mehr am Tore) auch eine Kugel von der großen Sorte gefunden und eine kleine außerdem im Schuttkegel des Turmes. Schon diese beiden Fundtatsachen berechtigen uns zu der Annahme, daß die Kugeln nicht nur am Tore vom Verteidiger ver- wendet, sondern wahrscheinlich hereingeworfen wurden. Nun kommt aber aus Hajek hinzu, daß dieser angibt, man habe die für eine Kirche bestimmten Säulen, weil sie aus leicht bearbeitbarem Stein (wohl Kalk oder Sandstein) waren, zu Schleudersteinen behelfsmäßig hergerichtet. Dies bestätigt voll und ganz meine Ende Juni (OHZ. 1924 S. 126) vorgetragene Ansicht. Auch die Kirschauer großen Kugeln sind meist und von den kleinen einige durchaus Werke des Augenblicksbedarfes. Sie stammen vom Orte und sind hier zugerichtet, was einerseits Steinmetzen unter dem Belage- rungsheere, andrerseits eine längere Belagerungszeit bedingt. Die Wirkung der Steinkugeln war in Karlstein und Kirschau verschiedenartig: Karlstein ist auf hohem und steilem Felsen gelegen und überragt die Umgegend, Kirschaus Untergrund ist mit der Umgebung fast gleicher Höhe, ja er wird im Westen sogar noch von Felsen jenseits der Spree überragt. Die Flugbahn des Geschosses beim Stetlbogen-(Haubitz-) Schüsse besteht in einem langsam ansteigenden Ast, einem Punkt, wo die Erdschwerkrast die Geschütztriebkraft über windet, und einem von da an entsprechend der sich immer steigernden Wirkung der Schwerkraft sich allmählich dem rechten Winkel nähernden absteigenden Ast, auf dem das Geschoß entgegengesetzt zu vorher in sich beschleunigender Geschwindigkeit herabsaust. Wenn also ein Vollgeschoß im Steilbogenschuß wirkungsvoll versandt werden soll, so muß der Aufschlagspunkt möglichst tief unter dem Scheitel der Flugbahn liegen. Dies ist nun beim Karlstein, der hochliegt, nicht der Fall, die Triebkraft dürfte hingereicht haben, Steine über den Mauerbering zu schleudern, aber Hajek er zählt, daß Hürden und andere biegsame Abwehrmittel ge- nügten, um die Hausböden vor der Zerstörung zu bewahren. Kirschau aber liegt für den Steilbogenschuß günstiger, hier dürsten die Geschosse aus der Höhe herabsausend eine ver nichtende Wirkung gehabt haben. Eine dankbare Aufgabe für einen Mathematiker wäre es, einmal zu berechnen, wie hoch eine 75 schwere Kugel im Fluge gipfeln muß, um eine bestens gebaute Granitmauer über dem Lore von einem mindestens 4 fachen Gewicht an der Aufschlagstelle zu zer brechen! Sehen wir uns aber weiter um nach Ähnlichkeiten zwischen Kirschauer Funden und dem Bericht über Karlstein, so müssen wir bei dem eigenartigen Brauche Haltmachen, die Belagerten durch Aas auszustänkern. Sicherlich war dies ein sehr wirksames Mittel, wenn auch das Ausfallen der Zähne nicht gerade auf dieses, sondern vielmehr auf die ein tönige Ernährungsweise der Belagerten zurückzufllhren ist (Skorbut). Aber daß diese Stänkerei den Burginsassen widrig war, geht schon daraus zur Genüge hervor, daß man Abwehrmittel besaß. Und jetzt gewinnt die Kalkschtcht, die wir in Kirschau fanden, eine neue Erklärungsmöglichkeit (OHZ. 1924 S. 153): Was man auf Karlstein heimtückischer weise tat, konnte man ebensogut 70 Jahre vorher auch in Kirschau versucht haben, die Belagerten durch Aas körper lich und seelisch zu erschüttern, denn unter der Kalkschicht fanden wir einige Knochen, und auch sonst haben wir derart viele Knochenreste zutage gefördert, daß wir schon während der jetzigen Ausgrabung mehrfach über den guten Appetit der Kirschauer spotteten. Doch der Spott war wohl un angebracht, da uns nun Hajek eines andern belehrt; die vielen Knochen können von ähnlichem stinkig-eklem Wurf geschoß herrühren wie auf dem Karlstein, ebenso wie die Kalkschicht zur Bekämpfung dieser heimtückischen Waffe gedient haben kann. Dann aber zeigt uns der Bericht Hajeks, daß wir sehr mit Recht nach einem Wappenslein in den Kirschauer Burg trümmern suchen, denn auf dem Karlstein war sowohl das