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Die MBWWWMWMMl! Dr. Frenzel V. Die Grabungen im Monat Juni standen unter dem Zeichen der wolkenbruchartigen Regengüsse, die das Erd reich zerweichten und den Lehm auf dem Schloßberge in einen zähen Brei verwandelten, sodaß wir in der ersten Monatshälfte keinen schnellen Fortschritt erzielen konnten. Trotzdem blühten uns Erfolge schönster Art. Die Arbeit am Hause 1 konnte nicht vorschreiten, weil es durch die Bodenverhältnisse unmöglich gemacht war, sie in der notwendigen Genauigkeit vorzunehmen. Horizontal grabungen erfordern gutes Wetter. Bis heute sind wir da gegen an der zweiten Arbeitsstelle, dem Innentor, soweit in den eigentlichen Schloßhof vorgedrungen, daß das Pflaster aus einer Fläche von 30 csm beobachtet werden kann. Die überaus mühevolle Arbeit des Abdeckens der mit großen Granitbrocken durchsetzten Schuttmassen in der Nähe des Tores ist heute (17. Juni) beendet. Während vor und im Tore das Pflaster aus „Katzenköpfen" besteht, liegen große unregelmäßige Platten im Hofe als Pflasterung. An mehreren Stellen scheinen künstlich Vertiefungen in die Blöcke eingearbeitet worden zu sein, sie mögen zum Ein setzen irgendwelcher Balken, vielleicht auch zum Feststellen des Holztores gedient haben. Die Platten sind ihrer natür lichen Ecken beraubt und deutlich abgeschliffen. Dies zeigt eine umso stärkere und längere Besiedelung der Burg an, als über sie wohl nie Pferdehufe und Wagenräder hinweg gingen, sondern durch das niedere Tor nur der Fuß des Menschen in den Innenhof eintrat. Unmittelbar auf dem Pflaster liegen die Spuren des letzten Kampfes: Pfeil- und Armbrustbolzenspitzen aus Eisen, Hufeisen, Nägel, Kettenteile und selbst ein Plattenstück eines Harnischs scheint hier in unsere Hände gelangt zu sein, wenn man das Eisenstück, so richtig deutet. Am Tore fand ein heißer Kampf statt. Diesen Satz, den uns keine Chronik meldet, vermögen wir heute dank der Funde mit Sicherheit auszusprechen. Aber noch weitere Kenntnis der tatsächlichen Begebenheit ist uns er wachsen: Unmittelbar hinter dem Tore fanden wir in zerstreuter Lagerung im ganzen 10 und eine halbe Wurfkugel. Ihre Größen schwanken zwischen 25 und 75 KZ. Was er zählt uns dieser Befund? Daß diese Kugeln von den Be lagerern in die Burg mit Hilfe großer Maschinen hinein geschleudert worden sind, ist nun sicher, da die Geschosse nicht auf einem Haufen lagen, wie zu erwarten wäre, wenn es sich um Abwehrmittel der Belagerten handelte. Auch die halbe Kugel spricht dafür, sie zerschellte durch eigene Wucht an einer Mauer. Es ist wahrscheinlich, daß das Innentor durch die gewaltigen Gewichte, die im Steilbogenschuß von Osten her über das Bergmassio hinweggeschleudert wurden, zertrümmert wurde. Im toten Winkel mögen Axt und Ramme von außen her von menschlicher Hand geführt das Zerstörungswerk vollendet haben. Weiterhin darf man aus dem Umstande, daß viele dieser Steinkugeln sehr roh gearbeitet sind, schließen, daß sie behelfsmäßig an Ort und Stelle hergerichtet wurden. Dies deutet aber- darauf hin, daß die Belagerung mindestens mehrere Wochen dauerte. Auch diesen Satz dürfen wir in unsere Chronik der Burg Kirschau eintragen. Noch unerklärt ist das Vorkommen von zahlreichen Tier knochen in der Nähe des Tores. Und heute wurde wieder solch ein „Knochen" beiseite gelegt. Er erschien mir merk würdig gerieft, ich drehe ihn um und — schaue in das Ge sicht eines kleinen Heiligenfigürchens aus Pfeifenton. Die Gestalt trägt offenes auf dem Rücken hinabwallendes Haar (eben die Riefen), zu beiden Seiten des Gesichtes fällt es außerdem aus die Schultern herab, wo es in je einem Zopf über den offenen Mantel niederhängt. Unter dem Mantel trägt die Heilige ein vorn schließendes Unterkleid mit rundem Halsausschnitt, dessen Saum von einer glatten Borte ge bildet wird. Wie mit zwei Schwurfingern, die allerdings überlang geraten erscheinen, deutet die Linke aus einen rechts vor der Brust senkrecht gebildeten Gegenstand, der wie ein Schwertgriff mit Knauf aussieht. Das Gesicht ist ein volles Oval, trotz Beschädigung zeigt es einen für jene Zeit seltenen Liebreiz der Bildung, selbst die damals meist glotzend gemodelten Augen sind hier wohlgesormt. Stirn und Unterleib der Gestalt sind abgebrochen. Die Figur ähnelt stark den Marienbildchen mit dem Weltheiland, die auf Zittauer Stadtgrund mehrfach gefunden wurden. Früher wurden sie für wendische Götzen gehalten! Unsere Figur scheint eine Heilige mit einem Schwert darzustellen. Sie ist dadurch für uns so überaus wertvoll, weil sie vor 1352 ent standen sein muß, uns ein Bild der damaligen Kunstfertig keit zeigt und uns eine Möglichkeit der Datierung der ihr ähnlichen Marienfiguren in die Hand gibt. (Die Grabungen werden Dienstag und Sonnabend nachmittag fortgesetzt. Nächster Bericht in nächster Nr.!) Sin lafelwsrk über scklssiscke und Lausitzer Plastik Les Mittelalters. Im Verlag klinkkardt <L Biermann, Leipzig, ist Lnds 1923 ein reickiilustriertss Buckwsrk (mit 66 Bakeln) von Brick Wiese über scklssiscke Plastik von Beginn des 14. bis zur Mitts des 15. )akr- kundsrts erscbiensn, das kur unsere engere Beimat von besonderer Bedeutung ist, Sa aucb eins Llnzakl der wicktigsten Lausitzer Skulpturen aus gotiscber Zeit erstmalig stilkritiscb mit bebandelt werden. Wisse, ein Scküler Wilkslm Pinders in Leipzig, Kat damit seins in Breslau 1920 eingereicbte Dissertation über Breslauer Bolzplastik su einer Publikation großen Stiles ausgsbaut. Man spürt auk Sckritt und Britt, datz jakrelange, intensivste Besckäkti- gung und liebevollste Versenkung in dis Materie kier ein Sebiet wirkiick erobern kalken, das in kunstkistoriscksr Binsicbt als Neu land bezsicknst werden darf. Venn so seltsam es klingt: Vie künstleriscks Produktion des Mittelalters in Scklssisn und in der Lausitz wurde trotz ikres Neicktums von der §orscbung bisker so gut wie übsrseksn. Nock §ried Lübbecke glaubte 1922 in seiner „Plastik des deutscken Mittelalters" (Verlag N. Piper L- Lo., Müncben) das (Zsbiet zwiscben Cibe und Oder mit der allge. meinen Bemerkung abtuen zu können, datz es durcbaus von kränkiscben Zentren abkängig gewesen sei. vemgegsnübsr stellt Wisse mit Neckt den Bigenckarakter eines bisker nur in großen Umrissen gesekensn bökmisck-scblssiscben Dunst kreises keraus, der eins glücklicke Miscbung kränkiscber und bökmiscber Clements zeigt. Da in Scklssisn und in der Lausitz wäkrend der in §rage stskendsn Periode trotz der verdisnstlicken arckivaliscken Vor arbeit von LI Iwin Sckuls (Urkundlicks (Zssckickts der Breslauer Malsrinnung in den )>akren 1345—1523, Breslau, 1866) nickt eine einzige Bünstlsrpsrsönlickkeit wirklick greifbar wird, dis mit be stimmten Werken in Verbindung gesetzt werden könnte, — da es sick also um ein Stück kunstgssckickte okne Namen bandelt, - so Kat Wiese mit Neckt das vorkandsne bedeutende Material von anonymen Kunstwerken in versckisdene Sruppen gegliedert, dis durck einzelne ricktunggsbende Bauptwerke ikr Sepräge erkalten. Im Mittelpunkt der ersten Srupps stekt Sie ikonograpkisck- kockinteressante, auk Löwen t krönende Madonna aus Bermsdork