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Anbringen? so lautete allemal die Antwort: nu, ich werde crne nich viel bringen! und nun zogen sie fast immer zu nächst ein kleines, dunkles Röllchen, einem Bratwürstchen nicht unähnlich aus der Tasche, nämlich ein spiralförmig umwickeltes Stückchen, oder Röllchen Brasilier Tabak (gewöhnlich Brisilgen genannt), und ein ganz kleines schmales Reibeisen in einem Holzrähmchen hervor, rieben auf letzterem langsam jenes Röllchen hin und her, schütteten das Geriebene aus die auswendige Seite der Hand und hielten es mit steifen Armen nun dem Papa mit den Worten hin: „Kann ich Ihm dienen, Herr Magister?" — Kam es wohl vor, daß der Papa mit uns beiden ältesten Jungens der aus der Stadt zurückkehrenden Mama entgegenging, so geschah es unzählige Male, daß die uns begegnenden Dorfleute den Papa mit den Worten anredeten: „Nu, Herr Magister, giht he der Fro Magistern ei de kehne?" (ent gegen). Eine besondere Freude war es für uns Kinder allemal, wenn die Eltern aus den Kindtaufschmäusen der wohl habenden Ortsbewohner heimkehrten und jedes von ihnen einen großen langen Semmelstriezel mitbrachte, der wenig- stens die Länge eines kleinen Kindes hatte; denn dann setzte es Semmelbemmchen, solange das Material aushielt. Gewöhnlich waren diese Semmelstriezel von ungleicher Größe und der der Mutter bestimmte kleiner als der andere. Auch in den Fahren, wo ich noch keinen Unterricht erhielt, durfte ich nicht den ganzen Tag Herumlaufen, oder spielen und brotlose Künste treiben, sondern ich sollte mich auch nach und nach an das Arbeiten gewöhnen und mußte daher an jedem Wochentage eine Anzahl seidner Fleckchen zu Faden zupfen (Fleckelzoppen, wie Tante Caroline es nach ihrer Art nannte), denn aus der Zupf-Seide sollte wieder neues Zeug gemacht werden, nämlich Strümpfe gestrickt oder Kleiderzeug gewebt werden. Auch mußte ich öfters Zwirn winden und Federn schleißen, wobei sich es die Mama auch wohl angelegen sein ließ, uns zur Unterhaltung und Belehrung den Nutzen der Gans, den sie auch nach ihrem Tode noch gewähret, klar zu machen, daß z. B. nicht nur das Fleisch und die Federn benutzt, und zwar letztere sowohl zu Schreibfedern als zu Bettfedern, sondern auch Fett und Blut genossen, die Knochenröhrchen zu Pfeifchen geschnitzt und die Gurgel zu Zwirnwirbeln ringförmig ge bogen würden. Um uns Jungens für das Federnschleißen, welches uns eigentlich zuwider war, weil man sich dabei sehr still und ruhig verhalten mußte, mehr zu gewinnen, benutzte unsere Mama ein besonderes Manöver, welches auch bei ihr in ihren Iugendjahren angewendet worden war. Wir wurden nämlich angewiesen, ein sogenanntes Purzeltöpschen aufzu arbeiten und die Sache sah sehr unschuldig aus. Wir be kamen zwar jeder nur ein kleines Rahmtöpfchen voll Federn umgestürzt vor uns hingesetzt; dieses war aber so derb voll gepfropft, daß es nicht verkehrt stehen blieb, sondern wie ein Stehauf in der Spielzeugbude sofort umpurzelte und, wenn es gut ging, aufrecht stand. Es quollen aber daraus die Schleißfedern in solcher Masse hervor, daß, wenn man sie ausleerte, ein großer, großer Haufen Federn auf dem Tische lag, der nun allerdings rein ausgearbeitet werden mußte. Dafür fand man aber auch, wenn man in den Kern dieses Federhaufens eindrang, ein paar große Rosinen, oder gar gebackene Pflaumen darin, welche die saure Arbeit etwas versüßten. Es machte uns immer großes Vergnügen, hinten an dem Stuhle der Mama heraufzuklettern, und wenn sie sich freund lich umsah, ihr ein sogenanntes Heizet zu geben. Tante Caroline verlangte dann gewöhnlich dieselbe Gunstbezeugung von uns, aber dazu ließen wir uns gewöhnlich lange bitten.... Uns zur Linken, an der Kirchhofecke, wohnte unser Pfarr- wiedemuthspachter Knobloch, im Dorfe gewöhnlich nur „Pachtknoblch" genannt, den ich, da er nicht alt wurde, noch im Sarge liegend gesehen zu haben mich besinne, ob wohl ich damals noch ganz klein gewesen sein muß. Seine Witwe mußte sich mit einer Tochter und drei Söhnen müh sam durchbringen. Die Tochter machte bald darauf eine gute Heirat und ich besinne mich ebenfalls noch auf die Hochzeit in jenem Hause, die sie mit „Teichknoblchen" hielt. Die drei Söhne, die gewöhnlich weiter nichts anhalten als ein Hemd und ein paar kurze alte Lederhosen, waren auch schon mehr und weniger erwachsen. „Pachters Liebl", ein langer Schlottig, „Pachters Friedl", auch schon ein auf geschossener, aber derber Junge, und „Pachters Michel", der, wie seine Mutter einmal sagte, Michael getauft worden war, weil er am Michaelstage geboren worden, ein munterer aufgeweckter Junge, der, da er nicht von großem Wachstum war, noch gern mit uns spielte. Dieser Pachters Michel wurde aber von einem großen Jungen, dem langseitigen Sohne des baumlangen Richters, zu seinem großen Arger unablässig mit einem Reimlein verfolgt, welches bis heute noch in meinem Gedächtnis geblieben ist; es hieß: „Michel, Strichel schlug sein Weib Mit der Kaul in Hinterleib." Als ich nun ein Vergnügen darin fand, dies unsinnige Reimlein auch zu Hause immer herzuplappern, wurde mir dies vom Papa ernstlich verboten, was vielleicht die Ursache davon ist, daß ich es noch jetzt weiß. Als ich einmal bei Knoblochs zur Abfütterung mit Kaffee oder Hintläufte hinzukam, sah ich zu meiner Verwunderung, daß die Jungens, bis auf welche die bunten tönernen Tassen nicht auslangten, ihre Portionen in Tassensurrogaten vorgesetzt erhielten, die in nichts anderem als kleinen tönernen Milchtöpschen und tönernen braunen Käsenäpfchen bestanden, die ineinander gesetzt wurden, und machte da schon eine kleine Erfahrung, wie sich der Mensch muß zu helfen wissen. Noch fand sich ein anderer Junge, der Knabe des Schneiders Goldberg auf der Heide, den die andern Jungens Kurzweg nur „Heede- schneiders" (scil. kilius) nannten, dann und wann zu uns, welcher zwar nicht in unsrer Nachbarschaft wohnte, der sich aber als eines Handwerkers und Kleiderkünstlers Sohn besser als die anderen Dorfjungen dünken mochte und daher mit den Pfarrkindern Umgang suchen zu müssen glaubte. Er war ein Junge von etwa 13—14 Jahren, ging in einem grünen Jäckel oder Röckel und trug einen gerundeten Haar kamm in den dicken Haaren, wie damals ja alle Manns personen auf dem Lande. Dieser Junge war mir eigentlich von Natur zuwider, da er mancherlei fatale Angewohnheiten hatte und sich immer auf eine widrige Weise rückte, reckte und streckte, sodaß seine dürren Hände immer lang aus den zu kurz gewordenen Ärmeln des Rocks herausragten, er mochte wohl an einer Art von Veitstanz leiden. Noch be sinne ich mich auf den Vorfall, daß mich einmal ein andrer Junge fragte: „Du, Karle, kannst du Heedeschnetders gutt leiden?" und da ich entgegnete: „Na, den kann ich garnicht leiden!" von jenem die Entgegnung erhielt: „Nuja, hä hat immer siche Histörchen (solche Historien). Ich hatte es sehr gern, wenn mir Pachters Friedel oder Michel fuchsrote Psaffhöseltrauben brachte, oder aus dem gelben Pfaffhösel-