Volltext Seite (XML)
Wie andere Kinder, verbrachte ich meine ersten Jahre mit Spielen in und außer der Wohnstube und mit Herumlaufen im Freien zu, wozu der Grasgartsn am Hause, der Lust garten gegenüber und der Kirchhof meine Tummelplätze waren. Auch hatte ich bei Zeiten ein Blumenbeetchen im Garten, welches mein eigenes hieß, und wunderte mich, daß manche Blumen, z.B.die Sonnenrosen, schneller und größer wuchsen als ich selbst und zerbrach mir manchmal den Kopf sehr darüber, daß die lang empocschießendsn Blumenstiele oder Blumenstengel, z. B. an der Sonnenrose, nicht über die Blumenlrrone hinauewuchsen und äußerte auch einmal laut meins Verwunderung darüber, daß, wenn der liebe Gott den Garten einmal gegossen, er auch sogar die Gänge mit be gossen habe. Den lieben Gott dachte ich mir als einen am Himmel herumspazierenden langen Mann, der den matt glänzenden Vollmond statt des Kopfes zwischen den Schultern habe. Das Türchen an unserem Garten war mir einmal ein wichtiger Gegenstand des Ärgernisses, weil ich mir einmal daran einen Finger eingequetscht hatte, der dann sehr bös wurde. Im Garten und auf der Wiese, sowie auch auf dem Kirch hof hatte ich, wie gesagt, meinen täglichen Tummelplatz; die Wiese bot mir bunte Blumen, soviel ich wollte; in unsrem Lustgarten, wo ich sie freilich nicht nach Belieben abreißen durfte, sammelte ich mir bunte Schncckenhäuschen, die sich darin nur zu reichlich verbreitet hatten, seitdem der Papa einmal eine Tüte voll Gartenschnecken uns aus einem Stadt garten mitgcbracht hatte. Aus dem Kirchhofe fand ich und sammelte ich öfters kleine flache Spanbrettchen, die vom Iiegeldache der Kirche (dem damals einzigen Iiegeldache im Dorfe) herabgesallen waren, so wie kleine Iiegslstückchen, um mir aus den letzteren rotes Iiegelmehl zu reiben. Jene, aus dem Kirchhofe zusammen gelesenen kleinen Brettchen wollte aber die Mama nicht gern im Hause leiden, weil sie erst nicht ganz traute, daß cs nicht vielleicht Brettchen von ganz kleinen Kindersärgel- chen sein möchten, die mit ausgegraben worden wären. Außer dem Pulver von Iiegelmehl machte ich mir auch weiße Pulver von gestoßenen Eierschalen, die in zusammengefaltete Papierchen getan wurden, wie die Pulver aus der Apotheke. Tat ich dann rotes und weißes Pulver zusammen, so hatte ich eine dritte Sorte zu meinem Schacher. Auch wurde Kreide kleingeschabt und in das Wasser meines Miniatur-Butter fasses getan, damit darin anscheinlich Milch zum Buttern sich befinde. Außerdem trug ich rote Eibischbeeren und Hagebutten im Herbste ein und reihste sie zu schönen prunkenden Ketten. Noch erinnere ich mich, daß wir Brüder einmal mit einem Nachbarjungen Streit bekamen, weil wir Hagebutten (dort nur „Hahndutten" genannt) auf einem Nachbarraine uns gepflückt hatten, die er als Eigentum seiner Eltern be anspruchte. Unser Feind war aber nur sehr klein und wahr scheinlich noch kleiner als wir, weshalb wir ihn msnig respek tierten und ihn von da an immer den „Hahnbutten-Knirps" nannten. Auch machte mir es dann und wann Vergnügen, mit einer Weiden- oder Haselschwuppe die üppig hochgewachsenen Nesseln zu köpfen, und war eine vorzüglich hoch, so nannten wir solche einen Richter, weil der Ortsrichter eben einbaum langer Mann war. Solche Richter wurden, ohne weiter revolutionäre Gesinnungen zu hegen, von uns immer am liebsten geköpft. Was wir von kindischen Frivolitäten selbst noch nicht wußten, das lernten wir von anderen Jungens, z. B. ein schmales Brettchen über einen Stein weg legen und den auf die niedrige Seite gelegten Spielball dadurch hoch in die Luft zu prellen, daß man mit einem Stocke die hohe Seite des Brettchens jählings niederschlug. Die Dorfjungen trieben diese aber leicht nachteilig werdende Weise noch weiter, indem sie auf eben diese Art kleine Steine, oder wohl gar eine lebendige Kröte, korribile äiotu, in die blaue Luft hinausprellten, unbekümmert, wie und wo dies herabfallen würde. Daß dies offenbar Tierquälerei war, ahnten wir kaum und es gab damals keine Antitierquälerei-Vereine, die so etwas verhindert hätten. Wenn wir auf unserer Wiese hinter dem Hause herum liefen, diente es auch wohl zu unserer Unterhaltung, wenn wir manchmal in dem sie begrenzenden Forellenbache eine bunte Forelle durch die Wellen hinschlüpfen sahen. Unsere Nachbarn erlaubten sich es aber nicht selten, die Forellen nutzung, die meine Eltern, soweit ihre Wiese ging, hatten, uns zu verkümmern, indem sie Kochtöpfe, die an ihren in wendigen Rändern noch Spuren von Milchbrei beherbergten, mit den Öffnungen ziemlich nahe aneinander in das Wasser legten, so daß manche nach dem Inhalt begierige Forelle hineingelockt wurde und sich nicht sobald wieder herausfand und aus diese Weise leicht von ihnen gefangen wurde. Eine täglich miederkehrende Unterhaltung war es mir auch, die Schulkinder um die Mittagsstunde hrimgehen zu sehen, und es war allerdings spaßhaft zu beobachten, wie sie erst aus dem benachbarten Schulhause, wo ihnen der Schulmeister Nachsehen mochte, und auch noch an unseren Fenstern vor über, sehr ordentlich und reputierlich mit ihren Bibeln oder Fibeln unterm Arme einher gingen, sobald sie aber um unsere Pserdestallecke herum waren, wie die Grasteusel einher sprangen. Spielzeug erhielten wir nur wenig angeschafft, wir hatten aber einen sogenannten Baukasten mit Holzklötzchen von 1 bis 10 Zoll verschiedener Länge und 1 Ioll Breite und Dicke, womit wir uns mancherlei kleine Bauten, Häuschen, Pyramiden und allerlei phantastische Gebäude ausführten, durch deren plärrenden Einsturz aber oft unser kleiner Bruder Gustav zur Unzeit aus dem Schlaf geweckt wurde. Auch hatten wir ein rotes, schwarzgepolstertes Wiegepferd, auf dem wir uns oft weidlich tummelten. Von Puppenstuben, Kindertheatern, magnetischen Fisch lein, oder Schwänen und dergleichen war überhaupt damals, selbst in Iittau, noch keine Spur; solche schöne Sachen ent behrten wir daher gänzlich. Ebenso hatten sich auch keine bleiernen Soldaten und Tiere zu uns verirrt; wir waren da her genötigt, solche Figuren von den bunten Bilderbogen zu nehmen, auszuschneidcn und auf ein Holzspänchen.in welches ein aufrechtes Hölzchen eingespießt wurde, zu kleben. Außer dem aber hatten wir auch noch sogenannte Soldaten aus Papier gebrochen, denen man kleine Flinten, Säbel, Feder büsche und nach Befinden kleine Trommeln von Goldpapier ankleben konnte. Solche aus Papier gebrochene Soldaten fabrizierte uns Tante Karoline, wie auch andere zierliche Dinge, als z. B. Vögel, Kähne, Schiffchen, Doppelhähne, Kästchen, Würzbüchsen auf vier Beinen, Ordenskränze und dergleichen, die uns mannigfach ergötzten und ich glaube, daß die leicht zu erlernende Kunstfertigkeit, solche Sächelchen zu fabrizieren, die auch wir nach und nach erlernten, noch heute jedes Kind untei halten wird, weshalb diese wohlfeile Kunst nie ausgehen sollte. Überdies hatte mein älterer Bruder eine kleine Geige, womit er, unten an der Treppe hintretend und schönstens musizierend, den Papa allemal zu Tische her unter geigte. (Fortsetzung folgt.)