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zurück. Der vergangenen Dienstzeit weinte er keine Träne nach; man hatte ihm seine Schwerfälligkeit austreiben, aus ihm über. Haupt einen anderen machen wollen, als er war. Nun freute er sich seiner Freiheit, und als junger Meister wurde er täglich stöhlicher. Sein Amboß sang früh das Dorf wach und abends i» den Schlaf. So verging ein Sommer, und dann sagte seine Mutter zu ihm, er solle sich doch nach einer Frau umsehen; denn sie werde es wohl auch nicht mehr lange machen, und was solle dann werden? Hermann hatte selbst schon solche Gedanken mit sich herumqetragen. Nicht bloß Gedanken, eine Sehnsucht. Vor seiner Militärzeit war er ein neutrales Wesen, kümmerte sich nicht wie seine Alters genossen um die Mädchen, ging nicht zum Tanz, gehörte nicht einmal dem Iugendverein an. Bei den Soldaten änderte sich das, dort ging er mit den Kameraden aus, erlernte sogar das Tanzen. Und das Weib spielte nun in seinem Denken und Träumen eine wichtige und immer schöne Rolle. Hätte die Mutter ihn gefragt, ob er denn eine wüßte, so wäre er gar nicht verlegen gewesen. Wohl wußte er eine! Eine Zarte, Liebe, Helle! Das war Merkers, des Gärtners, Mariechen. Sie hatte es ihm angetan, als ec sie nach seiner Rückkehr zum ersten Male sah. Und nun verließ ihr Bild den jungen Meister nicht mehr, ja, in den schönsten Träumen sah er sie als sein Weib. Doch blieb es bei der Schwärmerei, es entstand kein Willensentschluß in ihm. Das fand er nun, nachdem seine Mutter ihm die Heirat ans Herz gelegt hatte, selber merkwürdig. Hatte er sich denn eingebildet, daß zu einem jungen Meister die Mädchen selber kämen und um ihn warben? Jetzt wollte er jedenfalls nicht mehr länger warten. Der Schmied ging am folgenden Sonntag in den Kretscham zum Tanz. Er setzte sich zu den ältesten derIiingmänner, die sich über seine erstmalige Anwesenheit wunderten und ihn neckten, er wolle wohl Brautschau halten? „Na, schaun — ja schaun will ich schon, wenn ihr mir das ver- gönnt!" gab er lachend zurück. Er trank fröhlich mit den anderen und tanzte die Mädchen aus, die ihm die Flinkeren nicht schon weggeholt hatten. „Sieh einer an! Da denkt man, er kann kein Mädel anfassen! Und wie er's versteht! Bloß so große Schritte mußt du nicht machen!" Einer kam an der Seite seiner Tänzerin angehinkt, geradewegs auf Hermann zu. „Du, mich hat mal unsre Falbe auf den Fuß getreten, aber nicht halb so weh hat es getan als deine Bärlcttsch!" „O je", bedauerte Hermann. „Na, kommt nicht wieder vor!" Es kam aber doch noch mehrfach vor, nur waren es die Mädchen, die seinen schweren Tritt fühlen mußten. Ein flotter und leichter Tänzer war er auch als Soldat nicht gewesen, und nun war er schon wieder eine Zeit aus der Übung, da ging's nicht immer so glatt ab. Mit seiner Laune war's schon längst vorbei. Ein einziges Mal war's ihm geglückt, Merkers Mariechen für einen Rheinländer zu bekommen, sonst hatte man sie ihm immer weggeschnappt. Und dieser eine Tanz, so schön er gewesen war, befriedigte ihn nicht. Er hatte ja nichts mit dem Mariechen gesprochen, kein ein ziges Wort. Ohrfeigen hätte er sich mögen, daß er die Gelegenheit so vertappt hatte. Jetzt, nun es zu spät war, fiel ihm eine ganze Menge ein, was er hätte sagen können. Etwa: „Aber fein hast du dich herausgemacht, Mariechen, in den Jahren, die ich nicht da war." Oder: „Na, Mariechen, du bist aber begehrt. Und's ist auch kein Wunder!" Und vieles andere. Na, vielleicht hatte er noch einmal Glück. Er versuchte sein Heil noch oft, immer umsonst. Den Burschen war es natürlich ausgefallen, den Mädchen noch viel eher, daß der Schmied auf das Mariechen fahndete. Man hänselte ihn: ei ja, er wisse wohl was schön sei! Er ließ sich nichts merken von seinerinneren Erregung und ging auf alleScherze ein. Und dann führte er sie doch noch einmal zum Tanz. Er hatte es ganz schlau gemacht, bis zum Ende der Pause mit dem Mäd- chen, das er zurückgeführt hatte, sich unterhalten und beim ersten Tone der Musikanten sich nur umgedreht, um die holdeste der Wartenden durch ein Kopfnicken zu engagieren. Er sah sie oft an, lächelte sie an, und es durchrieselte ihn heiß, wenn ihre Augen den seinen begegneten, „'s ist reckt voll hier!" sagte er. „Ich dächte nicht, da ist doch sonst ein ander Leben!" „So." Schon war die Tour zu Ende. Zufrieden kehrte er an seinen Platz zurück. Den nächsten Tanz blieb er sitzen. Er verfolgte Mariechen, das mit dem Forsteleven walzte. Wie der schöntat mit ihr! Wie sie beide sich unterhielten und lachten! Dieser Forsteleve hatte sie ihm schon einige Male weggeschnappt, Hermann besann sich jetzt ganz genau Wieder kamen sie vorüber. Im muntersten Scherzen. Da fiel ihm ein, was er mit ihr geredet hatte. Dumm war's gewesen; denn tat- sächlich war d»e Beteiligung an dieser Tanzmusik ganz gering, da ein Teil der Jugend im Nachbardorfe an einem Turnfeste teil- nahm. Und er hatte gesagt: „'s ist recht voll hier!" Was für ein Ochse war er! Da war's nun ganz aus mit seiner Laune und mit seinem Mute, und während der nächsten Tanztour verließ er den Saal. Am Montagmorgc» stand er etwas später auf als sonst. Seine Mutter war sehr neugierig, wie es ihm gefallen, ob er viel ge tanzt habe und mit wem. Als er aber mit ganz mürrischem Ge sichte ankam und den Lehrjungen wegen einer Kleinigkeit anfuhr wie sonst noch nie, da dachte sie sich das Beste und unterließ das Fragen. Für Hermann gab es böse Tage. „Ich will sic! Ich muß sie haben!" sprach er zu sich. Und: „Dieser Kerl soll sie mir nicht wegscharmuzieren! Ich lasse sie nicht!" (Schluß folgt.) Frühlingsboten in der Pflanzenwelt IN Rande des Waldes, inmitten des noch kahlen Schle- hengebüsches, leuchtem dem Wanderer jetzt hier und da purpurne Blüten des Kellerhalses oder Seidelbastes (vapttne merereum) entgegen. Wie ein Märchen mutet dieser nur kaum bis Hüfthöhe, immer seltener werdende Strauch an, dem die Blätter fast noch völlig fehlen. Seine Blüten, meist zu dreien, scheinen direkt aus dem kahlen Stamme hervor- zubrechen. Ein starker Mandelduft entströmt ihnen. Aber Bor- sicht ist geboten. Ein schweres Gift ist in allen Teilen dieser Pflanze enthalten. Mag seine Rinde auch arzneilich verwendet werden, mögen auch Drosseln seine roten Beeren, allerdings ohne Kerne, verzehren, so kann er doch Unheil anrichten. Schon der Saft brennt scharf auf der Haut und kann Blasen ziehen. Diese Giftigkeit allein sollte davon abhalten, den Kellerhals zu pflücken, vor allem aber die Zerstreutheit seines Vorkommens. Während er in den Floren vor 20 Jahren noch als „verbreitet" geführt wurde, gehen seine Standorte jetzt allmählich zurück. Da nun der Kellerhals in seinen Blüten einen wichtigen Ausgangspunkt in der Entwicklungsgeschichte der Blüten überhaupt darstellt und, botanisch gesprochen, eine altertümliche Pflanze ist, sollte jeder Wanderer es für seine Pflicht halten, diesen merkwürdigen Früh lingsboten zu schützen, abgesehen davon, daß er auch unter dem Schutze des Gesetzes steht. Ganz besonderen Schutz verdienen aber jetzt die Schlüsselblumen oder Himmelschlüssel (strttnulu eiattor). Man kann nicht be- haupten, daß sie selten seien. Diese ausdauernde Pflanze lebt noch zu Tausenden auf unseren Wiesen und in den Gebüschen, und doch vermissen wir ihre wunderbare Goldstickerei immer mehr im grünen Frühlingsteppich. Dafür kann man sehen, wie Spa- ziergänger dicke Sträuße davon massenhaft nach Hause tragen, wie Kinder hier und dort solche feilbieten oder wie gar Händ lerinnen mit dem Tragkorbe auf Raub ausgehen. Es sollte doch ein jeder bedenken, daß diese Blumen allen gehören, die Freude in der Natur suchen und zu finden hoffen, daß es ein Diebstahl an Schönheit ist, wenn man sie in Massen nach Hause trägt, unter Umständen unterwegs gar wieder wegwirft, und daß die Blumen verstreut im Wiesenteppich viel prächtiger wirken als daheim im Glase. — Beide Pflanzen sind auf Grund der Ministerial-Ber- ordnung vom 23. Mai 1923 geschützt. Das Abpflücken ist ver- boten und wird mit Geldstrafe bis zu 150 Mark bestraft. Die Wanderer werden gebeten, der Gendarmerie die Blumenräuber zuzuführen, (L. S. H.)