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Der Schmied Bon Oskar Schwär er Schmied hat in der niederen Mühle gearbeitet und geht nun mit stetem, gleichmäßigem Schritt, die großen Füße weit auswärts setzend, nach Hause. Er ist ein Goliath. Seine Glieder sind nicht rundlich und fettgepolstert, sondern nur mächtige, von dicker Hornhaut überzogene Knochen, die arbeiten wie die Kolbenstangen einer Maschine. Die Finger der rechten Hand umklammern die Stiele eines größeren und eines kleineren Hammers, eine Zange und einen zollstarken Eisenstab. In der linken Hand trägt er eine Pflugschar, doch nur mit vier Fingern; der Mittelfinger bildet einen Haken, an dem mit dem Ringe eine Geschirrwage mit zwei Ortscheiten hängt. Die etwas vorgeneigte Brust bleibt trotz des Schurzfells, das sie deckt, ziemlich flach. Der Nacken ist der eines Stieres. Auf hm sitzt ein zu kleiner Kopf mit kurzen, aber dichten schwarzen Haaren. Das Gesicht gleicht in seiner Düsternis der dunklen Halle der Schmiede: wie diese nur hin und wieder der Schein des frisch angeblasenen Herdfeuers aufhellt, so blitzt auch in diesem Gesicht nur ab und zu das Feuer der tiefen Augen auf, grell, unheimlich, ob es nun ein Lachen oder einen donnernden Fluch begleitet. Die starken Backenknochen, die langen Augen brauen, der kurze Bart und der breite, blaßlippige Mund sind kaum zu unterscheiden, da Ruß und Schweiß diesem Antlitz den matten, dunklen Glanz einer Kupferstatue verliehen haben. Ein Bauer begegnet jetzt dem Schmiede und ruft ihm schon aus ziemlicher Entfernung zu: „Gut, daß ich dich treffe! Mit meiner Dreschmaschine hat's wieder den Teufel!" Der Schmied schreitet, ais hätte er nichts gehört, weiter. „Das möchte gleich gemacht werden. Wann denkst du denn, Schmied?" Aber er kann mit seiner Frage den Schmied nicht erbremsen: der schreitet weiter. Der Bauer kehrt um und geht mit ihm zurück. „Ich will nämlich dreschen, sobald's wieder mantscht. Und das kann morgen schon sein. Es heult mir so dumm um die Scheunen- ecke, so vom Rothstein her, da ist der Regen allemal schon unter wegs." „Was denn?" fragt der Schmied, ohne sich dem Begleiter zu- zuwenden, wie wenn er, während er das Eisen dreht, mit dem Hammer zweimal kurz auf den Amboß schlüge. „Nu, das Korn muß ich doch ausdreschen, weil ich's in der Scheune nicht unterbringen kann." „Was an der Maschine ist?" Es klingt lauter und härter, wie wenn der Hammer, weil der Lehrjunge nicht gleich bei der Hand ist, ungeduldig auf den Amboß springt. „Ja so", sagt der Bauer gedehnt. „Ich denke, was ich dresche? Na, die Zähne brechen wieder mal aus dem einen Rade. Aber das dauert ja bei dir nicht lange, das kannst du im Bocübergehen machen." „Morgen früh!" „Schön! Morgen früh. Also ich rechne darauf, denn wenn's fletzt, was soll einer da sonst machen? Vergiß es aber nicht, Schmied!" Und er kehrt um. Und der Schmied schreitet immer noch im gleichen Takte. Auch die Last in seinen Händen hat er nicht gewechselt. Wie eiserne Klammern sind die Finger, es ist gleich, ob die Last eine Minute oder einen Tag daran hängt. Nun ist er bald da. Uber das Ufergesträuch seines Baches hin- weg grüßt ihn schon seine herrliche, hohe Linde. Wie ein mächtiger Turm erhebt sie sich vor dem niedrigen, breiten Hause. Räder, Reifen, Wagenteile lehnen an ihrem Stamm. Ein buntes Allerlei aus Holz und Eisen breitet sich unter ihr aus. Geruch von Farbe, verbranntem Huf, verkohltem Holz ist da unten. Aber die Herr- liche Krone steht In süßem Duft. Oft bildet der Baum ein Hinder nis, man kann mit ganzen Geschirren, Deichseln, Stangen nicht hantieren, wie man will. Aber der Schmied schont ihn; denn er liebt Ihn. Das Gezwitscher der Vögel und das Gesumme der Bienen da oben deucht ihm noch schöner als das Tönen des Am boß unter seinem Hammer. Helles, frohes Gelärm aus Kinderkehlen dringt ihm entgegen. Das mag er auch gern, nach dem sehnt er sich manchmal, kann er's doch nur selten aus der Nähe haben. „Aha", denkt er, wie er's jetzt hört, „Kinder sind da. Turnen aus den Hofewagen herum, die heute gekommen sind. Ist ein Spaß für die. Glaub ich!" Und wehmütig fügt er hinzu: „Können's ja auch. Gern. Meinet- wegen. Ich freß keinen. Aber ob sie bleiben?" Und er hebt das Gesicht, wie er nun über die Brücke schreitet: ob sie bleiben? „Der Schmied kommt!" ruft eine Knabenstimme. Und schon klettert's aus den Wagen, springt's von den Rädern, rennt's nach allen Seiten. „Na ja, dacht ich's nicht!" brummt der Schmied vor sich hin. Und das ist so ein Augenblick, wo die Augen aus seinem finstern Gesichte blitzen. Wenn's die Kinder sehen, so nehmen sie es für ein Zeichen des Zorns. Aber das ist es nicht. Der Schmied schielt im Gehen nach links und nach rechts: keiner der Buben ist mehr zu sehen. Doch, einer kommt eben aus der Tür, hat drin wohl dem Lehr- jungen zugeschaut. In blinder Angst rennt er davon. „Heda, Bannemann, komm her!" War das grob gewesen? Gemeint war's freundlich, Aber der Junge hält nicht, rennt atemlos. „Hm!" macht der Schmied bitter. Die Wage wirft er unter die Linde, daß es nur so knallt. Die Jungen, die um die nachbarliche Hausecke spähen, denken: „Gott sei Dank, daß wir entkamen!" Bon klein an ist ihnen der Schmied als Popanz hingestellt worden. Wenn sie nicht folgten, sagte die Mutier: „Wart, ich sag's dem Schmied! Der wird's dir bei- bringen, wenn der dich unter seine Tatzen kriegt!" Sie haben oft das finstere Gesicht, das unheimiiche Blitzen der Augen gesehen und von weitem auch, wie er mit dem schweren Hammer weit ausholt und zuschlägt, daß das Eisen wie Teig auseinanderfährt. Und jetzt, als die Wage kracht, geht's den Furchtsamsten unter ihnen durch Mark un» Bein. An der Bohrmaschine arbeitet der Lehrjunge Karl. Der Schmied sieht nicht hin. Er geht an den Herd, wirst Hämmer und Zange auf den breiten Stein, auf dem der Amboß steht und steckt den Eisenstab in das Kohlenhäuflein. Mit der Linken zieht er den Blasebalg. Da kommt aus der kleinen Tür im finstern Winkel die alte Schmiedin, ein krummes, verhuzeltes Mütterchen, geguckt: „Nu, Hermann, kommst du nicht zum Esten? Es ist doch schon so spät!" „Karl, geh, ich muß das hier fertigmachen!" Die Alte erspart sich weitere Worte. Wenn er aus der Mühle kommt, ist er allemal so schrullig, sie kennt das schon. Nun ist der Schmied allein. Das hat er bloß gewollt. Mccha- nisch zieht er den Blasebalg. Seine Augen haften an dem Feuer. Das fährt so rot empor wie zischende Schlangen, die aufgestört worden sind; denn mit dem Eisen, das schon längst glüht, stochert er fortwährend in ihm herum. „Ich muß es leiden! Ich bin der Popanz!" sagt er zu sich selbst. „Ja, ja", flüstert das Feuer, das er immer noch anbläst. „Hm , nickt der Schmied. Endlich nimmt er den weißleuchtenden Stab heraus, hält ihn aus den Amboß und schlägt mit dem Hammer, daß die Funken durch die ganze Halle sprühen. Nur diesen einen Schlag tut er. Der Hammer ruht auf dem Amboß. Des Schmiedes Augen leuchten aus dem nun wieder dunklen Raume, flackern aber nicht wie die Flamme, starr ist ihr Licht. „Ich bin der Popanz! Was will ich!" Es ist zwar schon langeher, was er meint, aber es lebt allemal wieder auf, wenn er in der Mühle gewesen ist, und der Feuer- schein zeigt ihm dann ein Bild, das ihn bannt wie ein Zauber. Seine Geschichte ist aber die: Der Vater war gestorben. Hermann übernahm die Schmiede. Er war dazumal vierundzwanzig Jahre, eben von den Soldaten