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Es müßten also von den bemerkenswerteren Gebäuden und Gebäudegruppen, von den verschiedenen Ortsteilen Bilder gesammelt werden, nicht weniger von der landschaft lichen Umgebung, und unter Umständen würde eine Wieder holung solcher Aufnahmen nach Jahrzehnten, möglichst genau von denselben Punkten aus, interessante Vergleiche ermög lichen. Auch von Dorfbewohnern in chm aktcristischer(Berufs-) Kleidung, Haar- und Barttrocht, bei charakteristischen Ar beiten wären Bilder zu beschaffen. Söhne des Ortes in ihren Uniformen während des letzten Krieges dürften der Bilder sammlung zum Beispiel nicht fehlen. Vielleicht könnte ein- gehende Kenntnis sogar etwas wie eine charakteristische Gesichtsbildung im Porträt festhalten. Ich lasse dahingestellt, ob es die für eine geschichtliche Ortssammlung bei geschickter Werbetätigkeit flüssig zu machenden Mittel übersteigt, wenn die Mundart des Ortes phonographtsch ausgenommen würde. Die rasch abnehmende Seßhaftigkeit, die allgemeine wechselseitige Durchdringung der Beoölkerungsteile Deutschlands, der moderne Verkehr scheinen die rein ausgeprägten Mundarten einer raschen Verwischung und Auflösung zuführen zu wollen. Schrift liche Wiedergabe der Mundart ist aber nur ganz an deutungsweise möglich, wie jeder weiß, der die mancherlei Versuche unserer Heimatdichter auf diesem Gebiete verfolgt hat. Die Schrift kann höchstens dem Kenner der Mund art den vertrauten Wortklang ins Gedächtnis zurückrufen, seine n inneren Ohr eine bescheidene Stütze sein. Sie reicht nicht aus, die Kenntnis des Dialekts einer ferneren Zu kunft zu übermitteln, die vielleicht zu ganz anderer Laut bildung und -bezeichnung übergcgangen ist. Sind freilich phonographische Aufnahmen unmöglich, dann müssen wohl oder übel schriftliche Proben der Mundart, so genau als eben tunlich, im Archiv niedergelegt werden. Es war bei der Familiensammlung schon von Wirtschafts- (Ausgaben-)Büchern die Rede. Wo keine Erben ein näheres Recht in Anspruch nehmen, sollten vollständig und übersicht lich geführte Hefte dieser Art in die Ortssammlung über gehen; sind sie doch für die Wirtschaftsgeschichte immer mehr zu hochgeschätzten Quellen geworden. Soweit die erledigten Rechnungen der Kirch- und Ge meindeverwaltung nicht an Zentralstellen abgeliesert werden müssen, wird sich auch unter ihnen manches von Belang für die Ortssammlung finden. Im Archiv niederlegen kann und soll man solche Dokumente in reichlicher Menge. Damit be fürworte ich keineswegs, sie in aller Breite in den Orts geschichten abzudrucken. Wo ein solcher Abdruck bisher ge- schehen ist, beweist er übrigens nur, wie wenige derartige Quellen dem Verfasser mangels rechtzeitiger Sammlung zur Verfügung standen und wie kostbar sie ihm daher erschienen sind. Den künftigen Geschichtsschreiber des Ortes für die Darstellung unserer Zeit vor solcher Lage zu bewahren, ist ein Hauptzweck unseres Archivs. Wichtige Stücke der Ortssammlung sind ferner die Flur karten verschiedenen Alters. Bon jeder kartenmäßig darstell baren Veränderung in der Flur (Zusammenkauf oder Ab trennung, Straßenbau, Abholzen oder Aufforsten, Par zellierung, Bebauung u. ä.) müßten in Zukunft wenigstens Teilskizzen zur Flurkarte in genügend großem Maßstab niedergelegt werden. Zu einem Ortsarchio, wie ich es mir denke, würden dann vor allem noch statistische Auszeichnungen der verschiedensten Art gehören. Uber Einwohnerzahl, Viehhaltung und Ernte erträge wären die Zahlen wohl einfach den amtlichen Er hebungen zu entnehmen. Zu einer Sonderübersicht für den betreffenden Ort zusammengestellt, würden sie im Laufe der Zeit doch etwas Neues über die amtliche Erhebung hinaus, nämlich eine wirtschaftliche Entwicklungsgeschichte des Ortes in Zahlen, ergeben. Hinzutreten müßten aber noch zahlreiche nicht amtlich geforderte Erhebungen, die ebenfalls zum großen Teil, ohne Belästigung der Einwohner mit Fragen, aus den Hauslisten etwa zu erhalten wären. Ich nenne nur aus meinem eigenen Interessenbereich Aufstellungen über den Wechsel und die Häufigkeit der einzelnen Vornamen, wie bald diese, bald jene beliebt werden oder aus der Mode kommen. Ich denke ferner an Listen über die Seßhaftigkeit, das Ab- und Zuwandern der Ortseinwohner. Uber Zahl und Bauart der Gebäude im Ort, etwa die verschiedenen Fachwerkkonstruktionen, ihre Häufigkeit, ihr Alter und ihre Wandlung kann man sich ebenfalls meist durch den bloßen Augenschein, fast ohne Befragen unterrichten. Die Flurnamen vor allem müßten nun wirklich voll- ständig, Parzelle für Parzelle, gesammelt werden. Die früher in dieser Angelegenheit ausgesandten Fragebogen sind, soviel ich sehe, sehr unvollständig ausgefllllt worden. Sie enthalten vermutlich nur, was der Beantworter für ungewöhnlich und interessant hielt. Eine solche Auswahl sollte sich der Sammler aber keinesfalls gestatten, da er nicht voraussehen kann, mit welchen Fragen andere Forscher und künftige Chronisten an den von ihm gesammelten Stoff herantreten, und ob unter neuen Gesichtswinkeln oder für den Fachgelehrten nicht Flurnamen höchst aufschlußreich werden, die ihm belanglos erschienen. Für diesen Gegen stand ist Befragen der einzelnen Besitzer neben der Äus- Nutzung von Grundbuch und Flurkarte allerdings unver meidlich. Ich habe aber bei eigenen Erhebungen dieser Art stets größte Bereitwilligkeit gefunden. Eng mit der Sammlung der Flurnamen verbunden ist die Aufzeichnung der diese Namen zuweilen erklärenden oder sonst zu den betreffenden Flurstücken in Beziehung stehenden Sagen und (wenn auch noch so unverbürgten) Überlieferungen jeder Art. Auch hier sollte der Sammler sich jede Auslese und Kritik versagen und zunächst nur alles vollständig aufzeichnen, natürlich ohne etwa durch seine Dar stellungsweise einer Verwechselung mit gesicherter Über lieferung Vorschub zu leisten. Er müßte es künftiger — eigener oder fremder — Arbeit überlassen, was von dem Gesammelten doch vielleicht irgend einen Schluß auf frühere Verhältnisse zulassen will. Schließlich sollte über jedes bemerkenswerte Vorkommnis (Maßnahmen in Kriegs-und Notzeit, Naturereignisse, Feste) ein Bericht von zuständiger Stelle, je nach Umständen mit Bildern und Zeitungsausschnitten, in unser Archiv auf- genommen werden. Und wie schon erwähnt — nicht nur das Außergewöhnliche und Ereignishafte, sondern gerade der noch voll lebendige, von niemandem als etwas Be sonderes betrachtete Zustand — die Berpachtungs- und Nutzungsart der Jagd im Flurbereich etwa — sollte in Einzelaufsätzen dargestellt werden. Darin muß sich die be sondere Gabe des spezifisch geschichtlich empfindenden Menschen offenbaren, vieles als merkwürdig, bedeutsam, beziehungsreich und der Darstellung und Aufzeichnung für wert zu erkennen, was die anderen als selbstverständlich und unveränderlich ohne Nachdenken hinnehmen. — Auch eine kleine Bibliothek müßte dem Archiv ange gliedert sein mit allen Werken, die in geschichtlicher oder naturwissenschaftlicher Betrachtung auch nur etwas aus«