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78 Gbevlaufltzer HelmaizeltunZ^r. f Bruchteil, auf den man bei sehr großem Raummangel selbst gänzlich verzichten kann. Für den verhältnismäßig kleinen Kreis einer Familiensammlung sind die weiträumigen Häuser unserer größeren Güter doch in einer recht beneidenswerten Lage. Sie können an Möbeln und Gewändern vieles be wahren (und bewahren es oft tatsächlich schon), was aus einem anderen, engeren Heim unerbittlich durch neue Be dürfnisse und ihre Gerätschaften verdrängt wird. Einen Schrank wenigstens oder eine einzige Schublade sollte aber jede Familie den Erinnerungen an ihre Vorfahren gönnen. Geschieht dies und wird den alten Andenken nur einige Achtung gezollt, so handelt der Verwalter einer Ortssamm- lung nicht immer richtig, wenn er einem Hause irgend etwas für seine Sammlung entnimmt. So regen Anteil kann der Fremde, wenn er auch Heimatgenosse ist, an einem Gegen- stände gar nicht nehmen, wie der unmittelbare Nachkomme der Erzeuger, Gebraucher, Besitzer selbst. So lange also Familienangehörige da sind, bereit und imstande, die An- denken an ihre Vorfahren zu pflegen, sollten diese Andenken im Hause belassen werden. Auch wirkt der Gegenstand als einzelner, in seiner alten Umgebung ganz anders als im Museumsschrank unter vielen ähnlichen. So lange er im Hause bleibt, bleibt ein Hauch des alten Lebens in ihm. Zwischen dem Hausandenken und dem Museumsschaustück ist der Unterschied so groß wie zwischen der Blume im Garten — oder doch im Glase — und dem dürren Stengel im Her barium. Selbst der Wunsch, daß hervorragend schöne und seltene Stücke dem Liebhaber und Kenner zugänglich sein möchten, braucht nicht notwendig ihre Versetzung ins Museum zu bedingen. Im Hause eines bereitwilligen Besitzers werden Kennerbesuche nur die Freude des Besitzens und die Freude des Betrachtens erhöhen. Wie viel tiefer hat sich mir die Schönheit einer Reihe von alten Tellern eingeprägt, die ich in einer Lichtenberger Wohnstube vorfand, als die Menge ähnlicher Arbeiten von vielleicht sogar größerer Vollkommen heit, die ich in berühmten Museen beisammen sah! Für die Ortssammlung bleibt noch immer genug übrig: Zunächst der Nachlaß von Leuten ohne nahe verwandte Erben oder von Leuten mit verständnislosen Erben, sodann die Fälle, wo Raummangel oder wirtschaftliche Not zur Veräußerung zwingen oder wo mangelndes Interesse die Gefahr eines Verkaufs an auswärtige Sammler naherückt. Zu einer stillschweigenden Überwachung der auf solche Weise gefährdeten Schätze seines Dorfes möchte der Ortssammler sich freilich einen möglichst vollständigen Überblick über die selben verschaffen. Ich wiederhole hier, daß neben dieser Sammlung und Überwachung der eigentlichen Altertümer hergehen, ja mehr und mehr in den Vordergrund treten muß die rechtzeitige Auswahl von Dingen, die eben erst an- fangen, leise altertümlich zu werden. Nun bin ich aber vor allem der Meinung, daß der Familien- wie der Ortssammlung von allerlei Gegenständen („Überresten" nach dem Sprachgebrauch des Historikers) zur Seite treten sollte eine Sammlung von Schrift», Druck- und Bilderwerk, also ein Archiv („Geschichtsquellen im engeren Sinne"). Ein solches Ortsarchio würde natürlich nicht wie die übrige Sammlung jedem Besucher offen stehen, sondern nur der Durchsicht des Fachmannes, und es würde vor allem dem künftigen Geschichtsschreiber des Ortes seine reichen Quellen öffnen. Diesem Teile der Sammlung, dem Orts-(Familien-)archiv, gilt die Mehrzahl meiner Anregungen. Zunächst einiges Technische: Alle Aufzeichnungen müßten auf gutes, haltbares (holzfreies) Papier erfolgen. Wo von wichtigen Zeitungsberichten ein Sonderabzug auf geeig netem Papier nicht zu erlangen ist, empfiehlt sich Nieder legen einer Abschrift. — Einen großen Vorteil früheren Zeiten gegenüber bedeutet für uns das Lichtbild. Doch stehen seinen Vorzügen — z. B. großer objektiver Richtigkeit und Vollständigkeit der Wiedergabe — auch Nachteile gegenüber (vor allem begrenzte, namentlich durch ungeeignete Klebstoffe oft gefährdete Haltbarkeit). In jedem Falle behauptet sich die Zeichnung auch für unsere Zwecke durchaus neben dem Lichtbild, zumal sie noch die Möglichkeit künstlerisch charakterisierender Hervorhebung unter Weglassen des Un wichtigen hat. Was irgend aber an Bildwerk und Gegenständen in die Familien- oder Ortssammlung ausgenommen werden soll, muß sofort ausführlich bezeichnet werden. Der Sammler selbst zwar kennt die dargestellten Menschen und Dinge auf einem Lichtbild noch — und wer weiß, ob nicht ihn selbst schon nach wenigen Jahren das Gedächtnis im Stiche läßt! Aber er sammelt ja nicht für fick, sondern für unbekannte Spätere, und für sie würden die aufbeivahrten Dinge ohne genaue Bezeichnung einen wesentlichen Teil ihres Wertes verloren haben. Eine allererste, dürftigste Sammlung im Sinne unseres Familienarchios stellen die seit längerer Zeit von amts- wegen ausgegebenen oder doch zugelassenen Familien- Stammbücher dar, welche die Geburts-, Trauungs-, Sterbe urkunden vereinigen. Aber die Sammlung müßte natürlich wesentlich erweitert werden. Erste Kinderzeichnungen, erste Schreibhefte, Schulzeugnisse, Zeichnungen und Aufsätze der reiferen Schulzeit werden überall einen ähnlichen Anfang ergeben; das weitere aber hängt ganz von dem Beruf der Familienmitglieder ab. Die Stichwörter: Lichtbilder, Tage buchaufzeichnungen, bedeutsame Briefe, Wirtschaftsbücher geben nur einiges besonders häufig Wiederkehrendes an. Für das Ortsarchiv sollte oberster Grundsatz sein, daß kein, auch kein geringer Eingriff im Dorf und seiner Flur geschehen darf, ohne daß der alte Zustand in Bild und Be gleitwort festgehallen wird. Wer auch nur wenige Jahre von einer vertrauten Gegend abwesend war, findet bei seiner Rückkehr manches Alte, manches Schöne unwiederbringlich verschwunden, und keine Heimatschutzbewegung wird daran auch in Zukunft viel ändern können. Es gibt so manche, namentlich wirtschaftliche Notwendigkeiten, denen entgegen- zutreten so aussichtslos als falsch wäre, und denen der Heimatschutz übrigens gar nicht entgegentreten will. An dieser Stelle sei es betont, daß auch unsere Vorschläge nicht von einseitiger Rückschau und Altertümelei eingegeben sind. Sondern gerade die Einsicht, daß im gesunden Gang der Dinge alles Alte Neuem weichen muß, läßt uns wünschen, das Alte rechtzeitig in Probestücken, in Wort und Bild zu retten für nachdenkliche Stunden der Erinnerung, mehr noch für aufschlußreiche Erkenntnis kommender Geschlechter, Er- Kenntnis, wie aus dem Früheren das Spätere geworden ist. Um wieder aus der näheren Umgebung von Reichenau Beispiele zu wählen für Veränderungen, wie ich sie meine: besitzen wir wohl noch Bilder von der eindrucksvollen Pappelallee, die aus dem Schladegrund nach Lichtenberg hinausstieg: sind gute Lichtbilder oder Zeichnungen erhalten von den eigenartigen,altertümlichen Fachwerkkonstruktionen im verschwundenen Nordtürchau?