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Gestalt, der schmale Kopf mit dem breiten Barte und dem langen Haar, das ihm fast bis zur Schulter reichte, das erinnerte fast ebensosehr an Christus wie das Bildnis des Christusmalers Dürer. Knespel war stolz daraus. Jahr zehntelang hat er die Rolle des Heilands gespielt, und ein eigenes Geschick fügte es, daß er in ihr auch starb. Am Karfreitag, während in der Kirche die Passion gesungen wurde, verschied er still und friedlich. Es war etwas vom Wesen Christi auch in sein Wesen übergegangen Er hatte ein ehrwürdiges Aussehen und war leutselig und liebens würdig zu jedermann. Darum achtete ihn auch die ganze Gemeinde, und man kannte es nicht anders, als daß die Schuljugend ihn grüßte, wo er ihr begegnete. Seit seinem Heimgange hatte die Rolle säst jedes Jahr den Darsteller gewechselt, und es war schon darum nicht leicht zu wissen, wer sie spielte. Die Kriegsknechte schleppten Christus über die Gabler Straße und die Baderdrücke zum Hause des Annas auf dem Ringe. Eine große Menschenmenge zog hinterdrein. Es folgte das Verhör vor Kaiphas und schließlich die Überantwortung an Pilatus. Alles wurde so dargestellt, wie es in der Bibel verzeichnet ist. Bei der Geißelung des Herrn traten auch die Zwickauer Büßer auf und führten der Menge ihre Selbst geißelungen vor. Das war alljährlich so Brauch. Und sie hiel ten nicht eher ein, als bis das Blut ihnen am Körper nieder lief und die Menge in Ach- und Wehrufe ausbrach. Darauf nahm das Spiel seinen Fortgang. Barabas wurde dem Volke vorgeführt. Es war Kasimir Naumann. Er war für diese Rolle wie geschaffen. Denn er war eine vierschrötige Gestalt mit derben Zügen. Durch sein rauhes Wesen war er in der Stadt nicht gerade in bester Erinnerung. Am späten Nachmittag setzte sich der Zug nach Golgatha in Bewegung, nach dem vor der Stadt gelegenen Kalvarienberge, der da mals noch das „Nüssebergel" hieß. Tausende und Abertau sende solgten dem Zuge. Als die letzten zum Tore hinaus waren, lag die Stadt wie ausgestorden. Nach dem Trubel >am Vormittag war die lautlose Stille beinahe unheimlich. Es war ein weiter Weg dis dahinaus. Die Menge hatte bald vergessen, daß sie Christus zum Tode führte. Die Alten erzählten einander von Basen und Gevattern, und die Fu gend trieb allerhand Allotria. Wo sie s gar zu toll trieben, da erschienen Tod und Teufel, die in Menschengestalt im Zuge mitliefen, und suchten die Sträflichen durch entsetzliche Grimassen und Gebärden einzuschüchtern. Doch gelang ihnen das nur selten, zumeist trug ihr Erscheinen nur zur allge meinen Belustigung bei. Oben am Berge blieb die Menge stehen. Zwei Kreuze waren errichtet. An ihnen hingen die beiden Schächer, der Schlosser Johann Friedrich und der Flickschuster Wenzel Bahle. Man kannte sie. Sie spielten diese Rollen solang man denken konnte. Das Volk machte eine Gasse, durch die mußte Christus, der sein Kreuz trug, gehen. Es war ein Spießrutenlaufen wie man es schlimmer sich nicht denken kann. Ein überlieferter Brauch räumte der Menge das Recht ein, den Heiland auf diesem Gange zu beschimpfen und zu verhöhen, wovon sie denn auch in reich lichem Maße Gebrauch machte. Sie glaubte, hier sei Gelegen- heit, allem Unflat freien Lauf zu lassen. Nicht genug, daß es von Flüchen, Verunglimpfungen; Schelt-und Schimpfworten übelster Sorte nur so hagelte, es wurden auch verdorbene Apfel, faule Eier und sonstige übelriechende Sachen aus den Jesus geworfen. Das alles ließ er geduldig über sich ergehen. Denn das gehörte zu seiner Rolle. Dann aber trug sich etwas zu, da» er doch nicht ungestraft hinnehmen zu können glaubte. Da war einer am Wege, der meinte in ihm den Burschen wieder zuerkennen, der ihm im Winter einen Sack Mehl vom Boden gestohlen hatte. Und da er keine bessere Gelegenheit wußte, ihn öffentlich zu brandmarken als hier, ries er, was er nur rufen konnte: „Mehldieb? Mehldieb!" in einem fort. Das war dem Guten denn doch zu viel und er sagte: „Nee, dos los'ch me ni gefolln!" Sprach's, legte sein Kreuz nieder, streifte sich die Ärmel herauf, packte den Schreier und ver abreichte ihm eine Tracht Prügel, daß er sich nur so krümmte. Denn jener hatte derbe Fäuste. Dann nahm er sein Kreuz wieder auf und trug es weiter als ob nichts geschehen wäre. Die Menge brach in Helles Gelächter aus. Mancherlei hatte sie im Laufe der Fahre bei den Karfreitagsspielsn schon ge hört und gesehen, so etwas aber hatte sie noch nicht erlebt. Sie wünschte aber im stillen, es möchte sich auch künftig derlei ereignen. Der andere aber stahl sich so rasch er konnte unauffällig aus der Menge heraus. Die Lust am weiteren Spiel war ihm für diesmal vergangen. Der Verspottete schien aber vom Unheil verfolgt zu werden. Im Handgemenge mochte sich seine Maske gelockert haben, und während man ihn am Kreuze hochzog, löste sie sich und fiel herab. Es war, als wollte die Gerechtigkeit den Verdacht, den jener auf ihn geworfen hatte, von ihm nehmen, denn nun wurde es allen offenbar. Er war wirklich kein Mehl dieb, er, der ehrbare Töpfermeister Johann Wenzel Fabian. Den Heiland freilich hat er nicht wieder spielen mögen. Es war auch nicht mehr nötig, das Volk hatte ihm ohnehin ein bleibendes Denkmal gesetzt. Er hieß der Herrgottstöpfer bis an sein Lebensende. Schützt die Natur! Die Pflanzenwelt unserer Heimat hat sich stark vermindert. Biele schöne Stücke sind vollständig ausgerottet worden, teilweise durch die fortschreitende Kultur, andernteils aber durch die Men schen, die sie in großen Massen pflückten und auf diese Weise ver nichteten. Durch landesbehördliche Verordnung vom23.Mai 1923 sind nachstehende Pflanzen geschützt worden: Türkenbund,Märzen becher, Wiesenschwertlilie, alle Knabenkräuter, Pfingstnelke, weiße Teichrose, Trollblume, Kuhschelle, Leberblümchen, Silberblatt, Sumpfporst, Schneeheide, wohlriechendes Primel, alle Enzian arten, Kellerhals, kuglige Rapunzel, Alpenlattich und Bergwohl verleih. Das Ausgraben, Ausreißen, Abpflücken oder Abschneiden dieser Pflanzen ist verboten: das Feilhalten, der Verkauf und die sonstige Veräußerung ebenfalls, ebenso der Ankauf der ge schützten Pflanzen, soweit es sich nicht nachweisbar um Erzeug nisse des Land- und Gartenbaues handelt. Übertretungen der Verordnung werden mit Geldstrafen und mit der Abnahme der geraubten Pflanzen geahndet. Biele Naturfreunde, Lehrer, Freunde der sächsischen Heimat haben sich dieses Fahr erboten, der Polizei bei der Durchführung der Verordnung behilflich zu sein. Es ergeht daher an Alle, die die Natur lieben, die Bitte, bei den Wanderungen durch's schöne Heimatland daran zu denken, daß die Blumen der Heimat nicht dazu da sind, abgerupft zu werden, um schon in wenigen Tagen in den Wohnungen zu verwelken. Diesem Zwecke dienen die in Gärtnereien gezogenen Pflanzen. Die Blumen in freier Natur wachsen, umalle Menschen zu er stenen : Lasset die Blumen stehen, Daß sie in Samen gehen Und Euch in nächsten Maien Genau so wie heut erfreuen!