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Auf Sachsens Blocksberg Von Otto Flösset, Bautzen m Lausitzer Land ist er gelegen. Kühn erhebt er sich über die Bergkette, die den Heidesaum vom Bergland scheidet. WW Dunkel schaut sein waldiger Rücken in die Straßen der alten Lausitzer Markgrasstadt Bautzen herein. Finster ist sein Name. Man heißt ihn Czorneboh, und das bedeutet soviel wie „schwarzer Gott". Die Sage weiß zu berichten, daß in Urväter- Zeiten das Wendenvolk dort droben seinem schwarzen Gotte Menschenopfer brachte. Gelehrte Leute freilich hören's nicht gern und sagen, man müsse ihn Schleifberg heißen, weil er von alters- her so geheißen habe, und sie weisen einem vergilbte Karten, auf denen sein Name so verzeichnet steht. Ja nun, was das Volk ein mal sein eigen nennt, an dem hält es auch fest. Die Leute in den kleinen Weberhäusern an seinem Fuße raunen einander allerlei geheimnisvolle Dinge zu von ihm — und auch von seinem Bruder, dem Bieleboh, der als „weißer, guter Gott" ganz dicht dabei sein Haupt erhebt. Es soll nicht recht geheuer sein in seinen dunklen Wäldern. Der Teufel treibe sein Unwesen da oben, sagen sie. Vieles ist Volksmär, was sie da zu missen meinen, mag's sein — und doch hat sich in den finsteren Waldbergen des Lausitzer Landes heidnischer Götterglaube lange Zeit hindurch zu verbergen gewußt. Noch heute, so will es einem scheinen, spuckt es hinter bemoosten Steinen am Waldboden von Kobolden und Wichteln. Kaum hat man die letzten Häuser der Stadt im Rücken, so steigt der Weg auch schon steil den Hang hinan. Durch Bauern- dörser geht er hin. Sie haben sich traulich an sonnige Lehne ge baut. Durch Wiesen und Felder geht er bergan. Immer und immer wieder bleibt man verweilend stehen, kehrt sich um und schaut hinein in das gesegnete Lausitzer Land, das sich sernhin weitet. Frei schweift der Blick die Bergketten auf und nieder, die sich zum Reigen hier die Hände reichen, von der Landeskrone bei Görlitz bis in die Kamenzer und Elstraer Gegend hin. Dann aber huscht der Weg in dunklen Tannenwald hinein, und gleich beginnt es geheimnisvoll zu flüstern. Denn Lzornebohs Reich ist nicht mehr fern. Der alte Ringwall dort auf dem Gipfel des Schmoritz, das soll ein alter Opferwall sein. Manche freilich meinen, ihn hätten die Kelten als Bergwall aufgeworfen. Sei's drum! Nun schleicht dec Weg an sonderlichen Fclsgebilden hin. Als riesige Granitklippen türmen sie sich auf dem Gipfel eines der Vorberge auf. Hromadnik ist diese Stelle geheißen, d.i. „Ver sammlungsort". Hier vereinigten sich der Sage nach die Wenden zu heimlichen Beratungen. Bon hier aus zogen sie in feierlichem Zuge nach den frommen Opscrstätten auf dem Gipfel des Lzorne- boh. Wer gewagt ist, der klettert wohl auf einen der mächtigen Blöcke hinauf. Er wird für alle Mühe des Kraxelns reich belohnt, denn von oben aus bietet sich ihm ein unvergeßliches Bild. Weit wandert das Auge ins Lausitzer Land hinein, das tief drunten sich meilenweit breitet. Zwischen braunen Stämmen und nickenden Tannenzweigen hindurch gewahrt er friedliche Bauerndörfer in braunem Felde. Wie aus Spielschachteln aufgebaut, so niedlich sehen sie aus. Und ganz fern dort imNorden, ivo es schon tief ins Preußische hineingeht, dort blaut in duft'gem Dunst die Lausitzer Heide aus! Felsbrocken liegen im Walde nmher. Es sind die Trümmer des prächtigen Schlosses, das in Vorzeiten der schwarze Gott bewohnte. Unter allen Schätzen, die er darin verborgen hielt, war ihm das liebste sein Töchterchen. Als aber der Christengott sein Kreuz auf dem Berge errichtete, da ward der alte Wenden gott zu Stein. Sein Schloß zerbarst, und sein Kind verwandelte sich in ein bescheidenes Beichen. Alle hundert Jahre, in der Wal- purgisnacht, erwacht die Jungfrau zum Leben. Dem es vergönnt ist, in dieser Nacht das Veilchen zu pflücken, deß eigen soll sie sein mit allen ihren Schätzen. Doch weiter! In schmalem Paßsattel liegt eine mächtige Stein platte am Wege, des Teusels Waschbecken wird sie geheißen. Sieht man genauer hin, so erkennt man im Stein zwei kessel artige Vertiefungen. Kessel nennt man die eine, Kacheltopf die andere. Hier sollen die Priester des schwarzen Gottes die heiligen Waschungen vollzogen haben. Auch sollen die Wallfahrer ihre Opfergaben mit geweihtem Wasser aus dem Becken besprengt haben. Noch heute bezeichnet der Bolksmund das Wasser als heilig, und abergläubische Leute meinen, es verleihe dem, der sich in ihm wäscht, dauernde Schönheit. Ein Stück abseits, im Walde, ragen die Fragesteine aus, son derlich geformte Felsklippen. In früheren Zeiten hieß wohl die ganze nördliche Seite des Berges Frageberg (Praschiza). Denn man meinte, daß das heidnische Orakel hier zu finden sei. Hier in den Iragesteinen war es zu Hause, und wer sich weisen Spruchs erholen wollte, der pilgerte hierher. Noch sieht man das Fenster, durch das die Gottheit Antwort gab, ein rundes Loch in mäch tigem Stein, das geradezu das „Teufelsfenster" geheißen ist. Manche wissen zu erzählen, daß hier die weisen Frauen gewohnt haben, um auf die Fragen des Volkes Antwort zu geben, und daß heute noch Kobolde in dem Stein ihr Wesen treiben. Zu weilen langen sie schalkhaft aus dem Fenster heraus und necken den einsamen Wanderer, der vorübergeht. Ängstliche haben darum versucht, die Höhlung zu verstopfen, doch wollen das die Wichteln nicht leiden, und immer wieder ist sie offen. Es geht die Sage, daß dem, welcher drei Steine durch die Öffnung wirft, ein reicher Schatz beschert werden soll. Wie die umherliegenden Steinchen erkennen lassen, haben sich schon viele in dieser Kunst versucht, der Schatz jedoch ist keinem noch geworden. Andere Steine in dieser Felsenreihe heißen „Teufelsküche" oder „Hölle". Früher zeigte man hier auch des „Teufels Hufeisen", einen Stein, der eine Vertiefung in Form eines Pserdehufes aufwies. Derartige Gebilde trifft man übrigens häufig auf den Lausitzer Bergen an. Sie sind einfach durch Auswitterung entstanden. Bis hinan zum Gipfel begegnet man noch mancherlei spuck- haften Felsgestalten, und oben selbst sieht man die „Teufelskanzel" und „Teufelsaltar". Bon jener herab ertönte dereinst das fromme Wort der Wendenpriester. Andächtig lauschten die Prozessionen, die aus allen Gegenden des Wendenlandes hierher zusammen strömten. Der schmale Durchgang, der früher unter dem Felsen hinweg führte, ist heute nicht mehr. Durch ihn nahm die gläubige Menge ihren Weg nach dem Teufelsaltar, einem hochragenden Felsen, auf dem sich jetzt der Aussichtsturm erhebt. Einst brachte auf ihm der Priester seine Opfer dar. Ein Stein dabei mit einer flachen Vertiefung in dec Mitte und einem seitlichen Rande soll zum Aussangen und Abstichen des Blutes gedient haben. Dicht bei dem Turme findet sich eine Reihe von Felsen. Die umwoh nenden Wenden nennen sie „Kaöka", d. i. Entchen. Früher sollen sie wirklich Entengestalt gehabt haben, denn heute kann man dergleichen kaum mehr erkennen. Auch will man wissen, daß in heidnischer Vorzeit an dieser Stelle das Sinnbild des schwarzen Gottes, eine tönerne Ente, gestanden haben soll. Mancherlei geheimnisvoller Zauber ist um den Berg gewoben. In sinnigen Sagen schlummert er jahrhundertelang im Volke. An einem Tage aber wird er lebendig : Walpurgis! Walpurgis, da fahren die Hexen und bösen Geister in wilder Jagd durch die Lüfte zum Brocken, um dort mit ihrem Herrn und Meister, dem Teufel, Orgien zu feiern. Das sollen sie nicht, sagen die Lausitzer Leute. Drüm schleppen sie am Walpurgistage Holz und Reißig am Berge zusammen zu hohen Haufen. Und wenn die Däm- merung ins Tal sinkt, dann lodern ringsum Hexenseuer auf. Burschen und Mädels sind aus den Dörfern heraufgestiegen. Sie schwingen brennende Besen im Kreise. Sie werfen sie hoch in die Luft, um so die Hexen zu brennen. Dann muß man einmal die Lausitzer Berge sehen! Rings in der Weite lodernde Brände. Fast ist's, als seien die altheidnischen Opferfeuer aufs neue ent glommen. Bon den Kämmen des Böhmerlandes grüßen sie herüber, über die alten wendischen Götterberge lodern sie weiter, leuchten hinein ins Flachland der Heide, aus dem die Flammen- zeichen Antwort geben. In der Geisterstunde endlich, da schließen sie den Kreis um die Feuer und tanzen den Hexenreigen. Und dann nimmt der Bursche sein „Hexlein" bei der Hand und springt mit ihr durch die Flammen. Sind aber die Feuer verschwelt, dann steigen sie wieder hinunter ins Tal. Dann geht ein Singen durch die Walpurgisnacht: „Der Mai ist gekommenl" Bon Berg