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,s Sonntag, 27. April (Gstermond) 1924 Nr. 6 MW Blatter fun 'Z Heimatkunde. A Scstristlestung und Geschäftsstelle st»' Reichenau, Sa. Fernsprecher Nr. 2IZ Hciuptfchriftloitung: Ttto Marx, Reichenau, 6a.; für Geschichte, Vorgeschichte, Volkskunde, Sagen und Aberglauben Dr. Frenzel, Bautzen, Wettinftrasss 48; für Naturwissenschaften Dr. Hsinke, Aittau, Komturftraßs 5; für Kunstgeschichte und Kunstgewerbe Dr. Reinhard Müller, Aittau, Stadtmujeum, Klostsrgajss 1. Manuskripten ist Rückporto beizusügsn, da sonst ein Anspruch auf Rücksendung nicht besteht. Postscheckkonto: Leipzig Nr. 27 534. Bankverbindung: Girokajjs Reichenau Nr. IS. privat- und Commerzbank A.-G., Aweigstelle Reichenau, 6a. Gswscbebank Reichenau, 6a. 5. Jahrgang Unbrrerhtigtrr E>Ml Nacii-rut-t» ^»^vendoesn Gefck)lLt)te, ^Kunst.^Litepaturo DnucS u-Vei-logiÄlwjnIIIarx (Jnh.OüoANolZ') Suölalisilzei' Wa<<,i'lct)^n.ReicI>enc>u^Sa. Wilhelm Fröhlich, ein Lausitzer Heimatkünstler ine ungemein zahlreiche Trauergemeinde, die sich aus allen Schichten der Bevölkerung zusammen- > setzte, hatte sich am 13-Oktober 1923 in der Zittauer Feuerbestattungshalle zusammengesunden, um dem am 9. Oktober aus einem arbeitsreichen Leben abberufenen Meister Wilhelm Fröhlich die letzten Ehren zu erweisen. Welcher Zittauer hätte nicht den bescheidenen, schlichten Menschen gekannt, der ein genialer Künstler gewesen ist, wenn auch vielleicht die „zünftigen" Akademiker an seinen Schöpfungen dies oder jenes bemängeln mögen? Er ist ein Künstler gewesen aus sich heraus, im treffendsten Sinne das, was man mit dem bekannten Fachausdrucke als einen Auto didakten bezeichnet, und sein höchster Ruhmestitel wird der bleiben, daß er trotz des Mangels jeder sachgemäßen, aka demischen Ausbildung und trotz gewisser technischer Unvoll kommenheiten eine so allgemein geachtete Stellung als Maler erringen konnte. Die Wiege des Meisters hat in dem freundlichen Dörfchen Beltsdorf bei Zittau gestanden, und sein Herz hat bis zum letzten Atemzuge an seinem Heimatsorte gehangen. Er war am 28. August 1849 geboren, an dem Tage, da man in ganz Deutschland den hundertsten Geburtstag Goethes beging. Er hat somit ein Alter von 74 Jahren 1 Monat II Tagen erreicht ur d das ihm anvertraute Pfund rechtschaffen ver waltet. Wenn je, so ist auf sein Dasein und seine rastlose Tätigkeit ohne Einschränkung das Wort des Psalmistcn anwendbar: sein Leben war köstlich, denn es ist Mühe und Arbeit gewesen. Als einem langjährigen Freunde des Heimgegangenen hatte man mir seinerzeit die ehrenvolle Ausgabe zugedacht, dem Verewigten die Trauerrede am Sarge zu halten, ein Ersuchen, dem ich mich natürlich unmöglich zu entziehen ver mochte, so tief mich persönlich der Tod des lieben Menschen berührte, mit dem mich von der gemeinsamen Arbeit im Zittauer Globus her so viele Fäden in hoher Wertschätzung und herzlicher Zuneigung verbanden. Bei dieser Gelegenheit wurde mir vorübergehend ein Tagebuch des bescheidenen Künstlers überlassen, das freilich nur bis zum Jahre 1908, wenige Monate über den Zeitpunkt des Beginnes unserer persönlichen Beziehungen hinaus, reicht, aber über die andern 6 Jahrzehnte seines arbeitsreichen Daseins aus- reichenden Ausschluß gibt. Als Leitspruch hat der Verfasser seinen Aufzeichnungen ein Wort des Dichters Oehlenschläger vorangesetzt, das den Sinn und Charakter des schlichten Mannes so recht treffend kennzeichnet: „Mich in die Ewigkeit zu wünschen, wenn Der Schmerz mich drückt — ja, das ist keine Tugend! Wer wünscht sich nicht von Schmerzen gern befreit? Doch als ein Hiob glücklich erst gedrihn, Geduldig dann sich in sein Schicksal fügen, Das Teuerste, das Köstlichste verlieren, Und doch mit Tränen in den Augen rufen: Gott gab, Er nahm — Sein Name sei gepriesen I Das, das ist christlich" Dte Knappen, zwanglosen Aufzeichnungen dieses Tage buchs, von dem ich mich nur schwer wieder trennen konnte, lassen mit plastischer Deutlichkeit alles erkennen, was des lieben Freundes Brust freudvoll und leidvoll bewegt hat, und in ihnen lebt Wilhelm Fröhlich weiter, so wie er wirk- lich gewesen ist. Klar erkennbar strahlt aus ihnen das Drei gestirn wider, das sein Tun und Denken bestimmte: Kunst, Heimat und Vaterland. Denen, die ihn persönlich ge- könnt haben, werden die Tagebuchblätter das Bild dieses echten oberlausitzer Kindes in wundervoller Harmonie er gänzen, und wenn man eine Würdigung seines Lebens und Wirkens versuchen will, so kann man nichts Besseres tun, als sich so eng als möglich an diese persönlichen Aufzeich- nungcn anzulehnen. Die Verhältnisse des elterlichen Hauses wurden be- stimmend für die Berufswahl des jungen Friedrich Wil- Helm Fröhlich, dessen erste Lebensjahre sich von der Kindheit anderer Lausitzer Dorfktnder kaum wesentlich unterschieden haben dürften. Sein offener Sinn mag sich schon zeitig gezeigt, sein reger Wissensdrang aber erst später betätigt und in un-