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Die Lausitzer Vortragsreihe des Sächsischen Landesvereins „tzeimatschutz" V. Volksliederabend L^^iQas Tiefste und Innerste der Volksseele tritt dein Gau- oder S-IAhM Landfremden gegenüber selten offen zutage, weil cs scheu ist NMkMi» wie eine Gazelle uud sich forschenden Blicken von außen her nicht gern zugänglich zeigt. Aber aus dcni unerschöpf- lichen Bronnen des Volksliedes quillt es und wird lebendig. Hier entschleiert sich, was im Gemüt eines Einzelnen vor geht und von Hunderten und Tausenden seiner Gemeinde oder seines Bolksstammes mitempfunden wird. Das Volkslied ist die Kunstform menschlichen Erlebens in der Alltäglichkeit, und zwar ost in so hoch entwickelter Gestalt, daß es, dauernder als Erz, Geschlechter überlebt. Und hat cs auch schon vor dreihundert Jahren von Lenz und Liebe gesungen, wie noch in unfern Tagen: jeder Abschnitt unserer Kultur geschichte hat doch seine besonderen Eigentümlichkeiten zeitlich, wie sie sich auch räumlich in jedem Gau, in jeder Landschaft finden. Im Volks liede spiegeln sie sich wieder, und deshalb soll und muß das Gute auf diesem Gebiete im Sinne der Heimatschutzbestrebungen erhalten bleiben. Es war ein glücklicher Gedanke, die erfolgreichen Zittauer Heimat schutzabende, die sich mit den verschiedensten Bctätigungsgebieten dieser Bestrebungen befaßt haben, im Volkslied ausklingen zu lassen. Der letzte Abend der diesjährigen Vortragsreihe sand am 12.Mai statt. Wieder waren die Kronensäle das Ziel einer wahren Völker wanderung und vermochten kaum, die unübersehbaren Scharen der Gäste zu fassen, die cs sich trotz des heftigen Gewitterregens nicht nehmen ließen, auch der Schlußveranstältung beizuwohnen. Und keiner der Hörer ist ohne tiefe innere Bereicherung wieder von dannen ge gangen. Ein besonderes Gepräge erhielt der Abend noch dadurch, daß Herr Oberbürgermeister Dr. Külz persönlich die Eröffnungsansprache übernommen hatte. Er kam noch einmal auf die gediegene Aus gestaltung der voranqegangenen vier Abende zu sprechen, die an Viel seitigkeit nichts zu wünschen ließen, und dankte mit herzlichen Worten im Namen der gesamten Hörerschaft für die ebenso belehrenden als genußreichen Darbietungen. In der Zeit des rohesten und wüstesten Materialismus seien diese tzeimatschutzvortrüge besonders dankens wert gewesen; daß sie einen derartigen, die kühnsten Erwartungen weit hinter sich lassenden Zuspruch gefunden hätten, sei ein günstiges Zeichen für Zittau und seine Nachbarschaft. Namentlich sei aber dem Landes verein dafür zu danken, daß er mit diesen hochwertigen und echt volks tümlichen Gaben den Hin» der Hörer für die Eigenart der Heimat, für heimische Kultur und Natur gestärkt und gefördert habe. Sein Dank gelte aber auch der Presse für ihre wohlwollende Unterstützung der Veranstaltung, sowie für ihre warmherzige und verständnisvolle Berichterstattung. Sehr zu wünschen wäre es, daß die Hörer ihrem Danke für das Gebotene auch praktischen Ausdruck geben möchten durch weitgehende Förderung der Heimatschutzziele: Erwerbung der Mitgliedschaft, durch Beteiligung an der bevorstehenden Heimatschutz lotterie, durch Unterstützung der heimischen Kunst und des heimischen Kunstgcwcrbes. Sein Wunsch sllr den letzten Abend gipfelte in dem Worte: „Ende gut, alles gut!" Im Anschluß an diese Ausführungen, die herzliche Zustimmung und allseitigen Beifall fanden, wickelte sich in rascher Folge die schein bar zwanglose, aber mit vornehmem Geschmack nach wohlerwogenen Gesichtspunkten ausgestellte Bortragsfolge ab. Sie war äußerst reich haltig, vermied aber glücklich die bei derartigen Anlässen leider so oft heraufbeschworene Gefahr der ermüdenden Überlastung und bot deutsche Volksliederperlcn aus vier Jahrhunderten. Die beiden Vortragenden Künstler boten abwechselnd zwei Reihen von je fünf Liedern. Übrigens war die ersprießliche Arbeit des Heimatschußes sogar in dem bei gegebenen Wortlaut der Lieder zu erkennen, in dem all die sinn widrigen Verballhornungen, die sich tm Laufe der Zeit eingeschlichen und selbst in namhaften Sammlerwerken Ausnahme gefunden haben, sorgfältig ihrem ursprünglichen Sinn entsprechend wiederhergestellt waren. Den Anfang machte Herr Konzertsängcr Bruno Reutet, ein sympathischer lyrischer Tenor mit leichter baritonaler Färbung, aber auch achtunggebietender müheloser Höhe. Seine prächtigen natürlichen Mittel eroberten ihm in Verbindung mit seiner liebenswürdigen, ungemein ausdrucksvollen Vortragsweise im Sturme die Herzen der Hörerschaft. Er beherrscht mit sprechender Plastik alle Register mensch lichen Empfindens und weiß seinen Liedern eine dramatische Steige rung zu geben, die ihn ebenso sür die Bühne wie für das Konzert podium befähigt. Er sang mit wundervoller Verinnerlichung im ersten Teil Radeckers „Aus der Jugendzeit", „Das Lieben bringt groß' Freud ": das süß-melancholische „In einem Kühlen Grunde", zu dem der Textdichter Josef von Eichendorff die Anregung in der idyllischen Keppmühle bei Dresden empfing, dann, abweichend vom Programm, das alte „Komm, lieber Mai, und mache" und endlich Friedrich Silchers herziges „Drauß' ist alles so prächtig". Im zweiten Teil zeigte er, wie heimisch er auch im Reiche des Humors ist. Zöllners „Wanderschaft" (aus den Müllerliedern), „tzandwerksburschen", „Abschied", „Die Binschgauer Wallfahrt" und zwei andere lustige Weise» belegten dies zur Genüge. Ganz entzückend gab sich auch seine Partnerin, das Mitglied des Sächsischen Landestheaters Frau Dora Mörbitz, die vielleicht noch stürmischer gefeiert wurde. Schon die äußere Erscheinung der anmu tigen, zierlichen Gestalt gewinnt uns freundlichste Anteilnahme ab. Aber rasch überzeugen wir uns, daß wir es tatsächlich mit einer ersten Künstlerin zu tun haben. Im ersten Lied störte uns noch ein anhal tendes leises Tremolo, das aber sehr bald verschwand. Dann kam ihr herziger, kristallklarer Sopran von berückender Klangfarbe ganz wundervoll zur Geltung. Er läßt ausgezeichnete Schulung und her- vorragende Technik erkennen. Über ihrer Vortragsweise liegt der zauberhafte Schmelz keuscher Unberührtheit; ergreifend ist die Innig keit des Ausdrucks, bewundernswert die jeder Gemütsbewegung an gepaßte Mimik und das liebenswürdige Sichgeben. Auch sie sang zehn Lieder. Im ersten Teile schossen die ganz entzückend dargebo- tcnen Lieder „Jetzt gang t ans Brünnele" und „Der Kuckuck auf dem Zaune saß" entschieden den Vogel ab. Im zweiten Teil brachte die Künstlerin zunächst ganz reizend mit prächtiger Schelmerei drei neckische Liedel „Hans und Liefet", „Phyllis und die Mutter" und „Der furchtsame Jäger". Den künstlerischen Höhepunkt des Abends bedeuteten aber die hinreißend schön dargebotenen beiden letzten Gaben, ein brandenburgisches Wiegenlied und das bekannte „Sand männchen". * Beide Sänger fanden rauschenden Beifall, der sich garnicht be ruhigen wollte und die Herrschaften immer und immer wieder zu sehen wünschte. Leider erwies sich der begleitende Pianist nicht allenthalben als kongenial. Der Landesverein hat mit seinen Lausitzer Heimatschutzabenden dem südöstlichsten Zipfel Sachsens eine Kette wundervoller Genüsse vermittelt, die unerlöschlich in der Erinnerung haften werden und sür die ihm herzlicher Pank gebührt Möchte sich dieser Dank in eine Tat umsetzen: jeder, dem es seine Mittel einigermaßen erlauben, sollte Mitglied des Sächsischen Landesvercins Heimatschutz werden! An meldungen wären in Dresden Altstadt, Schießgasse 24, schriftlich an zubringen. Er sagt: „Kommt zu uns! Lernt schätzen und lieben das Letzte, was wir besitzen: die Heimat!" Bruno Reichard, Frühling in Bautzen Skizze von Max Zeibig EMas ist vor langen, langen Jahren gewesen. Da flatterten im Frühling stolze Fahnen in Straßen und Gassen, und wir, wir Kinder noch, gingen in festlichen Kleidern zu fröhlich erhobenen Feiern und sangen in Liebe und Begeisterung das Lied: „Wie lieb ich dich, mein Sachsenland" und sangen darin von Perl und Edelstein, von treuem Herzen, von strahlen den Bergeshöhen, von Rautenkranz und Weiß und Grün und beschlossen es mit dem innigen Wunsche: ja grüne und blühe, mein teures Sachsenland! Und ganz wie das Lied, in Lust und Seligkeit gebreitet, lag unser Land in der Hellen Sonne des Frühlings, und weiß und grün wie die Sachsenfahnen wehten aus Bäumen und Sträuchern fröhliche Grüße. Die Erinnerung an solch köstliche Zeit wird wach in uns jedes Jahr, wenn der Frühling aus sonnigem Süden Wiederkehr in das deutsche Land, das nun das Land des Leides ist. Aber seien wir wieder wie die Kinder: fröhlich im Frühling: denn er ist doch der Menschen beste Zeit! Drunten in den Talen ist er wohl schon lang aufgebrochen und hat die gesegneten Hänge mit glänzendem Schimmer übergossen; hier auf den Höhen aber, über den granitenen Steinen, blüht er schwerer auf, und gar das alte Bautzen, die wunderschöne.Stad t mit den klotzigen Mauern, mit den wunderlichen Toren und selt samen Türmen, mit den behäbigen Bürgerhäusern im Barock, mit den krummen Gassen und verwinkelten Höfen im ältesten Teil muß lange auf den kühnen Junker warten. Und wie er mit seinem blitzenden Degen daherkommt, hat er einen schweren Kampf zu