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Auf der Fundkarte sind in Fig. 1 —9 verschiedene Formen von Gesäßrändern im Durchschnitt dargestellt. Besonders bezeichnend sind 3, 4 und 5. Die Verzierung der Gesäße an Hals und Bauch ist unter 10 und 11 angegeben. Das Ge fäß Nr. 12 ist ausgezeichnet durch ein Bodenkreuz, in diesem Topfe wurden Schweineknochen gefunden. Schließlich kam noch ein hübscher gehenkelter Becher zu Tage, Nr. 13. Da zu noch eine große Menge sonstiger Scherben, die sich auch teilweise wieder zu Töpfen zusanunenfügen ließen. Dieses Scherbenmaterial erzählt uns, daß ums Jahr 1100 oder später deutsche Männer ins Land kamen und sich auf dem „Radisch" niederließen, der ihnen Schutz vor den Slaven bot. Es waren Christen, während die damaligen Slaven noch Heiden waren. Ihre sonstige Hinterlassenschaft, die uns überliefert ward, ist schnell aufgezählt: Zunächst kamen da ein eiserner Lenk schemelbelag und eine Klammer aus Eisen für eine Wagen runge ans Tageslicht. Eine Kutsche aus Gold mar es nicht, die der Hügel barg, aber einen tüchtigen Ackerwagen. Ihn mag die Sage umgestaltet haben. Dann aber fand man noch das Hufeisen, Fig. 15, einen Reitersporn und einen Steig bügel, ferner verschiedene Nägel und Bolzen sowie einen Schlüssel. Das interessanteste Stück ist die Kneipzange, Fig. 14, die vielleicht auch zum Schneiden eingerichtet war, wenigstens deuten die verbreiterten Griffe darauf hin. Ihre Verwendung ist noch gänzlich dunkel, sie ist bisher meines Wissens nur in diesem einen Stück bekannt. Hat vielleicht einer der Leser dieses Blattes in seiner Jugend bei einem alten Handwerksmeister solch ein Stück gesehen? Vielleicht gehört sie in das Inventar einer Schmiede, obwohl sie da zu zu klein erscheint. Auf dem „Radisch" aber hat dereinst ein Haus gestanden, sonderlich fest war es nicht, wohl nur aus Balken und Lehm gefügt. Seine Reste haben wir miedergefunden, es ist abge brannt. Die Bezeichnung Schloß für den Bau deutet aber darauf hin, daß hier ein ritterlicher Mann gewohnt haben mag, er wird es nicht leicht gehabt haben, unter den Wenden sich durchzusetzen, ja die ganze Art der Funde läßt uns auf den Gedanken kommen, daß ein Deutscher es hier versuchte, sich seßhaft zu machen, daß er aber nach kurzer Zeit über fallen und vertrieben wurde. Sein Haus aber ward ver brannt. Keine Urkunde nennt seinen Namen in Verbindung mit dem Orte. Kurz, eine kleine Episode aus dem Leben der deutschen Kolonisten um 1100 bis 1200 scheint uns der Erdboden wiedergeschenkt zu haben. Heute ist alles dahin; tiefe Tagebaue sind an die Stelle getreten. Auch vom „Radisch" kann man sagen, daß er ein Opfer des Krieges und der Revolution ward. — Der ein gehende Fundbericht liegt für den, der sich besonders dafür interessiert, zugänglich im Archiv der Bautzner Gesellschaft für Anthropologie, Urgeschichte und Geschichte der Oberlausitz. Einband-Decken für den Jahrgang O22 werden in Kürze s<ertigg^<M- 'Dsstellungen hierzu er bitten wir umgehend. -- Das Inhalts-Verzeichnis wird in einer der nächsten Nummern beigslegt werden. Gberlausitzer Heimatzritung Reichenau, Sa. Taufgebräuche des 17. und 18. Jahrhunderts in der Oberlausitz*) Von O. Weber, Zittau Umstände erschweren uns Kindern des 20. Fahrhun- derts das Eindringen in die Seele vergangener Zeiten, die Auflockerung ständischer und zünftiger Gebundenheit einerseits, durch den Begriff der persönlichen Freiheit, das Verblassen der kirchlich, dogmatischen Denkweise vor dem Licht der Naturforschung und des Kausalgedankens andererseits. Und doch macht uns gerade die kirchliche Färbung, die unseren allgemeinen und familiären Festtagen geblieben ist, das Verständ nis für die Festsstten alter Zeiten leichter als für ihre alltägliche Lebenshaltung. Legen wir wieder unserer Zusammenstellung über die Taufsitten und was damit zusammenhängt im 17. und 18. Jahrhundert das zu Grunde, was der gewissenhafte Chronist Friedrich Eckarth berichtet, besonders in der Chronik seines Heimatortes Herwigsdorf von 1734, um es zu ergänzen durch die Überlieferungen aus anderen Teilen Sachsens. Die Seele des Kindes ist schon vor der Geburt auf der Welt. Aber erst bei dieser vereinigt sie sich mit dem Körper, den die Mutter trug, indem sie auf Bogelsfittichen geflogen kommt. So entstand die Sage vom Storche, die heute nur noch ei» Kinder märchen ist. Von entscheidender Bedeutung für das neue Men schenkind sind aber die Umstände, unter denen die Vereinigung erfolgt. Schon mehrere Sonntage vorher wird beim öffentlichen Gottesdienst für die Mutter vom Pfarrer gebetet. Fst die Stunde der Geburt da, oder ist, wie der Volksmund sagt, „der Backofen eingefallen", so schaut die Hebamme, die als Hüterin Jahrhunderte alten Aberglaubens eine besondere Rolle spielt, nach den Gestir- nen, oder der Vater nach dem Kalender, um das Himmelszeichen zu bestimmen, nutendem die Geburt erfolgt ist. Aber auch der Wochentag spielt eine Rolle. Das ist eine Erinnerung aus alt- germanischer, heidnischer Zeit. So gelten noch im Erzgebirge Sonntagskinder als glückliche, Montagskinder als kluge. Diens- tagskinder als reiche, Mittwochskinder als geschwätzige, Donners- tagskinder als zornige, Freitagskinder als unglückliche, Sonn- abendskinder als Todeskinder. Doch will von all diesem Aber glauben unser kirchenstrenger Chronist nichts wissen. Erst nach dem die Hebamme das Kind dem Vater überreicht hat, ist es als rechtmäßig anerkannt. Die Freude über einen männlichen Erben, der Hof und Namen weiterführt, ist größer, als über ein Mägd lein. Aber noch Kämpfen böse Geister um die Seele des Neu- geborenen, daher muß spätestens am dritten Tage nach der Geburt die christliche Weihe, die Taufe, vollzogen werden. Erst aus neuerer Zeit, aus dem protestantischen Norddeutschland, kam die Sitte der späten Taufe, ein Zeichen der Aufklärung und der ge sundheitlichen Rücksichten. Aufgabe des Schulmeisters ist es, als Mittelsperson nach Angabe des Vaters die Taufzeugen, Ge vatter oder Paten zu laden. Seit 1590 sind es in Herwigsdorf immer 5 Paten, bei einem Knaben 3 männliche und 2 weibliche, bei einem Töchterlein 3 weibliche und 2 männliche. Die Ber- armung durch den 30jährigen Krieg ließ diese Anzahl zurück gehen. Am 23. August 1713 erging ein obrigkeitliches Gebot, nicht mehr als 3 Gevattern zu bitten, das aber bald gewohnheits- mäßig überschritten wurde, indem man zur früheren Anzahl zu- rückkehrte. Die zunächst schriftlichen, dann gedruckten oder litho graphierten Gevatterbriefe, welche die formelle Einladung ent- hielten, entstammen einer späteren Zeit. Eine Gevatterschaft schlägt man nie aus, denn sie bringt Ehre und Glück ins Haus. Den Gevatterbrief steckt man bis zur Taufe an den Spiegel, da- mit jeder Eintretende die erwiesene Ehre erfahre. Daher stammt die Redensart, etwas an den Spiegel stecken. Kurz vor der Taufe finden sich die Paten und die Hebamme im Taufhause ein und beglückwünschen die Eltern. Der Täufling wird, schön auf geputzt, von der „Wehemutter" oder Hebamme in Begleitung der Paten zur Kirche getragen. Taufsuhren stammen aus jüngerer *) Fortsetzung des Artikels über Hochzeitsbräuche in Nr. 9 des Jahrganges 1922.