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HI. Die Maistange cs>as ist ein abgeschälter Kiesernstamm von 10 bis 15 Metern Länge. An der Spitze wird ein kleiner Fichtenbaum befestigt. Am 30. April wird die Maistange von Männern und Burschen auf dem Dorfplatze aufgestellt. Fedes junge Mädchen muß ein Tuch auf ihren Wipfel geben. An einem Sonntag vor oder nach Pfingsten verkleidet sich in einem Hause eine Anzahl Burschen des Dorfes. Manche ziehen sich als Clowns an, andere wieder als Soldaten und auch ein Obrist fehlt nicht. Das Gesicht wird mit einer Larve ganz verdeckt. Einmal hatte man aus unserem Nachbardorfe einen alten Mann geholt. Diesem zog man einen alten Mantel und lange Stiefel an und setzte ihm einen Hut auf. Auf den Rücken hatten ihm die jungen Burschen einen Zettel geklebt, darauf stand in großen Worten: „Ich kann meine Frau nicht finden!" In der Hand hatte der Arme eine angezündete Laterne. — Trara, trara, traratata! Horch? wer kommt da? Es ist die Musikkapelle des Dorfes, welche die Verkleideten abholt. Ihr folgen die hübschen Bauerndirnen, außerdem noch zahlreiche Menschen aus den Nachbardörfern und viele Kinder. Indessen sind die Burschen mit dem Anziehen fertig geworden. Langsam bewegt sich ihr Zug dem Dorfplatze zu, wo die Maistange auf gerichtet ist. Drei von den Verkleideten haben mit Luft gefüllte Schweinsblasen, andere wieder Rohrstöcke usw. in den Händen. Schwapp! Hei, wie der Hieb saß! Von den Zuschauern hatte eins die Schweinsblase fühlen müssen. Schwiep! O weh, da hat einer was mit dem Rohrstock abgekriegt. Heu, hui! Jetzt bekommt ein Clown von einem andern die Rute zu fühlen, aber rasch versetzt er seinem Gegner einige klatschende Schläge mit der Schweinsblase. Endlich ist der Zug an der Maistange angelangt. Den ver kleideten Burschen werden Spaten und Hacken zum Ausgraben der Stange gegeben. — Aber sieh, was ist denn das? Ein Zigeunerwagen! Ach, wie sieht die Kutsche aus! Die Leinwand hängt in Fetzen an dem oberen Gestell herab. Im Wagen sitzen die schmutzigen Gesellen und qualmen nach Herzenslust. Aber wie kommt denn der hierher? Jeder hat ja eine Maske im Gesicht. Aha! es sind also einige von den verkleideten Burschen. Sie fahren zur Maistange. An der Kutsche ist hinten ein kleiner Wagen angehängt. Und wer sitzt drauf? Pfui, ein ganz schmutzi ger Kerl! In seiner Hand hält er eine Angel, an der noch ein lebender Barsch zappelt. — Jetzt fangen alle an zu graben und zu hacken. „Ach, das scheene Kleid!" ruft alles auf einmal. Eine von den jungen Dirnen hatte eine Schaufel Sand auf ihr weißes Kleid bekommen, daß sie heult und schluchzt. — Tsching, tsching! Die Musikkapelle spielt ein lustiges Stück. Hurra! Jetzt endlich neigt sich die Maistange ganz langsam auf die Seite. Schon lauern einige Burschen in geringer Entfernung auf ihren Wipfel. Da auf einmal ein fürchterliches Johlen; Hurrarufe schallen über den Platz. Einer hat den Stamm erklommen und den Wipfel abgebrochen. Er saust mit ihm zur Erde. Aber das schadet nichts. Schon steht er wieder auf den Beinen. Jetzt hebt ein wütendes Ringen um den Wipfel an. Schwapp! Da hatte wieder mal einer die Schweinsblase fühlen müssen. Plautz! Mit einem furchtbaren Knall war die Blase geplatzt. Die Gelegenheit war günstig: in dem Augenblick, da alle sich verdutzt ansahen, sprang der Sieger mit dem Wipfel auf die Schultern seines star- Ken Gefährten. Nun ward er mit Kling und Klang durch die johlende Menge auf den Tanzsaal getragen. Kurz vorher sank die Maistange mit einem dumpfen Knall auf den Boden. — Der Stamm wird meist in drei Teile zersägt. Um diese veranstaltet die Jugend ein Preisschießen und Preiskegeln. Wer die meisten Kegel umgeschoben hat, bekommt den einen, wer die meisten Ringe geschossen hat, den anderen Teil der Stange. Der dritte Teil wird für ein anderes Fest aufgehoben. IV. Familienfeste ßNne H o ch z e i t ist bei uns ein besonders wichtiges Fest, an dem das ganze Dorf teilnimmt. Am Abend vorher schmücken die erwachsenen Mädchen des Dorfes die Feststube mit Girlanden und Kränzen. Die Burschen versammeln sich, mit zerbrochenen Töpfen, Tellern, Krügen, Kannen usw. bewaffnet, vordem Hoch zeitshause. Die Haustür wird von ihnen unter Umständen ge waltsam geöffnet, und nun beginnen sie zu poltern. Die Scherben werden in das Haus geworfen. Wer sich etwa zu der Zeit im dunkeln Hausflur befindet, kann froh sein, wenn er ohne Beulen und Schrammen daoonkommt. Damit wollen die Burschen dem Brautpaar Reichtum wünschen. — Die Hochzeitsfeier beginnt oft mit Singen, und manchmal liest ein altes Gemeindemitglied eine Predigt vor. Danach füllen die Hochzeitsgäste ihren Magen reichlich mit Geschmortem und feurigen Getränken. Bald fahren alle zur Trauung. Zu beiden Seiten der Straße steht paarweise das junge Volk. Jeder hat eine Stange in seinen Händen. An ihrer Spitze ist eine lange Schnur befestigt, welche von der einen Person zu dem ihr gegenüberstehenden Partner reicht. An der einen Leine hängen bunte Tücher und Kränze, an der anderen Blechtöpfe, Sägen, Beile, an der nächsten wieder Kinder wäsche, z. B. Hemdchen, Windeln, Höschen u. a. m. Voriges Jahr konnte ich sogar beobachten, daß an einer Leine, welche von besonders starken Männern an dicken Stangen in die Luft gehalten wurde, ein Pflug, Hacken usw. hingen. Zu beiden Seiten der Straße steht dazu noch fast die ganze Einwohnerschaft. Jetzt erhebt sich an einem Ende des Dorfes ein furchtbares Geschrei. Alle rufen: „Sie kommen, sie kommen!" Es sind die Wagen der Hochzeitsgäste. Diese müssen unter den Schnuren hinwegfahren. Da auf einmal werden einige Gewehre abge- schosscn. Die Pferde werden scheu und schlagen ein rasendes Tempo ein. Die gaffende Menge flüchtet in die benachbarten Höfe und Gärten. Die Hochzeitsgäste werfen dem jungen Volke Geld zu. Nach der Trauung geht das Brautpaar mit allen Gästen in das nahe Gasthaus und dort zecht man noch eine Zeit, bis man endlich wieder nach Hause fährt. Doch daheim können sie den Hof nicht betreten, denn die Burschen des Dorfes haben ihnen unterdessen den Weg versperrt. Das Hindernis besteht aus Holz stangen, Ästen, Reisigbündeln usw. Das Brautpaar und sein Gefolge müssen so lange warten, bis man es aus dem Wege ge räumt hat. Dann schreitet das Brautpaar langsam dem Eingänge des Hauses zu. Dort stehen zwei unverheiratete Männer. Sie halten mit den Händen eine Schnur in die Höhe; an dieser hän gen bunte Bänder und Tücher. Die Hochzeitsgäste drücken den beiden Männern reichlich Geld in die Hände. Dem Bräutigam wird nun sofort der Einlaß gewährt, der Braut dagegen aber wird vor ihren Augen die T>-r verschlossen. Ihre Mutter reicht ihr zum Fenster hinaus ein Stückchen trockenes Brot. Erst nach dem sie es verspeist hat, gewährt man auch ihr und den Gästen Einlaß. Darauf werden alle von den Eltern des Brautpaares begrüßt. Wieder werden einige Bibeltexte vorgelesen und Lieder gesungen. Jetzt setzen sich alle zum Hochzeitsmahle nieder und lassen sich die reichlich angebotenen Speisen und Getränke gut munden. Sie gedenken aber auch der hungrigen Zuschauer, denen schon lange das Wasser im Munde zusammengelaufen ist. Jeder bekommt leider nur ein Gläschen oder höchstens zwei von dem feurigen Wein. Auch den Nachbarn verabreicht man einige Kostproben des üppigen Mahles. Am Abend gehen die Gäste noch einmal auf den Tanzsaal, bis sie endlich um 3—4 Uhr des anderen Morgens den ersten Hochzeitstag beenden. In manchen Familien währt die Hochzeitsfeier drei Tage. — Begräbnissitten. Ist in einer Familie jemand ge storben, so werden verschiedene merkwürdige Veranstaltungen getroffen. Man verhängt in der Kammer des Verstorbenen vor allem die Fenster und Spiegel. Denn wenn ein Spiegel eine Leiche sieht, möchte er bald wieder eine sehen. (Bei einer Hoch zeit dürfen im Gegensatz dazu dieFenster nicht verhängt werden.) Ferner darf an den drei Tagen, an welchen sich die Leiche im Hause befindet, kein Dünger gefahren werden. Wenn die Leiche drei Tage im Hause gelegen hat, wird sie eingesargt und im Hose oder vor dem Hause auf Bänke oder Stühle gestellt. Darauf werden einige Lieder gesungen. Die Stuhle oder Bänke aber, auf welchen die Leiche stand, werden umgeworfen. Nach dem Begräbnis werden sie mit ins Haus genommen. Bei einem Begräbnis konnte ich einmal beobachten, daß eine deutsche Frau die umgeworfenen Stühle wieder richtig hinstellte.