Volltext Seite (XML)
Wilhelm Friedrich Aum öS. Geburtstag des Lausitzer Dramatikers am 3. Dpril 1923 Don Herbert HenKnsr, Dautzen n weiten Kreisen herrscht heute die irrige Ansicht, daß die Mundart ein vernachlässigter Gebrauch der Schriftsprache, des Hochdeutschen sei. Wir dürfen nie vergessen, daß sich die Schriftsprache erst aus den Idiomen entwickelt hat, daß kein anderer als der sprachgewaltige Dr. Martin Luther sie als eine Brüchs errichtete, die ihre weiten Dogen vereinigend über dasganzs deutsche Sprachgebiet spannt. So notwendig diese Entwicklung eines einheitlichen Sprachgebrauches war und so vorteilhaft und un umgänglich seine Weiterbildung und Pflege immer sein wird, eben so berechtigt ist es aber auch, der einzelnen Mundart den Platz ein zuräumen, den sie verdient, ja, den sie schon viel länger inne hat, als die Schriftsprache und das Hoch deutsche. Die Schriftsprache wird die Idiome nicht töten können, geschähe es dennoch, dem Volke erwüchse ein gewaltiger Schaden. Bedenken wir, daß für viele der Dialekt es ist, in dem sie sich ganz geben können, wie sie von Natur geschaffen sind, wie die leisesten Schwingungen ihrer Seele tönen. Er ist urwüchsig, eng mit dec Scholle verknüpft und darum bodenständig. Die große Literatur hat sich verhältnismäßig wenig mit den Eigenarten und Sonderheiten der Mundart befaßt. Nm so mehr ist es dankbar zu begrüßen, wenn sich Männer, deutsche Dichter, wie Peter Hebel, Ludwig Anzengruber, Ludwig Gang hofer, Fritz Neuter, Gerhart Hauptmann, Wilhelm von Polenz und eine Neihe anderer dafür einsetzten, der Mundart zu ihrem Nechte zu verhelfen. Wie Schutzherren des Idioms leuchten ihre Namen auf in der Geschichte deutscher Dichtkunst. Nun gibt es allerdings auch Mundarten, die ihre Würdigung im größeren Nahmen noch nicht in dem Maße erfuhren, wie fie es verdienen. Au solchen mag wohl auch der Gberlausitzer Dialekt gehören. Doch es mangelt nicht an Männern, die sich eifrig bemühten, zu dieser Würdigung beizutragen, soweit es in ihren Kräften stand und noch steht. ^Wilhelm von Polenz kann als einer der ersten be trachtet werden, die in größerem Maße für die Heimat dichtung der Lausitz eintraten. Er ist das höchste Vorbild für unseren gegenwärtig bedeutendsten Lausitzer Dichter Gskar Schwär geworden, der dies in seinen feinen, seslenvollen Arbeiten, wie „Die Mummelswalder", „Die Höllmllhle," dem Noman „Die Heimatlosen", den Novellen „Der Vater" und „Karl Mothig" und seinem neuesten Noman „Die selige Magd" durch seine Erzählerkunst bezeugt. Die Schöpfungen von Gskar Schwär sind ohne Aweifel in Wesen und Wirkung sehr !?ng verwandt mit den Werken Wilhelm von Polenz', die ihn, wie er selbst sagt, erfrischt und gestärkt haben, wie ein Bad im Waldteich. Was Polenz, dem Meister des Heimatromanes und dec Novelle, jedoch nicht gegeben war, nämlich die Kraft der heimat lichen Dramatik, das gleicht ein anderer in ersprießlicher Gestal tungskraft aus, der in diesen Tagen zur Freude aller treuen Lausitzer in geistiger Frische seinen 60. Geburtstag feiern und auf ein gesegnetes dichterisches Schaffen zurückjchauen kann. Es ist Wilhelm Friedrich, ein Neichenauer, ein echter, ur wüchsiger Sohn der Lausitz und ein Heimatdichter in des Wortes vollster Bedeutung. Er kennt seine Heimat, Land und Leute, Sitte und Gebrauch wie kaum ein Aweiter. Als Sohn einesLausitzerFabri- kanten wurde Wilh. Friedrich am 3. April 1863 in dem Dorfe Neichenau bei Aittau geboren. Der Klapperklang des Web stuhles ward ihm in frühester fugend gar bald vertraut, das Aeichen Lausitzer Fleißes. Ihm räumt er auch in seinen Werken einen ehrenden Platz ein. Schon als Kind war es ihm vergönnt, mit seiner Beobachtungsgabe die vielfachen Typen der Lausitzer Weber studieren zu können, wenn diese im elterlichen Hause die fertige Heimarbeit ablieferten oder neues Garn holten. Gern lauschte er dann aufmerksam ihren Erzählungen. So mag manche Figur und mancher Charakter in seinen späteren Werken mit seiner Kraft und Echtheit in dieser Jugendzeit des Dichters wurzeln. Auch der Stoff zu seinen Stücken, soweit er ihn nicht der Grtschroniß und den Erzählungen der Großeltern entnahm, wird in den Erinnerungen an diese Aeit zu suchen jein. Daß er die Mundart beherrscht, das beweisen seine teils in Prosa, in der Hauptsache aber in dramatischer Form erschienenen Werke. Wenn er uns zum Beispiel erzählt, daß die Seitendorfer und Königshainer „'-Iohr zovorr" sprechen, während es bei jedem andern Lausitzer