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Gberlausitzer Helmatzeltung Nr.Z 24 wartet. Die kalten unregelmäßigen Windstöße künden das Nahen eines andren Motivs im Spiel der Naturmächte. Erdrückend lasten die Wolkenpyramiden und .Paläste auf dis zusammengeduckten Fluren, seufzenden Wälder und erstarrten menschlichen Werke. Wie im urweltlichen Chaos gestoßen, um wirbeln und verdecken jetzt die Wetterwolken den Tannenberg, peitschen die heranbrausenden Regenschauer seine Waldhänge. Sehnsüchtig warten wir auf einen erlösenden Blitz und reinigen des Donnerrollen. Aber nur dies unheimliche ferne Zucken in der Wetterwand verrät ihre angespannte grauenvolle Energie, die Böses und Gutes auf uns herabschickt. Ein Wort drängt sich da uns wie einst Goethe auf die Lippen: Klopstock! Bolle, grau neblige Regenschwaden quellen nun aus dem Nordosten uns ent gegen, streuen die ersten schweren Tropfen auf unser schützendes Fichtendach. Zwischen den Baumstämmen leuchten smaragdgrün, dann feuchtviolett die glanzenden Dächer des oberen Mandau- tales herauf. Tief beugen sich an den Hängen, auf den Höhen die elastischen Stämme. Wie Brandungskämme leuchten die Sturmwellen der helleren Getreidefelder auf. Alles ist in Erwar tung des mächtigen Schauspiels. Da plötzlich bläst der Sturm aus dem Süden die Lauschewolkenwand dem Wetter in die Flanke und wie betäubt ergießen sich die brausenden Wasser massen eine Zeitspanne ins Tal. Ohne die fortschreitende, sieges gewohnte Kampfesvichtung trommeln sie desto unbarmherziger auf die Niederungen da unten. Die Symphonie wurde nicht zu Ende gespielt, nach Osten hin weicht das düstre Dunkel, unter sich die Erde in Finsternis hüllend, und spendet aus grimmgütiger Faust Segen oder Verderben. Kalte Windböen treiben uns fort, mühsam erklimmen wir die windumstürmte Höhe. Immer ferner zuckt der leuchtende Strahl und unter uns dehnt sich der schätzereiche Zittauer Talkessel, die bergumschützre Tertiärbucht. Wie eindrucksvoll »ns vorbin die atmosphärischen Kräfte auf gespielt haben, jetzt redet die Mutter Erde ihre mächtige Sprache zu uns, nun lasten ihre innewohnenden Kräfte uns unsere Winzig, keit und unsere Abhängigkeit von den zufälligen Launen des bewohnten Erdfleckes ahnen. Weithin leuchten gelbbraune Getreideflächen, dazwischen dunk- lere Wiesen und Gärten, unterbrochen von parkwilden Baum gruppen. Eingestreut, fast verschwindend, hier und da rauchende Schornsteine und dunkle Halden, verratend, daß auch unter der Erde der Mensch hier seine Schätze sammelt. Und dann umrahmt von dem Reiz dieser duftigen, belläugigen Gartenlandschaft ersteht, allmählich sich verdichtend, die Beherrscherin des Kessels: Zittau, die Stadt der zusammenströmenden Straßen, ehrwürdigen Bürger- fleitzes, mutiger Patrizierqeschlechter, heute der stolzeste Reprä sentant oberlausitzischen Industriefleißes und Bildungsdranges. Keine Bautzener Burg schaut hier stolz vom hohen Fels, aber du hast einen schöneren, dauernderen Schatz vor deiner Nebenbuh lerin voraus: auf deinen lebhaften Straßenverkehr blicken rings um blaue Bergwälder, in den Fenstern deiner Bürgerwobnungen spiegelt sich die nahe charakteristische Gipfellinie des Bergkranzes, der seit Ickhrtausenden diese ergiebigen Talauen schützt. Einst war es anders! Vor vielen, vielen Abertausend Jahren — und doch ist's aus dem Zeigerblatt der uns Menschen mit dem Verstand faßbaren und nachweisbaren erdgeschichtlichen Zeiten wohl der letzten Stunde letzter Abschnitt —, in der sogenannten Tertiärzeit, als eben das donnernde Meer der vorausgehen den sog. Kreidezeit sich verzogen hatte in andre Gegenden, viel leicht auch noch vor diesem Zeitpunkt, da ging ein unheimliches Rumoren durch der Erde Grund Da hielten, wie gelähmt, die urweltlichen Geschöpfe auf unsrem wahrscheinlich menschenleeren Erdenfleck inne im Spiel oder im Kampftqegen einander. Eine mächtige, fürchterliche Stimme redete, brüllte, donnerte zu ihnen. Die Erde hob sich, riß, aus unergründlichen Schlünden brausten heiße schweflige Dämpfe. Brausend und zischend stürzten in sie die Oberflächengewässer. Stickige Luft wälzte sich von den grauen vollen Höllenschlünden mit Dampf- und Rauchschwaden über die Wälder und Sümpfe. Keuchend rangen die unbeholfenen, dummen Saurier nach Lust, die paradiesische wilde Naturfrische erstarb, ihre Kreaturen flohen, erstickten in giftigem Qualm, in heißem Rauch, in kochenden Wassern, im grauenerregenden Kampf gegen unheimliche Erdenmächte. Heiße, spröde Lavamassen quollen hervor und formten die markanten Gebirgsgipfel, überdeckten auf weite Strecken den lockren Sandsteinboden des Kreidemeeres. Es war kein Werk des Augenblicks, langsam und mit zäher Energie drängten die erdinnere» Kräfte durch die dünne Gesteins- Kruste an die Oberfläche. Wald wuchs und Rasen überzog den morschen Sandstein. Vom harten Basaltfels, von den Hängen des ststqebackenen Tuffes (vulkanische Asche) rauschte der sturm- gepeitschte Wald seine Melodie ins wasserreiche Tal. Aber die Erdkruste war von dem ungeheuren Spannungsdruck der explo- siven vulkanischen Erdenergie in viele Riste und Spalten zer brochen. Und wenn unsere heutigen Bergketten von ihr teils aufgesch Littet, in de/ Hauptsache aber als gelockerte Erd. scholleemporgepreßt worden waren, sosanken allmählich als Ausgleich der Kräfte an andren Stellen die gelockerten Erd- schollenein. Die Glestflächen (Spalten) waren als Boden- stufen oder sogenannte Verwerfungen an der Oberfläche allmählich immer bemerkbarer. Oft förderte eine größere Erschütterung den Sinkprozeß und die Schollen rutschten merklich in die Tiefe — unser sogenanntes Zittauer Becken entstand. Wie in jeder Bodenvertiefung sammeften sich — wenn es der Mensch wie jetzt nicht verhindert — die Wasser samt ihrem Schlamm und Gewächsen. Auf dem Seespieqel schwammen im Spiegelbild unsrer Berge aeborstene Bäume, Aste und zusammen geschwemmtes Laub. Die Strömung trieb es meist in Buchten hinein. Bäche schafften eilig aus den Bergtälern den Berges schutt herunter und begruben mit dem Seeschlamme die gestorbenen Reste der Vegetation. So von drückendem und wärmendem Schlamm (oft geschichtet) eingebettet, erstickten sie unter Luftab schluß langsam und wandelten sich zu Braunkohle. Ein eindrucks voller Friedhof der Natur! Mächtige Stämme wurden bisweilen zu Zentimetern bez. noch dünneren Schichten zusamw.engepreßt. Und stehst du staunend vor den mächtigen Hirsch selb er oder Olbersdorfer Braunkohlenlagern und denkst an die Großartigkeit der hier wirksam gewesenen Zeitspanne und der nötigen Vegetationsmenge, so erzählt dir jede Schicht, jeder Blatt oder Fischabdruck, jeder noch gut erhaltene Ast leicht verständlich die Geschichte seines Unterganges. Blicke um dich. Auch heute versinkt die Vegetation — Moos, Gras, Sträucher und bisweilen Bäume — an stillen Teichen in die moorige Tiefe, um vielleicht späteren Geschlechtern als Brenn stoff zu dienen. Aber hier im Zittauer Seebecken haben doch ungleich groß artigere Kräfte gewaltet! Einmal blickte ich hinab vom Breitenberg' in den Kessel, als weiße Nebelschwaden in ihm auf und ab brodelten. Waren nicht die sturmbewegte See da unten und rings an seinen Ufern die Kuppen des Bergkranzcs die aus dem wallenden Ncbelmeer berausraqten, das trügerische Abbild jener Jahre, als hier die Natur die Grundbedingungen des heutigen Wohlstandes schuf: ein geschütztes Tal mit fruchtbarem, schätzereichem Boden? Und blickst du heute bei klarer Luft in die Runde, so vermeinst du bisweilen an den Berghanglinien dieBrandungskchlen jenes Sees wahrzunehmen. Im Geiste hörst du, wie jetzt den gipfel umstürmenden Wind, die sturmdurchwühlten Wasserwogen an den Bergufern brüllen und siehst auch die geschäftigen Berg gewässer in den See hinaus Schlammkegel bauen. Aber davon werden sich kaum Zeugen bis heute gerettet haben, hat doch auch dieses Seebecken, nachdem cs durch irgendeine Ursache — sei es durch Schollenhebung Ausfüllung oder infolge Anzapfung durch einen Fluß — sich entleerte, den eisigen Hobel des Nordens über sich gehen lassen müssen. Es war die gewaltige Eisdecke, die hervorstehende Unebenheiten abschliff und tiefere Erdstellen mit ihrem Moränenschutt anfüllte. Eine ereignisvolle, aber lange, lange Geschichte dieses Tales, verlockend zu phantastischem Ausmalen ihrer Begebenheiten. Urgeschichtliche dunkle Vergangenheit und menschliche Gegen- wart reichen sich in der geschilderten Tertiärperiode vielleicht die