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barer und beliebter Dichter, der den Ton der Weißeschen Kinderlieber weiterzutragen suchte. Wir vermissen heute in diesen lehrhaften Reimereien die Spur jeder Poesie. Glück licher war er bei der Schöpfung der Melodien zu diesen Liedern. Kretzschmar, der ihn in der „Geschichte des deut schen Liedes" (1911) eingehend würdigt, meint von ihm, „er gibt so viele Proben eines angeborenen starken Talents für das Naive und eines erfreulichen Sinnes für echte, nicht imitierte Schlichtheit, daß er aus der Zeit und der Umgebung heraustritt." Manche Lieder Burmanns waren sehr weit verbreitet: der Textanfang des einen, „Arbeit macht das Leben süß", ist sprichwörtlich geworden. Ein anderes Lied, „Guter Rat", zeigt so recht die Vieldeutigkeit der Musik. Die Melodie wurde 55 Jahre nach ihrem Entstehen mit ge ringen Veränderungen zu dem im Pianissimo zu singenden Wiegenliede „Stille, stille, kein Geräusch gemacht" und mit diesen Varianten im Jahre 1855 zu dem derben Studenten liede „Bier her, Bier her, oder ich fall um" verwendet. Auf musikwissenschaftlichem Gebiete liegen die Verdienste Konrad Gottlob Antons, des Vaters des langjährigen Görlitzer Gymnasial-Rektors. Er war 1745 in Lauban ge boren, hatte in Wittenberg Theologie studiert und wurde dort 1775 Professor der Moral und später der orientalischen Sprachen. Er war ein leidenschaftlicher Verehrer der Ton kunst, der, wie Luther, die enge Verbindung der Musik mit der Theologie betonte. Durch seine außerordentlichen Kennt nisse in den Sprachen des Orient leistete er beiden Fächern vortreffliche Dienste. Von Bedeutung ist namentlich seine gegen Reichardt gerichtete Streitschrift „Uber hebräische und slavische Musik" und sein „Versuch, dis Melodie und Har monie der alten hebräischen Gesänge zu entziffern." — Auch im 19. Jahrhundert ging aus Lauban ein Musiker von Ruf hervor: Julius Emil Leonhard. Er wurde 1810 als Sohn eines Geistlichen geboren und hat von 1852 als Professor des Klavierspiels in München und von 1859 in demselben Fache am Dresdner Konservatorium gewirkt, Unter seinen Kompositionen, die Orchester-, Kammermusik-, Klavier- und Gesangwerke ausweisen, ragt das Oratorium „Johannes der Täufer" hervor, das 1856 seine Uraufführung in Görlitz durch Musikdirektor Klingenberg erlebte.. Auch seine L-moll-Symphonie, die Kretzschmar im „Führer durch den Konzertsaal" erwähnt, wurde 1845 hier aufgeführt. — Zu nennen sind hier auch die drei Schwestern Menzel, Töchter eines Kaufmanns, die als ausübende Künstlerinnen zu Bedeutung gelangt sind. Emma, geboren 1865, und Elsa, geboren 1869, erhielten den ersten Gesangunterricht durch den Lanbaner Musikdirektor Böttger. Später über nahmen Frau Professor Wuerst und Frau Biardot in Berlin die weitere gesangliche Ausbildung, sodann gab Siegfried Ochs, der Dirigent des Berliner Philharmonischen Chores, den beiden Schwestern im Verein mit Selma Thomas und Maria Spieß Unterricht im Quartett-Gesang und bildete so das rühmlichst bekannte „Deutsche Damen«Quartett", das in den Jahren 1888 und 89 auch in Görlitz im „Verein der Musikfreunde" mit Erfolg auftrat. Die dritte Schwester, Toni, geboren 1866, ließ sich im Kullackschen Konser vatorium in Berlin als Deklamatorin ausbilden. Aus der Lau bauer Gegend erweckt unser Interesse zunächst 3 o h a n n Christian Altnicol, der Schüler und Schwiegersohn Johann Sebastian Bachs, der in Berna geboren ist. Nach kurzer Tätigkeit als Kantor in Nieder- Wiesa bei Greiffenberg wu-dc cr Domorganist in Naum burg an der Saale, wo er 1759 gestorben ist. Seine Kom positionen sind vergessen, doch wird er manchem'.Leser aus dem reichlich fantastischen Brachvogelschen Roman „Friede mann Bach" dem NNnen nach bekannt sein. — Aus Schwerta stammen der Lanbaner Organist Christoph Ha sch Ke, 17l7—29 im Amte, und der Kantor an der Schweidnitzer Friedenskirche Demnitz, geboren 1844, der als tüchtiger Orgelspieler und als Dirigent der Singakademie sich von 1880 ab um das Schweidnitzer Musikleben verdient gemacht hat. Kompositionen von ihm finden sich in ver schiedenen Präludien-Sammelwerken. — Marklissa ist der Geburtsort des Matthias Lange, der von 1683-93 Kantor zu Bernstadt in Schlesien war, und des Görlitzer Organisten Johann Albinus, 1555—58; er war in seiner Jugend Schönfärber gewesen und hatte sich dann der Musik zugewandt. Sein Amt verlor er auf eine sonderbare Weise. Zu seiner Zeit war es nämlich Sitte, daß den „Kirchen- und Schulbedienten" an hohen Festtagen zu Mittag ein Gastmahl gegeben wurde. Bei dieser Gelegenheit muß unser Albinus wohl zu tief ins Glas geschaut haben: denn in der daraus folgenden Nachmittagspredigt fing er in der Schlaftrunkenheit zu zeitig zu orgeln an, so daß der Prediger mit seiner Rede aufhören mußte. Albinus wurde zur Strafe in den Reichenbacher Turm gesetzt und entlassen; die Mahlzeit fiel von jetzt ab weg und wurde durch eine Vergütung in Geld abgelöst. — Die Gebilgsdörfer des Laubaner Kreises, in denen bis in die jüngste Zeit die Kirchenmusik mit Instrumentalbegleitung eine liebevolle Pflege sand, haben fast alle auch Musiker, wenn auch von minderer Bedeutung, hervorgebracht, so Geriachsheim den Johann Schmidt, der von 1697—1744 Organist in Luckau (Nisderlausitz) war, Prettin den GeorgFuchs, der von etwa 1560—91 das Kantorat von Greiffenberg versah, endlich Gebhardsdorf den vortrefflichen Wald- Hornisten IohannGottfriedWecker, der auch meister haft Klavier und Violine spielte und seinen Herrn, den General von der Schuienburg, um 1730 nach Italien be gleitete. — Aus Seidenberg stammt Gustav Louis Rolle, geboren 1815, der nach dem Besuch des Görlitzer Gymnasiums in Breslau Medizin studierte, später aber als Musiklehrer in Leipzig lebte, aus Schönberg Anton Sanus, 1613 als Sohn eines Pastors geboren, der 1635 Kantor in Lauban und 1653 Diakonus daselbst wurde. — Daß ein Kantor musikalische Kinder hat, ist ja nicht gerade selten, aber daß sechs Söhne einer solchen Familie sich künst lerischen Ruf erwarben, gehört gewiß zu den Ausnahmen. Das ist der Fall bei den aus Lichtenau gebürtigen Ge- brüdern Tschirch. Der älteste, Hermann, geboren 1808, starb mit 21 Jahren als Organist in Schmiedeberg; der zweite, Karl Adolf, geboren 1815, war zwar von Beruf Theologe, aber daneben ein tüchtiger Pianist und trefflicher Mitarbeiter der „Neuen Zeitschrift für Musik"; er starb als Hauptpastor zu Guben im Jahre 1875. Der dritte Bruder ist der berühmteste des Sextetts: Friedrich Wilhelm, 1818—1892. Nach dem Besuch des Bunzlauer Seminars und des Königlichen Instituts für Kirchenmusik in Berlin wurde er 1843 Musikdirektor in Liegnitz und 1852 Hof kapellmeister in Gera. Seine Männerchöre sind beliebt und verbreitet, aber auch seine größeren Chorwerke mit Orchester wurden häufig aufgeführt. Sein Ruf als Komponist und Dirigent war bis nach Amerika gedrungen; deshalb luden ihn die deutschen Gesangvereine der Vereinigten Staaten 1869 zu einem Besuch ein, bet dem er mit seinen Komposi tionen neuen Ruhm erntete. Sein 100. Geburtstag im Jahre 1918 wurde in Gera durch ein Festkonzert gefeiert, bei dem Professor Laber da» bekannte Chorwerk des Juki-