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Deshalb sind heute noch die meisten „Uberelbschen" wohl tuend überrascht, wenn sie die sauberen und schmucken Ober lausitzer Städte und Dörfer zum erstcnmale kennen lernen. Im Mittelalter beruhte die bald erworbene Wohlhabenheit der Sechsstädte in erster Linie mit auf der Biererzeugung, in der sich Zittau im 15.Iahrhundert ganz besonders hervortat. Der Ausschank des Biers war aber gewöhnlich den brau berechtigten Bürgern nur innerhalb der eigenen Stadt er laubt, und ferner waren die Weichbilddörfer im Umkreis der Stadt, innerhalb der sogenannten „Bannmeile" ge zwungen, ihr Bier aus der betreffenden Stadt zu beziehen. Sehr bald, schon im 14. Jahrhundert, begannen nun die Streitigkeiten zwischen den Lausitzer Städten wie zwischen einzelnen Städten und benachbarten Dörfern über die Zu fuhr und den Ausschank fremder Biere, also wegen Über tretungen des Bannmeilenrechtes. Diese Bierfehden haben besonders heftig im 15. Jahrhundert getobt und sind mit der Hauptanlatz zu allerlei Spottnamen und Reibereien geworden. Besonders die Einfuhr des allerwärts beliebten, ja berühmten Zittauischen Bieres nach Görlitz hatte diese Stadt so in den Harnisch gebracht, daß sie 1491 zur Selbst- Hilfe griff und eine Zittauer Biersuhre durch junge Mann schaft einfach zerschlagen ließ, weshalb ein Ort im Walde zwischen Ostritz und Hirschfelde heute noch die „Bierpfütze" heißt. Die in aller Form nun von den Zittauern durch Ab sagebrief und Btehraub eingeleitete Fehde klang noch lange in allerlei Epottliedern nach, die man in den Beschwerden der Streitenden an den Böhmenkönig als besonders ver werfliche Beweise des Hasses und Unrechts angeführt findet. So werfen in einer Klagedenkschrist von 1497 („IkttormA- tiones in esuskt Aittaviensium". Lcriptoris Ker. II, 419) die Görlitzer den Zittauern vor: „Sie haben auch in demselbigen Iare von gedachten Burgemeister Ratmannen vnd gantzen gemein zu Görlitz, schantlider vnd libellos famosos bey jn in den Etat machen, erlichten vnd öffentlich singen lassen." Das beliebteste volkstümliche Lied aus dieser Fehdezeit ist in vier Lesarten uns überliefert und zeigt ganz den Stil und die Ausdrucksweise der alten Volkslieder aus dem 15. und 16. Jahrhundert. Seine ersten Strophen lauten'): Wollt Ihr hören Ain Neuw gedicht, An Einem Dienstag daß geschah, wie Es der gerlitzer hat ausgericht, Da man die görlitzen auszihen Es hat ihn mißgelongen. Des morgensfry ihmtauwe.sSagk Die Zittauer haben Ehre kiihc ge- Den Zittern ihr gutt Biher zu nommen. hauwen. Nun wird der ganze Kampf und die gegenseitig angetane Unbill, besonders der Raub der Görlitzer Kühe durch die Zittauer drastisch erzählt. Die Schlußstrophen verraten uns, daß ein junger Zittauer wahrscheinlich der Sänger dieses vielstrophigen Spottliedes gewesen ist, der sich natürlich, wie er selbst sagte, nun nicht mehr in Zittau sehen lassen durfte. Sehr volkstümlich ist auch die Wendung, die Gör- litzer hätten dem „Landvogt die Stiefeln geschmiert mit Silber und rotem Dolde", also bestochen. Die silten haben sich ritterlich gewert. Der uns diß Liedlein sangk. Die gerlitzen haben den Landoogdt Ein friß Iungkgeselle ist Ahr gr- die Stlffeln geschmert Er hat uns frey gesungen swandt. mit silber und mit rohten qolde, von der Ltbe bleibet Ehr unver- Darum kriegten sie seine Holde. drungen. Er singet uns den, Er singet uns mehr. Er sähe aber Ken gerlltz Nimmermehr. Noch löget Ein friß gemiitte. Die gerlitzen sein Alle wende Hütte. ') Angeführt in Pescheck« Laus. Monatrschr. I7SI 6.134 ff. — Berz. dazu in den Script. Ker. d-usst. ll, 433. Mit jrem bösen Biere: Wenn sie wider die Fettide zieh». Die Laubner kennen wir wol, Mit jren schwarzen Börthen: Wenn sie wider die Feinde zieh». Wir gerne sie wieder kehrten. Die Lamitzer kennen wir wol, Mlt jren rothen Stieffeln: Wenn sie wider dir Feinde ziehn. So wollen sie sich mit jn kiffeln. Hier begegnet also schon der alte Spitzname der Görlitzer die man doppelsinnig „Wendehüte" nannte, weil sie einmal als halsstarrige Dickköpfe wie die Wenden, dann aber auch als politisch wetterwendisch angesehen wurden und verschrien waren. Wahrscheinlich entstammen jener spott- und sehde- lustigen Zeit des 15. und 16. Jahrhunderts auch die übrigen scherzhaften Beinamen der alten Sechsstädte. So hießen die Bautzner Träbersäcke, weil sie ein berühmtes Bier, die so genannte „Klotzmilch", brauten, auch Luchsstecher, weil sie 1621 in einem Gewölbe der großen Mühle einen Luchs (oder nur eine große Katze?) gefangen haben sollen. Weil sie in der erwähnten Bierfehde den Görlttzern die Kühe aus den Ratsdörfern wegtrieben, bezeichnete man die Zittauer als Kuhtreiber, wegen ihres Gemüse-, besonders Zwiebel baues die Laudaner als Zwiebelfresser. (Ähnlich Borna bei Leipzig ---- Zwiebelborne.) Aus dem 30 jährigen Kriege trugen die Löbauer den Spottnamen „Kraulmaler" mit hinweg, weil sie damals so heruntergekommen waren, daß sie den Kraut verlangenden Soldaten zurufen mußten: „Malt euch Kraut!" Bet einer schlimmen Affäre im Anfang des 17. Jahrhunderts hatten sich die Kamenzer sehr pfiffig verhalten, indem sie Johann Georg I. sehr zeitig um Gnade baten, weshalb dieser sagte: „Aha, die haben's gerochen." So blieb an ihnen der Spitzname „Schnüffler" oder „Riecher" hängen, und wer etwas leicht merkt, hat noch heute „eine Kamenzer Nase". Bei den Wenden heißt es auch in ähn licher Weise: „So ein Geruch wie eine Kamenzer Nase. — Eine Kamenzer Nase riecht schon von ferne." Auf die Vieh märkte zweier Lausitzer Städte bezieht sich das wendische Sprichwort: „Vielleicht gehts in Wittichenau nach Wunsch, wenn's in Kamenz nicht geht." Das heißt: vielleicht kann man in Wittichenau ein Stück Vieh loswerden, das in Kamenz verschmäht wurde. Wie schlimm ost der Volkssport gegen die Sechsstädte gewesen sein mag, ersehen wir aus der geschichtlichen Nachricht, daß einst ein Spottsänger gestäupt wurde, weil er ein Schimpflied auf die Sechsstädte frevel haft gesungen hatte. Aus den „Annalen" des Görlitzer Bürgermeisters und gelehrten Geschichtsschreibers Ecultetus (abgedr. in den Lcript. Ker. Hubert. 1,432 s.) kennen wir den Namen dieses lustigen Sängers, dem es so übel bekam. Es war ein Bauernbursche aus Horka, Caspar Weber mit Namen. In dem hochnotpeinlichen Verhör gab er an, er habe das Schmachlied von einem Görlitzer Kannegießer gesellen gelernt, Hans Teschner geheißen. Dieses Spottlied hechelt alle Sechsstädte weidlich durch und einige nord- böhmische Orte (Lämberg, Gabel, Friedland, Grafenstetn) noch dazu. Die Strophen, welche gegen die Lausitzer Sechs städte und gegen die Niederlausitzer (Str. 1) gerichtet sind, lauten'): DieNiderlenderkennenwirwol, Die Baudisser kennen wir wol. Eie schlottern in der seithen: Wann sie mit Ochsen fahren, So haben sie keine Pferde zu retten. 8o haben sie kein gut Geziere. Dir Görlitzer kennen wir wol, Mit jren rothen Hiittrn: Wenn sie wider die Feinde ziehn, Man heißt sie Wendehütte. Di« Sittischen kennen wir wol, Mit jren grawen Hütten: Wenn sie wider die Feinde ziehn Tragen sie rin frisch Gemütte. Die Lobischen kennen wir wol, Sie liegen vor der Heiden: Wenn sie wider die Feinde ziehn, , Wollen sie sich mit jn scheiden. ') Script. Ker. l,usst. II, 433.