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Auch ich bin zur Höhe gsstisgen, mein Land noch einmal zu jehn, zu grüßen — und Abschied zu nehmen, eh' es des Winkers Stürme verwehen. Anter der Linde auf freier Höh', da blinken gar viels Decher, ertönet Lachen, Musik und Tanz und das Lied fangsroher Zecher. Alle Menschen kommen noch einmal dem Sommer Ade zu sagen, steigen auf Höhen - wallfahrten zu Tal, zu sammeln gar köstliche Gaben. - And oft noch wirst Du lauschen dem wilden Herbstwindraujchen des Nachts, wenn Du nicht schlafen skannft. Sahst Du schon die Vögel ziehen, Dis den rauhen Norden fliehen, wärmern, schönern Zonen zu? — «Nahen des Herbstes Hörtest Du die Blätter fallen, die, wie leises Kindeslallsn sich in weite Fernen wiegen? Spürtest Du die herbe Luft, die den letzten süßen Dust roter Dosen Dir entführte? Wölben und Winds Im Tale der Strom und oben die Derge mit Felsen und Gründen und lachenden Höhn. Darüber die Wolken in Hellen Farben, dazwischen des Windes lustiges Wehn. Wolken und Winde, dis wandern gar schnell durch die Welt so groß und so weit. Der Wind ist ein gar lieber Gesell, die Wolken sein Zeitvertreib. Abendlied Nun schlafen alle Winde ein und still wird'» aus der Erde. Mit einem lust'gen Liedelsin treibt heim der Hirt die Herde. Vom nahen Dorf ein Glockenjchlag schwingt über Wald und Felder - Verrauscht ist nun der Hells Tag. schwarz leuchten fern die Wälder. Herbst Nun bist du da, du goldner Herbst mit deinem leisen Vlättsrsallen. Durch Wälder und das Wiessntal bleigraue Nebel wallen. Der Seigerturm auf Burg Stolpen Von Fr. Beruh. Stil rzner-Arnsdorf on den vielen Türmen, welche einst die Burg Stolpen zierten, sind heute noch der Johannes- oder Coselturm, der Siebenspitzige Turm oder der Franzosenturm und der Seigerturm erhalten. Aber ein Jahrhundert hindurch sind sie das Wahrzeichen der romantischen Burgruine und des trauten Bergstädtchens Stolpen gewesen; denn meilenweit grüßen sie in das ringsum liegende Land hinaus. Jedes Bild Stolpens zeigt jene drei charakteristischen Türme. Der mittlere von ihnen ist der Seigerturm. An ihm sind im Laufe der letzten zwei Jahr zehnte umfassende Reparaturen vorgenommen worden. Man geht mit der Absicht um, auch den Seigerturm für die Besucher der Burg zugänglich zu machen, und das wird von den Freunden des geschichtlich so denkwürdigen Schlosses Stolpen mit Freuden begrüßt. Der Seigerturm, nach dem in ihm befindlichen Schlagwerke so genannt, hat auch seine besondere Geschichte. Er stammt aus dem Anfänge des 16. Jahrhunderts und wurde in seinen unteren Teilen durch den Bischof Johann VI. von Salhausen, der von 1487—1518 den Bischofsstuhl von Meißen innehatte, errichtet. Bischof Johannes VI. war es ja auch, der auf Burg Stolpen große und umfassende Baulichkeiten ausführen ließ. Als Kur fürst Vater August Weihnachten 1558 der Besitzer von Stolpen wurde, ließ er an dem Eeigerturm einen bedeutenden Umbau vornehmen. Er gab 1560 dem Turme seine jetzige Gestalt. Aus jenen Umbau deutet am südlichen Giebel des Turmes eine Jahres zahl. Die unteren Teile des Seigerturmes wurden gleichzeitig mit dem Iohannesturm errichtet; denn das am Iohannesturme befindliche Eteinmetzzeichen findet man am Seigerturm ebenfalls. Dem Seigerturme ist an der nördlichen Seite ein Treppenturm mit Satteldach vorgelegt. Er wird mit zwei Bolutengiebeln tBolut - spiralförmiges Bermittelungsglied an architektonischen Teilen, insbesondere an Konsolen und an Säulenkapitälen) ge- schlossen. Der vorgelegte Treppenturm ist aber seines oberen Teiles beraubt. 3m zweiten und dritten Stockwerke dey Seiger- türme, sind die ursprünglichen Kreuzgewölbe noch gut erhalten. Der Hauptraum des zweiten Stockwerkes war ehemals mit lau nigen Freskogemäldr» geziert, von denen noch heute Reste deut lich zu erkennen sind. Am Eeigerturm finden wir auch noch zwei andere Eteinmetzzeichen. Der Dachreiter des Turmes enthält eine Stundenglocke, die 1562 der Kurfürst Vater August durch „Wolff Hilliger in Drcßden" gießen ließ. Selbige zeigt folgende Inschrift: ^esaiae XI^: Verbum Domini manet in seternum. -Vo. Dm. KWDXII (1562). Das im Seigerturme befindliche Uhrwerk wurde durch den Kgl. tzofuhrmacher Naumann in Dresden von neuem im 18. Jahr hundert hergestellt. Die letzte Hauptreparatur erfuhr der Turm im Jahre 1714. Im Laufe der letzten Jahre ist er wieder zu gänglich gemacht worden und seine Räume sollen zur Aufbewah rung von Altertümern dienen. Westlich vom Seigerturme, an der den hintersten Hof nördlich abschließenden Mauer, befand sich einst ein schöner Eäulengang, der sich westlich unmittelbar an das Fürstenhaus oder den Pallas anschloß, „worauf Stuben gebaut, die mit L Is kresco gemalet waren. Da sich einige eben nicht sittliche Bilder in diesen Stuben befanden, so ließ man sie überweißen," Von diesem Gange aus gelangte man nach einem jetzt völlig verschwundenen Bau, welcher der Kurfürstin Mutter Anna als Laboratorium gedient hat. Es war dieses Laboratorium das erste, welches die Kurfürstin selbst einrichtete. Bon ihm aus verschickte sie die unter ihrer Leitung gefertigten Präparate an den elterlichen Hof nach Kopenhagen. Erst später richtete Mutter Anna das Laboratorium auf Schloß Annaburg, dem Lieblingssitze der Kurfürstio, ein. Die Südseite des Hofes nahmen früher kurfürstliche Wirt schafts- und Wohnräume ein, welche nebst dem Iohannesturme, der dem Seigerturme schräg gegenüber liegt, der Gräfin Cosel als Wohnung dienten. Der altehrwürdige Eeigerturm ist ein stummer Zeuge so mancher Ereignisse gewesen und könnte uns viel erzählen. Wiederholt haben die Flammen an ihm empor geschlagen, doch unversehrt steht er noch heute auf seinem Posten und weckt Erinnerungen aus vergangenen Tagen. Er verdient es, daß die bessernde Hand an ihn gelegt wird, damit er nicht auch, vom Zahne der Zeit zernagt, zerfällt wie so mancher seiner ehemaligen Nachbarn. Darum Dank jenen wackeren und einsichtsvollen Männern, die für seine Erhaltung eifrig besorgt sind. Wer einmal nach Stolpen kommt, der bitte den freundlichen Kastellan, daß er ihn auch hinauf in den Eeigerturm führe.