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Gesängen der Kriegsknechte. Das war ein Gepolter und Ge trampel in Küche, Keller und Vorratskammern! Dem Lauschen den blieb kein Zweifel: Die Sieger plünderten, und die Mägde waren ihre Führerinnen. Auch auf die Türklinke der Backstube legten sich die Irevlerhände. Aber die Zauberkraft der Heinchen hatte es bewirkt, daß die Tür wie mit tausend eisernen Riegeln verschlossen schien und, obgleich sie nur von Buchenholz war, gab sie selbst den eifrigen Sprengversuchen der Kriegsknechte nicht nach. Fluchend entfernten sie sich wieder. Gar zu gern hätten sie das Gelüste der Mägde nach den Lhristbroten befriedigt. Bald darauf ertönte aus dem Rittersaal Jubeln, Singen und Lachen, denn dort taten sich die Kriegsknechte und die verräte rischen Mägde gütlich an Wein und Speisen Um Mitternacht stürmte die ruchlose Horde, darunter die Mägde, die Stiegen hinunter. Noch einmal, wie das Toben des Wetters vor dem Gewitterende, lebte der Tumult im Burghofe auf — dann wurde es ganz still. Nur der Tod hielt seinen Umgang. In der einen Knochenhand hielt er eine Kerze, die kaltes Mowd- licht ausstrahlte, und die andere streckte er aus, um die Toten zu zählen. Die Sieger aber waren, trunken von Ruhm, Liebe und Wein, abgezogen, reiche Beute mit sich führend, als lebende, außer den Mägden, Mtchelsberg und seine Kumpane. Alles, was der Schreckenstag an Schmerz und Angst Frau Adelgunde brachte, hatte ihre Kräfte vollständig erschöpft, und sie war an der Brust Marias in einen tiefen Schlummer gesunken. Sie merkte es daher nicht, wie die Heinchen hereinhuschten und erregt verkündeten: „Das Dach der Burg brennt! Die Feinde haben Feuer angelegt, bevor sie von dannen zogen. Flieht!" Schon drang Rauch durch die Spalte der Tür — doch ehe sich noch das Feuer auf die Stiegen herabwälzte, nahm Maria ihre Herrin auf den Arm und trug sie, gefolgt von den Heinchen, aus der Burg, durch den Hof und hinab in den Wald. Währenddem führte der böhmische Herr Michelsberg und seine Genossen nach Prag, woselbst sie nach einiger Zeit hingerichtet wurden. Als Michelsberg bereits den Kopf auf dem Richtblock liegen hatte, bevor noch das Henkerbeil seinen Stiernacken traf, und ehe noch sein Blut floß, rief er laut: „Adelgunde, mein ge- liebles Weib, bete für mich!" Das tat die fromme Burgfrau in reichlichem Maße! Maria, die Reine, hatte ihre Herrin in ein Häuschen am Waldesrand geführt, wo Frau Adelgunde alles auf das Beste für ihr Wohlbehagen ge- richtet sand. Doch dann war Maria, die Reine, verschwunden. War sie eine gute Fee, war sie eine Heilige gewesen? Die Hein chen aber dienten ihrer Herrin bis zu ihrem Tod und brachten ihr Gold und Edelsteine, womit sie den Armen im Dorfe Wohltaten erwies. Die Zittauer Ratsherren und Bürger, sowie die Bewohner des Dorfes Oybin, auf denen Michelsberg und Genossen wie eine Teufelswolke gelastet hatten, erhielten durch deren Hinrichtung ihre Genugtuung und begannen neu aufzuleben. Als im Jahre 1369 zur Seite des in Trümmern liegenden Raubnestes das Lölestinerkloster auf dem Oybin von Karl IV. erbaut wurde, tauchten die Heinchen, die Michelsberg zu seinem Puppenspiel verwendet hatte, plötzlich wieder auf. Sie behingen sich mit den Seidenfetzen und dem Flitterkram, den sie aus der Glanzzeit der Burg gerettet hatten, denn sie glaubten, das lustige Leben beginne wieder. Zu einem langen Zug geordnet, traten sie vor den Prior und boten ihm ihre Dienste als Komödianten an. Doch als dieser ihnen vorschlug, sie sollten christliche Spiele auf- sühren, flohen sie unter Zeichen des tiefsten Abscheus und kehrten zurück zu ihrer Stammutter, der bösen Frau Mandragora. Indessen wurde auch die Kirche auf dem Oybin erbaut. Und eines Sonntagsmorgens ergoß sich Helles, volles Glockenklingen über den Berg, sodaß es war, als senke sich der Himmel, in Musik aufgelöst, herab. Doch die Heinchen erfüllte der Klang der Glocken mit einer ihnen selbst unerklärlichen Pein. Sie flohen die Ober fläche der Erde und bauten sich Wohnungen in ihrem Innern. Die böse Frau aber zog sich mit einem schauerlichen Angstgeheul in die tiefste Verborgenheit des Waldes zurück. Doch die Heinchen der Frau Adelgunde hatten ihrer Herrin auf dem Sterbebette versprochen, jede Nacht zu Allerheiligen für ihre und ihres Ehegemahles Seele eine Messe zu lesen, und das erfüllen sie noch heute getreulich. Um elf Uhr in der Allerheiligen-Nacht versammeln sich diese kleinen Wesen am Fuße des Oybins. Sie halten brennende Wachs- Kerzen in den kleinen Händen, ordnen sich zu Paaren und ziehen, einen Priester in ihrer Mitte führend, den Berg hinauf, um sich in das Innere der Kirchenruine zu begeben. Dann tönt durch die Stille der Nacht in feierlichen ernsten Klängen die Orgel. Lieb liche Melodien frommer Gesänge fließen hinaus in die bleiche Mondnacht und durchwärmen sie. Getragene Worte wallen aus der Ruine, denn der geweihte Priester hält das Hochamt und liest die Messe für die arme Seele Michelsbergs im Fegefeuer und die fromme der Frau Adelgunde. So mancher, der in der Allerheiligen- Nacht an der Oybiner Kirchenruine vorüberging, hat wohl das geheimnisvolle Licht darinnen gesehen und die wunderbaren Klänge gehört, ohne sie sich deuten zu können. Noch heute Hausen die Heinchen im Innern des Oybins und unterirdisch in besten Umgebung. Zuweilen kommen sie daraus hervor, um fleißige und ordentliche Leute zu beschenken, aber die Unnützen und Faulen strafen und äffen sie. Oft zeigen sich auch des Nachts auf dem Oybin im halben Mondlicht die Geister Michelsbergs und seiner Kumpane im schwarzen Harnisch und mit blutroten Helmbüschen, ihnen folgen Frauen in altmodischen aber prunkenden Gewändern, mit ge- spensterbleichen Gesichtern. Mit knöchernen Fingern winken sie und ihnen folgen Bediente und Pagen, Zofen, Köchinnen, Narren und Küchenjungen, alles in wildem Durcheinander und in bunt- scheckiger Kleidung. Den Zug schließen Mönche in langen, schlei- senden Kutten, mit abgehärmten Gesichtern und wie in Berzweif- lung die Hände ringend. Mit dem ersten Schlag Mitternacht ist das unheimliche Bild verschwunden. Noch liegen die von Raubrittern, Mönchen und Heinchen auf» gehäuften Schätze und harren der vom Schicksal begünstigten Hand oder der finsteren Kenntnisse eines erfahrenen Geister beschwörers, der den Zauber löst, die Geister bannt und die Kost, barkeiten aus dem Innern des Oybins hebt. Gberlaujitzer Wandsvsport Bautzen. OriginellcrProtest gegen dieneuenFahr- preise der Eisenbahn. Zum Zeichen des Protestes gegen die neuerlichen Fahrpreiserhöhungen, die nach Einführung wertbcständi- ger Tarife nunmehr chronisch zu werden versprechen, unternahmen als Daurrlüufer von besonderer Leistungsfähigkeit bekannte Bautzener Herren am Sonntag, 2. Sept., wieder einen größeren Fußmarsch. Wie beim ersten Marsch — der zweite sand bekanntlich unter der Parole „Rund um die Lausitz" (132 Kilometers statt — lenkten sie wiederum ihre Schritte nach der Sächsischen Schweiz, doch war diesmal die Marschroute so gelegt worden, daß neben der reinen Laufzeit und -Leistung noch genügend Zeit zur Einkehr, Erholung und Naturgenuß vorhanden war, denn der Marsch sollte gleichzeitig den Nachweis erbringen, daß auch ohne Inanspruchnahme der teueren Eisenbahn ein durchaus angenehmer und lohnender Tagesausflug von Bautzen aus nach der Sächsischen Schweiz möglich ist. Die Ausflügler brachen in der Nacht zum Sonntag früh 3 Uhr in Bautzen auf, wanderten auf der schon bekannten Strecke über Gaußig, Putzkau und Lauter- buch nach Stolpen, wo sie halb 9 Uhr eintrasen. Hier wurde ein stündige Rast gemacht, dann ging es unter wegkundiger Führung auf wenig begangenen Pfaden ins Polenztal, wo Bockmühle und Märzenbecherwiese berührt und festgestellt wurde, daß die Herrschaft Hecselich die Schönheiten dieser Täler und Höhen in ganz unbczreif- licher Weise ungangbar gemacht hat. In der Russig-Mllhle vor Hohnstein wurde eine reichlich einstündige Mittagspause eingeschoben, dann ging es Uber die Waltersdorfer Mühle aus den Brand, der von 2n- und Ausländern außerordentlich stark besucht war. Die auf gewendete Mühe wurde durch eine selten klar« Fernsicht reichlich ge lohnt. Fußschäden zwangen hier einige Läufer zur Rückfahrt. Die Herren Schriftleiter Nicke und Bankbeamter Henkner traten aber unbeirrt den Heimweg an, wanderten über Neustadt—Ottendorf zu rück und landeten wieder wohlgemut nachts halb S Uhr in Bautzen. Die an einem Tage zurllckgelegte Strecke betrug diesmal etwa 100 Kilometer.