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Nr. 15 Gberlauflher und ihr Weibsvölker gieht alle mitte zu Grunde. Und de schienen Christtirute, die d'r gebacken Hot, frißt olle d'r Feind, und's Häusel brannt z'samm bis uff dahn latzten Steen. Zu, de ahle Mandra gora Hot ihre sichern Azeechn, die weeß Bescheed ei d'r Natur. Zwiene grüße Bügel Hot se ei d'r Lust Kampf» sahn. Se Han de Kralln a nander gehechelt geholt und biesc geschrien. Das bedeut' Krieg, Feuer und Kebben." Auf einmal begann sie zu singen, wobei sie sich bemühte, ihrer krächzenden Stimme etwas Schmelz zu verleihen: „Hule, hule, Heinle, Heinle, Blumenkebble, Elfenbeinle, a d'r Mandragora Garten Feuerpfahrle uff euch warten. Kummt, kummt, Heinle! Ihr sullt mit Owate san Hähr durch de Lifte machen. Iu, ju, dos hot'r wull vergassen, ihr Weibsen, wie stark dar Owate is. Dar Hot dazemal sor e paar hundrt Fuhren ganz allene dahn grüßen Bahr d'rläht, dohier uff dahn Oyb'n. Dar wird wull och mit euch Luderzeuk fart'g warn." Bei dem Gesang der bösen Frau waren die Heinchen zu ihr hingehüpft. Sie kletterten an ihr empor, und sie verließ mit ihnen, höhnisch lachend, die Spinnstube. Am folgenden Morgen, man schrieb den 8. Dezember 1343, als-Frau Adelgunde in der Backstube vor den Lhristbroten stand und sie in Gedanken verteilte, einen Teil an sich und ihren Gemahl, den andern an das Gesinde und die Armen des Dorfes, glitt un bemerkt, wie der erste Morgenschein durch die Rundscheiblein, Maria, die Reine, in die Backstube. Frau Adelgunde schrak leicht zusammen, als sie plötzlich neben ihr stand. Doch Maria sagte mit mildem Ernst: „Friede sei mit Euch, vielliebt Herrin. Wisset, es steht Euch heute ein sehr schwerer Tag bevor." „Was sagst Du? Was steht mir bevor?" fragte Frau Adel gunde erbleichend. Doch Maria führte die Zitternde an einen Stuhl und sagte: „Stärket Euch durch ein Gebet, und dann esset Euer Kraftsüpplein." Aber als sie lief, um die Schüssel aus dem Backofen zu holen, stockte ihr Fuß. Sie vernahm springende Tritte draußen auf der Treppe, und gleich darauf erschallte aus einer Männerkehle der durchdringende Ruf: „Hollaho l Hollaho! Erwacht, erwacht, es nahet der Feind!" „O, Maria — das war der Turmwart!" flüsterte Frau Adel gunde mit großen entsetzten Augen. „Jetzt geht die Prophezeiung der bösen Frau in Erfüllung!" Doch plötzlich sprang sie auf, lief laut schluchzend nach der Tür und rief: „O, mein Gemahl! Mein herzlieber Gemahl! Ich will zu ihm und mit ihm sterben." Aber Maria hielt sie fest, zwang sie auf den Stuhl zurück und sagte: „Was wollt Ihr bei Eurem Herrn? Ihr seid ihm nur ein Hindernis beim Berteidigen der Burg. Bleibt ruhig hier, betet und fasset Euch in Geduld." Schon tönte von draußen aus der Ferne das Trompeten- geschmetter der nahenden Feinde. Zugleich erhob sich im Innern der Burg ein ungeheurer Tumult: Hin- und Herrennen auf den Stiegen, Türenschlagen, lautes Sprechen und Schreien. Plötzlich verstummte der Aufruhr der Diener und Knappen vor der gewaltigen Stimme ihres Herrn, wie das Bellen der Rehböcke vor dem Röhren des Platzhirsches. Und die bebend aushorchende Frau Adelgunde vernahm aus dem Munde ihres Gemahls die Worte: „Was rennet Ihr durcheinander wie blinde Ratten und stoßt Euch die Schädel ein, Ihr verfluchten, schlaf mützigen Schwertmägen! Laufet und rüttelt meine Kumpane, so noch schnarchen im Rittersaal unterm Tisch. Sie sollen sogleich ihre fetten Wänste mit Rüstung und Waffen gürten; Karl, der Pfaffenknecht, rücke auf die Burg. — Konradus, wo ist mein Weib? Sorge für sie und bringe sie in Sicherheit. Du weißt, in welcher Weis'. Ich will Dirs gedenken, mein getreuer Alter!" ^Da wollte Frau Adelgunde hinaus zu ihm. Doch sie rüttelte vergebens an der Tür. Maria hatte sie verschlossen und den Schlüssel abgezogen. Und Frau Adelgunde schrie mit gellender Hsimatzeltung M Stimme: „Dieter, mein Dieter! Hier bin ich! Zerschlage die Tür» damit ich hinaus zu Dir kann!" Aber ihr Schreien ging unter im raschen Davonstampfen Michelsbergs und seinem dröhnenden Ruf: „Zu den Waffen! Alles zu den Waffen! Eilet, eilet!" Und Maria, die Reine, zog Frau Adelgunde wieder mit sanfter Gewalt auf den Stuhl und sagte mild: „Wollet es doch einsehen, vielliebe Burgfrau, daß Ihr Eurem Mann nur ein lästig An hängsel wäret im Kampf. Auch seid Ihr hier wohlgeborgen vor der Roheit der Kriegsknechte." Währenddem erbebte die Burg bis in die Grundfesten unter dem Anprall der Felsstücken, die von den Feinden gegen das Tor geschleudert wurden, um es zu sprengen. Dazwischen klangen vom Burghof herauf scharfe Befehlscufe Michelsbergs, hohnvollc Reden der Raubritter gegen den anstürmenden Feind, Hunde- gebelle und Waffenklicren. Die Heinchen begehrten Einlaß in die Backstube, und Maria ließ sie herein: „O wehe Euch und uns! Der Feind hat bereits das Tor gesprengt und ist in den Burghof gedrungen! Ein böser Kampf ist schon im Gange. Unsere Mannschaft und die Kriegs knechte Kaiser Karls bilden einen bunten Riesenknäuel, aus dem das Blut in dicke» Strähnen fleußt. Was nützt es, daß viele unserer Tapfren ganze Schwärme von Pfeilen aus den Luken herabschießen? Nur um Weniges mindern sie die Überzahl der Feinde." „Sähet Ihr meinen Gemahl?" fragte Frau Adelgunde. Und da sie schwiegen, rief sie, und die Tränen flössen ihr aus dem Herzensquell in die Augen: „Gehet sogleich, meine Getreuen, und seht, wie es ihm geht." Die Heinchen huschten hinaus. Immer grauenvoller drang indessen der Kriegslärm in die Backstube. Es war ein wildes Gemisch von Geschrei, das die Kampfeswollust auslöste, und schauerlichen Klagen Sterbender. Endlich, als bereits des Mondes kühles Licht durch das Fenster der Backstube fiel, füllte auf einmal den Burghof toller Sieges jubel. Sogleich lebte in Frau Adelgundes Herzen ein Hoffnungs sproß auf. Immer, in jedem Kampf war ihr kühner Dieter vom Glück begünstigt! Warum nicht auch diesmal? Wieder wehten die Heinchen herein. Doch ihre Gesichter waren bleicher wie das Mondlicht und vor ihren Sternenäuglein lag es wie Spinnwebe. Eines von ihnen begann: „Bielliebe Herrin! Vernehmet erst, daß Eure Mägde, die erst mutig mit Feuereisen, Besen und Heugabeln mitgekämpft haben, sich jetzt von den schmeichelnden Kriegsknechten des Feindes betören ließen und ihnen anhangen." Aber Frau Adelgunde fragte nur erregt: „Und mein Gemahl? Sähet Ihr ihn? Lebet er?" „Er lebet — doch man hat ihn gebunden," flüsterte eines der Heinchen. Da schrie Frau Adelgunde auf und rang die Hände: „Du! Du, mein tapfrer Michelsberg — gebunden! Mein stolzer Dieter gefangen! Du, dem die Freiheit Leben ist, wie dem Adler!" Und eines der Heinchen sagte darauf bekümmert: „Ja, einem Adler war er gleich, einem gefesselten Adler, als wir ihn sitzen sahen auf einem Stein, mit hängendem Kopf und verbissenem Grimm in seinem Gesicht. Aber seine Augen flogen wieSchwälb- chen, die ziehen müssen um die Burg, als suchten sie ein liebes Plätzchen zur letzten Rast." Da stürzte sich Frau Adelgunde wieder gegen die Tür und wild aufschluchzend rief sie: „Mein Dieter — Deine Augen suchten nach meinem Angesicht! Du sollst Dich nicht in meiner Treue ge täuscht haben. Ich folge Dir in die Gefangenschaft und in den Tod!" Doch wieder umschlang sie fest Marias Arm und Frau Adel gunde lag ohnmächtig am Herzen der treuen Magd. Auf einmal wurde es im Innern der Burg lebendig, in die sich . das sieghafte Heer ergoß,s:wie die Wogen des Meeres zur Flut zeit auf die Küste. Darüber schwangen sich wie Mövenrufe die Aufschreie der zur Sinnenlust gereizten Mägde. Ihre stechen Reden und ihr überlautes Gelächter mischten sich mit den wüsten