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174 Hberlausihev Hslmatzeriung 41r. 15 Der Amerikanerfimmel. Oberlausitzer Dialekt-Schwank in 3 Aufzügen vj von Richard Blasius. Nachdruck und Rollenausschreiben verboten. — Aufführungsrecht ist nur zu erhalten vom Thespis-Bertrieb, Schandau. Büttner (erhebt sich, mit Verbeugung): 3a, Herr Amerikaner. Vagabund (reicht ihm einen Geldschein): Da, nehmen! Büttner (erfaßt es schnell): O, ich danke, danke, danke, der Herr Amerikaner is a Herrgott. Knick: A dommes Luder ös a. Vagabund: Bauer, kriegst mehr, wenn in drei Tag noch nicht gesunden. Fleck: Saudomm ös a. Büttner (leise »um Vagabunden): 3s da» meglch, Herr Amerikaner? Ich koann Ihnen ja ni gnung dankn. Sehn Se, ich bin a armer Mann. Vagabund (stolz): Nix dorbei. Deutsch arm, Amerika reich. Wieviel verloren? Büttner: O, ni viel für an Amerikaner. (Leise): Achthunderttausend M. Vagabund: Bah, Kleinigkeit! (Leise): Da» is ja'n größerer Gauner als ich. (Ende dr» 2. Abte».) 3. Akt. (Habelmann sitzt, in einem großen Bande lesend, in einem Liegrstuhle rechts. Konstantia und Ella trinken links im Hintergründe Kaffee. Aus einem Tische liegt eine Trompete.) 1. Auftritt. Habelmann, Konstantia, Ella. Habelmann (schaut trübsinnig über das Buch weg in die Luft, kopfschüttelnd): Ach ja, ach ja! Konstantia (scharf): Was ist denn mit dir los, Hyro- nimus? Habelmann: Oh, nichts, ich denke bloß nach. Konstantia: Uber deinen Gartenlaubenroman? Habelmann: Ja ja, natürlich. Ella: Wie heißt er denn? Habelmann: „Eine unbedeutende Frau", von der lieben, guten Marie Bernhard. Konstantia (steht leise aus und schaut Habclmann über die Schulter: Dachte ich mir's doch. Hyronimus, ist das die Gar tenlaube? Habelmann (betrachtet erschrocken da» Buch): „Deutsche Gastwirtszeitung", Jahrgang 1912? Ja, was ist das? Konstantia: Seit einer halben Stunde liest du in diesem Buche, ohne zu wissen, was du liest. Erstaunlich. Habelmann: Ja, ja, ich wundre mich auch. Ich war eben so in Gedanken versunken. Kowstantia: Uber „Die unbedeutende Frau? Habelmann: Uber wen? Ach so, ja ja, gewiß. Es wird da ein Problem ... Ella: Aber Onkelchen, die Gartenlaubenschriftsteller und Probleme! Wenn die Leutchen Probleme lösen sollten, würde es wohl ewig heißen: „Auflösung folgt in nächster Nummer." Habelmann: Was die heutige Jugend doch alles weiß. Konstantia: Willst du mir nun endlich den Grund deiner Zerstreutheit Mitteilen? Habelmann: Aber ich bin doch garnicht zerstreut, liebe Schwester. Konstantia: Und dieses Buch? Habelmann (nachdenklich): Da muß ein spiritistisches Perwandlungsphänomen oorliegen. Konstantia: Bleib mir mit dem Unsinn vom Halse! Habelmann: Oh, es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als eure Schulweisheit sich träumen läßt. Konstantia: Zwischen Himmel und Erde meinetwegen, aber nicht in Bunzlau. Habelmann: Konstantia, ich muß dir gestehen, ja ich bin zerstreut nein, nein — nicht eigentlich zerstreut, aber in größter Verlegenheit. Mir ist etwas ganz unfatz- liches passiert. Konstantia: So—o—o? Ella (herantrctknd): Was denn, Onkelchen? Habelmann (stkht auf, jammernd): Ach, ich bin ganz ent zwei mit mir selber. Denkt euch, ich nahm zweihunderttau- send Mark mit auf die Reise. Davon habe ich nun schon gegen zwanzigtausend ausgegeben. Ich müßte demnach noch yundertachtzigtausend haben. Aber ich kann zählen, wie ich will, ich bekomme.... Konstantia: Das sieht dir ähnlich. Natürlich hast du dir das Geld stehlen lassen. Habelmann: Aber nein, Konstantia. Konstantia: Kein Wunder, ein zehnjähriges Kind weiß in der Welt mehr Bescheid als du. Ella: Aber Mama, wo Onkel dreißig Bände „Garten laube" gelesen hat. Habelmann: Ja ja, mir fehlt doch gar kein Geld. Im Gegenteil, zu viel habe ich. Konstantia: Was? Ella: Zu viel? Habelmann: Zweihundertachtzigtausend Mark stecken in meiner Brieftasche. Konstantia: Na das verstehe einer! Habelmann: Das man zu wenig hat, ist wohl erklär lich, ist wohl auch die Regel, aber zu viel, das ist unfaßbar. Konstantia: Du wirst dich verrechnet haben. Habelmann: Das ist ja das Entsetzliche. Ich habe mich in meinen dreißig Dienstjahren nicht einmal verrechnet, und jetzt muß mir das passieren. Das bringt mich um meine ganze Ferienruhe. Ich als Oberrechnungsrat habe mich ver rechnet. Konstantia: Es ist doch besser, als wenn es zu wenig wäre. Habelmann: Ja, wenn ich Hinz oder Kunz wäre. Aber ich bin doch'Oderrechnungsrat, und wie soll ich Vertrauen zu meiner Amtssähigkeit haben, wenn ich mich verrechne. Ich — ich werde mein Pensionsgesuch einreichen müssen. Ella: Aber Onkelchen, du bist von einer zwerchfell erschütternden Komik. Konstantia: Hyronimus, nun^ nimm Vernunft an Hast du denn in den dreißig Jahren aus deinem Drehstuhl die Drehkrankheit bekommen? Jeder normale Mensch käme doch über so etwas am leichtesten weg. Habelmann: Nein, darüber komme ich überhaupt nicht weg. Konstantia: Ach geh, du hast schlecht geschlafen. Habelmann: Das stimmt außerdem noch. Wie soll einer auch schlafen können bei dem Spektakel jede Nacht. Stets um zwölf Uhr stöhnts und rasselts aus dem Gange zum Gottserbarmen. Ella: Ich habe noch nichts gehört. Habelmann:O glücklicher Schlaf der Jugend!