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Das Kamenzer Forstfest Po» Otto Flösset, Bautzen Naumburg sein Kirschensest, so hat Kamen, sein MMU Forst sest. überhaupt Haden sich im Lause der Zeit WMM mancherlei Berwandtfchaslszüge zwischen beidru heraus- gebildet. Nicht nur, daß beide um die gleiche Zeit gefeiert werden, sie scheinen auch gleichen geschichtlichen Ereig nissen heraus geboren worden zu sein. Hier wie dort will der Feftbrauch aus die Hussiten zurückgeheo. Ja, die Sage ist in beiden Siädlen dieselbe. Sie weiß zu berichten: Während der Hussitenkriege nahte sich eine Schar gesüichieter Morbbreuoer der Sradt Kamenz und hauste etue Zeitlang in dem nahe gelegenen Walde. Die Stadt lebte in Angst und Schrecken. Au längeren Widerstand war nicht zu denken. Da entschloßen sich dir Bewohner, das Herz der Barbaren zu rühren und ihr Mitgefühl mit ihrer oerzwrtselleu Lage zu wecken. Die Kinder sollten einen Bittgang run. 3n schlichtem Gewände erschienen die Kaaben und Mägdlein der Stadt iu dem seiudlichen Lage» und baten die Feinde, ihre Stadt von Unheil verschonen zu wollen. Ihr Stehen blieb nicht uugehörr. Noch am selben Tage zog der Aniührer mit seinen wilder, Horden ab. Kamen, war gerettet. Dor der Geschichte Kanu diese Sage, die übrigens sehr spät enlstanden ist und sür welche Naumburg zweifellos das Muster war, freilich nicht bestehen. Denn die geschichtlichen Auszeich nungen berichten, bah Kamen, vom 3.-6. Oktober 142S von den Hussiten bestürmt und am 7. Oktober tu etuen Trümmer Haufen verwanoelt worden ist. Wie dem aber auch sei» wag: Das Kamenzer Sorftsest findet — außer iu dem Naumburger Kirscheusest — seinesgleichen iu Deutschland wohl nicht wieder. Jahrhundertelang wird es schon grübt. Alljährlich, wenn die Sense ihr Lled im Kornseld zu fingen anhrvl, wruo hier und da da» Laub sich zu färben beglnu« und rin leises Ahnen vom Herbste durch die Lande gehl: alljährlich iu der Woche nach Bartholomäus feiert Kamenz sein Forstsest. Ursprünglich mag es rin gioße» Schutfrst gewrjru sein. Und noch heute ged,» die Kinorr den Grunoion des Festes an. 3nvem t« Wandel der Fahre sich aber auch dir Alten iu reger Weife daran be teiligten, ist es über den früheren Rahmen hinaurgewachsrn, und heute stellt es rin echte«, rechtes Dolksseft dar. Mehr noch! Da kommen die Kamenzer, die vor Fahren zum Wauderstad griffen und in die Ferne zogen, zurück zur alten, lieben Vater stadt. So wird das Sorstfrst zum Heimatfest. Wochen vorher schon wird es io der Stadt lebendig. Alles atmet srohes Er warten. Tausend Hände find am Werke und rüsten zum Seite, Da werden die Häuser gewaschen. Aus den offenen Haustür» n zteht rin seines Duften von Mandeln und Zucker. Frauen tragen schwere Bretter knuspriger Kuchen durch di« Straßen. Mädchen putzen an weißen Kleibern und die Zungen suchen Jahnen und Schäipen hervor. Di« Fugend windet grüne K«änze und taoueuduftende Ranken. Der Schulmeister übt mit seiner Kinde,schar an srohea Weisen und irgendwoher klingt da» Folstsestlird an: Festlich schwebt ei» Freudeutag uuferm Kreise nieder, jeder Stunde dumpjer Schlag hallt uns Wonne wieder. Wir ein Herz im Busen trägt, wem e» laut und seurtg schlägt: finge Subelltrder! Und Jubel läut allerorten, wenn die Festtage da find. Da »rangt die Lessingstadt im Sestgewande. Sahnen grüßen von den Türmen. Laubgewiode hängen in schweren Bogen über de» Straßen. Dor den Fenstern grüßen grüne Kiäu,e. Dar alt«, würdige Rathaus, das mitten aus dem Mailne steht, hat seinen Staatsrock angelegt und fleht mit seinem Ranken- und Reifigschmuck schier aus wie ein ehrbarer Stadtoaler au» alte» Zeit mit schweren Amtsketten und bauschigen Halskrausen ... Kein Haus in der Stadt kommt sich da sowjchi'ig vor wie eben das Rathaus. Vielleicht noch die alte Schule drüben. Die schmückte di« Lugend überreich mit Kränzen. Denn an einem Sorstsesttage — vor acht Jahrzehnte«, ,wei Jahre nach dem großen Stadtbrande — öffnete sie ihre Türen der lerubrfliffeue« Kindrrschar. In aller Herrgottssrühe schon sind die Kl,inen aus den Beinen, die Mädchen in leichten Kleidern und mit feinen Schleifen und Immergrün im Haar, die Knabe« im Sonntagsstaat und mit wehenden Wimpeln. Ihre Mangen glühen Erwarten, ihre Augen leuchten eitel Freude. E, ist ja ihr Fest, das Forstsest. An jedem der vier Fubeltage ziehen sie morgens hinaus aus der Stadt in lang-m Zuge, fast zwei tausend Kinder, hinaus in den Forst. Sine richtige Zeltstadt ist vort erstanden, mitten im grünen Walde. So mancherlri Freuden harren ihrer dort. Da schieß,n sie mit Armbrüsten nach dem bunten Holzoogel aus der hohen S ange. Da zeigen ste ihre Künste im Turnen. Da tanzen sie Reigen, drehen fich im Kreise und singen frohe Lieder dazu. Und spaßige Spiele spielen sie: Sackhüpfen und Sandmann und Topsschlagen, daß e» eine Lust ist. Und die Alten werden jung dabei und tun mit. Sürnahr: „Hier ist des Dolke» wahrer Himmel!" Menn ater dir Sonne hinter dem Hutderge zur Rüste gegangen ist, dann leuchten draußen im Forste tausend bunte Lichter auf. Mit reich bemalten Pap'erlaternen an langen Stöcken ziehen die Kinder zur Stadt zurück, ein endloser Zug, eine bunte Riesenschlange kriech,'» da im Dunkel den Hang herab. Und wie die Nacht niederfinltt, füllt sich der stille Markt. Bor »Ken Fenstern brennen h,ll Kerzen. Auch das Rathaus strahlt im Lichtrrglauz. Wer solch ein Bild gesehen, verotßt e, nun und nimmermehr. Die da aus dem Marktplatz strhen, in dichte« Scharen, Kops an Kopf, ergreist es n ächtig, und sie heben noch einmal den Srstsong an. Mächtig braust er in die Nacht hin aus: Wer in unfern Reihen stand, tunket gern der Stund,«, da auch ihm der Liebe Hand K.änze einst gewunden in die Locken, an den Stab. — Welche Fugendwonne gab uns des Festes Zauder! Noch lange steht man in losen Gruppen beieinander. Man hat fick ja soviel zu erzählen von all dem Reichen, das einem die Festtage schenkten. Spät erst trennt man sich. Die ei«en gehen dahin, die andern dorthin in den dunklen Goss u, durch die nun vereinzelt Papierlämpchen wie Glühwürmchen schaukeln. Haustüren knarren. Lichter verlöschen iu den Fenstern. Ein sam liegt der Markt. Nur der Brunnen plätscher! und schwätzt und schwätzt in die schlasende Siabt hinein. Soviel hat er ja gesehen in all den Tagen, daß er nicht müde wird zn erzählen von Foistsest und frohem Kinderlachen. Osimal Haden Kiirge Land und Smd« heimgesucht. Dan« schwiegen die Feste im Forst. Immer wieder aber lebten sie von neuem aus im Dolke, auch nach dem letzten großen Kriege. Nun neidet der Erbfeind am Rhein den Kamenzern ihr Fest. Wie war es dow? Er brachte Bilder von frohen Kamenzer Kindern im Forstsestkleid und schrieb dazu, Deuischlaud sei noch immer reich, wenn es so Feste feiern KSvnte. Recht so! Dos Volk i st reich, das so die Heimat schönt in Lied und Spiel und Sage, unendlich reich an Liebe zu DM uns Puter land. Gemünztes Gold, das mögen immer sie uns raube»; den Brunnen doch, den schöpfen sie nicht aus, der immer neu sich süllt, lauter und rein unb staik aus deutscher K'- de-h-rzen Bei jedem Nusstehn stelle dir dis Frage: Was tu ich Gutes an dem heut'gsn Tage? And denke: Wenn die Sonne geht, sie nimmt Ein Stück des Lebens mit, das) mir bestimmt. Indischer Spruch.