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der sie bricht, zum Herren eines großen Schatzes macht. — Auch im Süden erheben sich hohe Felswände. Auf dem Scheitel der einen schroffen Wand können wir von unserem Felsen aus deut lich eine kleine freistehende Felsfigur sehen: den Großvater. Vor dem Absturze der nächsten Felswand steht, nur wenige Meter von uns entfernt, die schier unersteigbare, völlig isolierte Felsen nadel der „Semperhex e". Wie eine Zipfelmütze erscheint sie: nicht sehr hoch, aber außerordentlich steil und spitz. Eine Ions- dorser Ortssage aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges spricht von einem „Sempersteine", doch kann man nicht mit Bestimmtheit sagen, ob damit die heutige „Semperhexe" gemeint ist. An der Semperhexe vorbei wenden wir uns nach Süden und gelangen in ein wahres Labyrinth von hochanstrebenden Felsen. Zunächst steigen wir in einer sumpfigen Felsengasse empor, dann verengen sich die Wände und treten immer näher aneinander heran. 3a, an mehreren Stellen hängen sie weit über und bilden große, höhlenartige Räume, die in den Zeiten schwerer Bedrängnis den Bewohnern der Umgebung als Zufluchtsstätten gedient haben sollen. Derartigen Felsen hat man auch hier den Namen „Kuh- ställe^gegeben; wir finden solche nicht bloß südlich der Semper hexe, sondern auch weiter im Norden an den Schusterbänkxy. An unseren „Kuhställen" liegt unter den überhängenden Felsen ein bemooster Stein mit der rätselhaften Inschrift l809^.Dsicst L. — Weiter kommen wir durch diese wildromantische Felsschlucht nach einem einsamen quelldurchrieselten Tale, dem sogenannten „Mordloche". Auch hier findet sich talabwärts an einem über- mannshohenFelsblockeeineInschrtftmit den unerklärlichenZeichen N. O. li. v. 3 -f- 1723 v. k. 1836 Dann gehts das Tal hinan, abermals zu jener Felsenge, aus der wir gekommen sind, an ihr jedoch vorbei bis zum nächsten Ein schnitt. Ein Weg, ähnlich dem an den Kuhställen, führt uns durch diesen Hohlweg, schließlich aber zweigt ein engerer Pfad zwischen steilen Felswänden nach Osten ab, der „Läufergang". Hier hängen die Felsen so weit über, daß sie ein natürliches Dach von etwa 35 Meter Länge bilden. Gerade über uns steht der „Groß vater". Wir steigen deshalb in der Schlucht bis zur Höhe empor und gehen dort auf dem Felsen ein Stück des Weges zurück. Bald befinden wir uns vor einer kleinen, freistehenden Felssäule, die uns etwa wie ein Mann in altväterischem Hute erscheint: dem „Großvater". Ein prachtvoller Ausblick auf den südlichen Teil der Felsenstadt lohnt unsere Mühe. Und so schauen wir denn, während die untergehende Sonne mit ihren letzten Strahlen all die Zinnen und Zacken, die Türme und Nadeln der Felsenstadt vergoldet, noch einmal auf dieses Stück Heimaterde, das wir nunmehr gründlich durchforscht und kennengelernt haben, das trotz seiner Unbekanntheit doch überaus reich ist an landschaftlichen Reizen und Schönheiten, schauen hinab auf dieses kleine Gebiet unserer engeren Heimat, das sich noch seine alte Urwüchsigkeit bewahrt hat, auf den deutschen Wald, der uns in seiner natürlichen, kernigen Frische und Schönheit aus allen seinen Zweigen und Asten die Heimatliebe predigt. Und deutsch ist der Wald auch dort im Süden, wo die „Raben steine" ausragen, mag auch dort jene willkürliche trennende Linie zwischen deutschen Brüdern gezogen sein. Und während wir zurück durch das Brummernest nach Jonsdorf eilen, fährt der Abendwind durch die Kronen der Bäume und bewegt sie, erst leise, dann immer lauter und vernehmlicher. Sie rauschen und raunen das ewige Lied von der Heimat: Heimatland, heiliges Landl Ströme von Tränen flössen um dich, Ströme von Blut. — Aber nur heiliger wurdest du mir, Aber nur brünstiger liebe ich dich! Und müßte ich wandern im Bettlergewand Und zehrte mir Hunger den Leib Und Gram meine Seele — Nicht kann ich lassen dich, heiliges Land, Nicht den Glauben an dich und die Stunde, die kommen wird — einst — Da wieder du stehst im Glanze des Lichts, Heimatland, heiliges Land! (Diese Arbeit wurde vor der Abholzung (Nonne!) abgefaßt ) Literatur: 1. Lausitzer Wanderbuch I Teil. 2. A Matthes, Die Jonsdorfer Mühlsteinbrüche... zugleich ein Führer durch die M. und die Felsenstadt. Zittau um 1885. 3. R. Bauer, Ein Spaziergang d. d. I. M. in den Mitteilungen der Naturw. Gesellsch. Zittau. 1918. 4. O. Friedrich, Die 2. M. Zittauer Nachrichten 1890 Nr. 37, 42, 43, 45 und „Lusatia" 1. Iahrg. Nr 1. 5. Geologische Karte von Sachsen 1:25000. Sektion Zittau- Oybin—Lausche. Erläuterungshest. ' 6. Stöbe, Flur- und Ortsnamen von I. u. Umg. Zittauer Rundschau-Kalender 1920. Der Mutter Lied Don Helens Helbig-Tränknsr In meiner Seele tönt ein seltsam Singen Ms ein verborgner Dorn im Wisjengrund; Diel hundert Stimmen heben an zu klingen: „Sing Du doch auch, tu Deine Lieder kundl" Durchs Fenster weht ein Duft vom Mejenschaums, Ls pfeift der Star, daß er zurücßgskshrt — Der Dlütenschnee zerstiebt am Apfelbaums, And meins Seele sacht zum Lied sich kehrt. Da nacheinander schlagen gleich drei Türen: Mein Dübchsn - ach - auf leisen Sohlen nicht — Mit Männertritt, als wollt' Armeen er führen, Ins bang erkämpfte Heiligtum er tritt. „Ls sind doch acht, sieh» Mütterchen, und zähle, Ich hab' den schönsten, fettesten erjagt l" — „Sechs, Bübchen, sechs und Fühler zwei, nur quäle Ihn nicht, und dass dis Katze ihr nicht plagt l" Maikäfer summt in meines Kindes Fingern, Sechs Deins klettern durch dis kleine Faust. — Surr, — fliegt ec auf, und mit den braunen Dingern Ein Windstotz durch das offne Fenster braust. — Vorbei das Lied, mit ihm die stille Stunde, Da sanft ein Traum gskützt die Lippen mein. Tief in der Seele eins stumme Wunds And nun, mein Bübchen, will ich bei Dir sein l Ich küsse diese weichen Lippen wieder, Eis fragen: „Bist zu Ende Du noch nicht 7" Da steigt's wie eins Offenbarung nieder: Ein Kinderherz, das heiligste Gedicht l Wanderlied Der Bergwald ist vom Märzschnee frei. Schon grünen Busch und Hecken. Der Winter schied, bald kommt der Mai. Herbei den Wanderstecken I Die ersten Veilchen an den Hut! Wie wandert sich's im Frühling gut Auf altvertrauten Wegen dem Morgen froh entgegen! Die Sonne steigt, der Sommer naht. Gelb sind die Ahrenfelder. Uns führt ein bunter Wiesenpfad in schattenkiihle Wälder, In Mittagsglanz auf Bergeshöh'n! O Heimatland, wie bist du schön! Gäb keiner mtr's Geleite; ich fahre in die Weite. Es flammt der Wald, die Astern blühn, Herbstnsbel mählich steigen.. Die letzten Rosen still verglühn, der Wind horst in den Zweigen. Da ruht sich's gut am Wiesenhana beim allerletzten Lerchensang. Was kümmern dich die andern. Wer froh sein will, muß wandern. Und jauchzt der Sturm und klirrt das Eis, und wirbeln flink die Dann wollen wir um keinen Preis am warmen Ofen hocken. (Il- cken, Uns lockt mit seinem Zauberbann der tiefverschneite dunkle Tann. Dort bist vor Leid und Sorgen du wundersam geborgen. So ist auch unsre Lebenszeit ein Wandern nur aus Erden Durch Lenzesgliick und Winterleid, bis wir einst stille werden. Doch wer auf seiner Lebenssahrt ein frohgemutes Herz sich wahrt, Der findet allerwegen den rechten Wandersegen. Kurt Rädel-Zittau.